Rise, Cloud und Exit
Exit-Support ab 2027 mit EU-Rechtshilfe
Der EU Data Act ist eine Verordnung der Europäischen Union, welche darauf abzielt, den Austausch und die Nutzung von Daten innerhalb Europas zu erleichtern und zu fördern. Der Rechtsakt wurde am 22. Dezember 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
In dem sehr ausführlichen Dokument findet sich auch ein Abschnitt über den Wechsel von Cloud-Anbietern (Hyperscaler) oder das Verlassen der Cloud. Dieser Prozess ist noch nicht final definiert und Anbieter wie SAP haben dazu auch noch keine Unterlagen. In juristischen Kreisen wird angenommen, dass die allermeisten Cloud-Anbieter wie SAP die EU-Musterverträge abwarten und diese dann im Original oder adaptiert in die eigenen AGBs übernehmen.
Bereits seit dem 11. Januar 2024 muss die Möglichkeit bestehen, den Cloud-Anbieter wechseln zu können oder zu verlassen (Exit). Dafür dürfen die Anbieter auch eine Gebühr verlangen. Im Herbst 2025 soll es dann Cloud-Exit-Musterverträge der EU geben und ab dem 12. Januar 2027 muss der Wechsel oder Exit kostenfrei angeboten werden. In jedem Fall ist der Cloud-Anbieter aber durch den EU Data Act angehalten, den operativen und notwendigen Weiterbetrieb des IT-Betriebs zu unterstützen und sicherzustellen. Nach aktueller Auffassung lastet somit eine erhebliche Verantwortung auf den Schultern der Cloud-Anbieter.
Dreiteiliger Rise -with-SAP-Cloud-Vertrag
Auf dem Rise-Weg in die SAP-Cloud ist aber nicht nur eine nachgelagerte Exit-Strategie relevant, sondern bereits der sogenannte Rise-Vertrag selbst. Abhängig von der Ausgangssituation besteht ein Rise-with-SAP-Vertrag aus mindesten drei Bestandteilen, die nur marginal zusammenhängen.
Als erstes findet sich der Cloud-Vertrag selbst, der die Miete in der SAP-Cloud regelt. Dieser wird über mehrere Jahre abgeschlossen und kann eine Indexklausel beinhalten. Wichtig hierbei ist jedoch der Umstand, dass die Cloud-Subscription immer zu zahlen ist, ganz unabhängig davon, ob das eigene S/4-System auch dort jemals zum Laufen gekommen ist. Im Extremfall zahlt der SAP-Bestandskunde über Jahre für eine leere Wohnung in der Cloud.
Das Umzugsservice in die Cloud (Conversion) lässt sich SAP gesondert honorieren und stellt dafür auch ein eigenes Projektteam zur Verfügung. In der SAP-Community erzählt man, dass es auch weniger erfahrene S/4-Conversion-Teams gibt, die dann den Cloud-Umzug gegen die Wand fahren. Mitunter ist hier SAP kulant und storniert den Vertrag, was aber letztendlich kein einziges Problem löst, denn es gibt noch einen dritten Bestandteil des sogenannten Rise-Vertrags.
Der dritte Teil der Rise-Vereinbarung ist ein On-prem-Auflösungsvertrag. Vereinfacht dargestellt: Der SAP-Bestandskunde übergibt seine SAP-On-prem-Verträge (R/3 und ECC 6.0) an SAP und bekommt dafür ein bedingtes Wohnrecht in der SAP-Cloud. Was auf dem Papier noch harmlos aussieht, das kann in der Praxis ein Gau werden. Der größte anzunehmende Unfall wäre nämlich ein Scheitern der Conversion – der SAP-Bestandskunde kommt niemals in der Cloud an. Der Kunde kann aber auch nicht zurück, weil er mit dem dritten Teil des Rise-Vertrags seine On-prem-Rechte an SAP abgegeben hat.
Kundenzufriedenheit und SAP-Aktienkurs
„Kundenzufriedenheit lautet die Devise von SAP-Chef Christian Klein, seitdem er vor viereinhalb Jahren alleiniger Vorstandschef wurde. Was anfangs den Kurs lähmte, entwickelte sich zum Erfolgsmodell“, schrieb Anfang November Handelsblatt-Autor Ulf Sommer.
Der SAP-Aktienkurs entwickelte sich dieses Jahr ganz hervorragend, was aber – im Widerspruch zu den Erkenntnissen von Ulf Sommer – für die Zufriedenheit nicht gilt. Die Stimmung unter tausenden SAP-Bestandskunden auf dem alljährlichen DSAG-Kongress war dieses Jahr in Leipzig frostig. Mit den ersten Erkenntnissen aus dem sogenannten Rise-Vertrag und den bescheidenen Fortschritten mit den zugekauften KI-Werkzeugen konfrontiert, war den DSAG-Delegierten nicht zum Feiern zumute.
Ulf Sommer schrieb im deutschsprachigen Handelsblatt: „Erfolgsrezept ist eine Mischung aus Technologie, Innovation und Offenheit gegenüber neuen Trends, kombiniert mit Tugenden, wie sie in der von den USA dominierten schillernden Tech-Welt eher ungewöhnlich sind. Konzernchef Christian Klein, der 1999 als Student seine Laufbahn bei SAP begann, setzt vorrangig auf eigenständiges Wachstum ohne teure Übernahmen. So wie es die Gründer um Hasso Plattner und Dietmar Hopp einst favorisiert hatten.“
Wie jedoch die Übernahme von Signavio, LeanIX und dieses Jahr von WalkMe jeweils im Milliardenbereich einzuordnen ist, verrät Ulf Sommer nicht. Somit bleibt SAP ein ungewöhnliches Geschäftsmodell, das einen hervorragenden Aktienkurs und eine getrübte Stimmung bei den Bestandskunden hat.