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Reintegration

Thyssenkrupp stand vor der Herausforderung, den Bereich Service, der vollintegriert im SAP-System abgebildet war, in die drei Produktbereiche Zement, Mining und Chemical Plant überzuführen.
Marco Sanna, cbs
14. Oktober 2022
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Anlagenbauer Thyssenkrupp realisiert komplexe SAP-Transformation

Die Thyssenkrupp Industrial Solutions mit Hauptsitz in Essen ist ein führender Partner für die Planung und den Bau industrieller Anlagen und Systeme. Der Konzern stand strukturell und organisatorisch vor einer besonderen Herausforderung. Der große Bereich Service, der vollintegriert im SAP-System des Unternehmens abgebildet war, sollte in die drei Produktbereiche Zement, Mining und Chemical Plant überführt werden. Um sich wieder produktorientierter aufzustellen, die Transparenz zu erhöhen und auch für einen möglichen späteren Verkauf einzelner Geschäftsbereiche besser aufgestellt zu sein, galt es, den gemeinsamen Bereich in die jeweiligen drei Segmente im gleichen SAP-System aufzuteilen, und dies sogar im gleichen Buchungskreis. Gemeinsam mit dem Beratungspartner cbs realisierte der zuständige IT-Bereich diese anspruchsvolle Reintegration zurück in eine produktorientierte Gesamtverantwortung der einzelnen Bereiche in einem engen Zeitrahmen von nur neun Monaten.

Carve-outs oder Verschmelzungen gibt es im Industrieumfeld häufiger. Hier war der Fall ganz anders gelagert. Der Bereich Service, der voll im ERP System integriert war, sollte aufgeteilt und in die drei Produktbereiche Zement, Mining und Chemical Plant integriert werden, welche gleichzeitig als eigenständige Geschäftsbereiche durch eigene Segmente in SAP abgebildet und ebenfalls operativ waren.

Kay-Michael Goertz, Head of Commercial Processes and Applications und zuständiger Projektleiter bei der tkIS: „Diese Anforderung umzusetzen erlaubte kein typischer Migrationsansatz im bekannten Sinne: Ich habe mein altes System, ich definiere meine Migrationsregeln, ich befülle ein neues System und mache dabei eine Dreiteilung. Vielmehr haben wir alle Daten im laufenden System migriert, noch dazu im selben Buchungskreis. Wir haben also auch 17 Jahre Firmengeschichte – davon fünf Jahre in dem bestehenden System – berücksichtigt und dabei Altdaten genutzt, die wir schon mal in das aktuelle System migriert hatten. Dies war schon eine spezielle Herausforderung. Einige Daten hatten inzwischen sogar schon drei, vier Migrationen – bedingt durch interne Organisationsänderungen – hinter sich. In der Regel werden die Daten durch häufiges Migrieren nicht besser.“

In einem System, das einer segmentorientierten Berichterstattung unterliegt, ein Segment auf drei Segmente aufzuteilen, obwohl die Einzelbelege nicht eindeutig einem Ziel-Segment zurechenbar waren, das war die primäre Herausforderung für das Projektteam.

Enterprise Transformer

Ganz entscheidend war für die Verantwortlichen die Konzeptphase am Anfang. „Was wollen wir überhaupt, was heißt das für uns? Welche Belegdaten sehen wir, die wir konsequent auseinanderdividieren müssen? Hier mussten wir zunächst intern Klarheit haben, um dann auch einen definierten Startpunkt für die Gespräche zu haben“, erläutert Goertz das Vorgehen. In der Folge stieg tkIS schnell in tiefere Design-Gespräche ein. Technisch gab es nicht viele Wahlmöglichkeiten, denn eine Migration innerhalb eines Buchungskreises lässt kaum Optionen zu. Es gibt keinen einfachen Copy-Clean-Ansatz, wie im richtigen SLO-Geschäft und keinen klassischen Ansatz, der der besonderen Situation gerecht werden könnte. Daher war es eine Herausforderung, die Komplexität der Transformation fassbar und begreifbar zu machen und einen eigenständigen Lösungsansatz zu finden.

Genutzt wurde cbs Enterprise Transformer als umfassende Standardsoftware für die ganzheitliche SAP-Datentransformation. Dabei wurde ein hybrider Transformationsansatz mit maximaler Prozesskontinuität gewählt. Dieser ermöglichte auf der einen Seite Belege und ganze Belegketten teilweise vollhistorisch auf die neuen Segmente, Sparten und Profit-Center per Direct-Update-Technologie zu transformieren und auf der anderen Seite die Nutzung automatisierter Verbuchungsmethodiken. Diese wurden in das komplexe Validierungsframework von tkIS integriert. Mithilfe des cbs ET wurde ein minimaldisruptiver Ansatz verfolgt, der es ermöglichte, Stamm- und Bewegungsdaten in jedem Prozess-Status zu transformieren, ohne etwa offene Bestellungen, Lieferungen, Fakturen oder Projekte im Vorfeld abschließen und im Nachgang neu eröffnen zu müssen.

Transformationsverfahren mit hoher Komplexität

Bei einem solchen Projekt besteht die Gefahr, den Aufwand zu unterschätzen. Kay-Michael Goertz: „Wir hatten im Jahr zuvor die andere Richtung eingeschlagen und drei Einheiten in einem Segment verschmolzen − das ging relativ smooth. Anfangs dachten wir, das kann andersherum auch nicht so schwer sein.“

Die Praxis sah aber anders aus. Es war am Ende nicht trivial, von bestimmten Fragestellungen her, diese vollhistorische Migration zu stemmen. „Wir mussten zunächst mal aufräumen. Wir mussten bestimmte Ketten zurückverfolgen, und das war nicht so einfach, gerade bei Belegen, die älter und schon einmal oder gar mehrmals migriert worden waren, aber unter anderen Aspekten, mit einem ganz anderen Hintergrund, in eine andere Richtung“, erklärt Goertz.

Des Weiteren sagt Goertz: „Dass die neue Aufteilung in den Aufsummierungen der drei Bereiche in der Gesamtbilanz des Konzerns wieder zum selben Bild wird, das ist dann schon höchst anspruchsvoll, weil dort auch große Wertanteile enthalten sind, etwa die Neubauprojekte. Aber das ist uns gelungen.“ tkIS hat nun SAP-technisch eine Datenlage erzeugt, die der organisatorischen Lage entspricht. Und das Unternehmen hat damit für die jetzt anstehenden Verkaufsverhandlungen überhaupt erstmal die technisch notwendige Voraussetzung geschaffen, um eine Systemtrennung zu ermöglichen.

„Das Transformationsprojekt war durchweg erfolgreich: in-time, in-quality, in-budget. Wir sind sehr zufrieden, alles wurde in der vorgesehenen Zeit abgeschlossen. Wir haben in cbs einen verlässlichen Partner gefunden, mit dem wir im Augenblick bereits das nächste Projekt umsetzen“, freut sich Goertz. Die drei Geschäftseinheiten sollen mittel- bis langfristig verkauft oder in Partnerschaften mit anderen Marktteilnehmern ausgebaut werden. „Dann werden wir den betreffenden Bereich aus diesem System herauslösen und in ein neues System einbauen müssen. Der Vorteil: Wir können jetzt jeden Bereich sauber greifen und haben dadurch einen deutlich geringeren Aufwand. Weil jeder Geschäftsbereich genau in einem Segment sitzt, und nicht mehr verteilt über mehrere Segmente“, präzisiert der Projektleiter.

Das Erfolgsrezept? Ein frühes Einbinden aller Ebenen auf der Business-Seite, vom Board bis zu den Mitarbeitern, die im Projekt mitwirken sollen. Weil es um Daten-Teilung geht und dahinter natürlich dann auch um entsprechende Aspekte, Gewinnanteile und ähnliche Dinge. „Uns war es wichtig, dass man früh ein gleiches Verständnis vom Ziel hat, das man erreichen will, und natürlich den Rahmenbedingungen, denen so ein Unterfangen unterliegt“, so Goertz.


Thyssenkrupp Industrial Solutions

Die Thyssenkrupp Industrial Solutions (tkIS) ist ein Partner für Planung, Bau und Service rund um industrielle Anlagen und Systeme. Gemeinsam mit seinen Kunden entwickelt das Traditionsunternehmen Lösungen auf höchstem Niveau und liefert Effizienz und Nachhaltigkeit entlang des kompletten Lebenszyklus. Im Mittelpunkt stehen Zementanlagen, chemische Anlagen und Anlagen für Mining. Hinzu kommen beispielsweise ferngesteuerte Schiffsentlader oder Lösungen für die digitale Bestandsführung. Durch ein globales Netzwerk ist es möglich, weltweit schlüsselfertige Anlagen zu liefern, die sich durch besonders ressourcenschonende Technologien auszeichnen. Im Geschäftsjahr 2018/2019 erzielte der erfolgreiche Global Player mit 11.400 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,94 Milliarden Euro.

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Marco Sanna, cbs

Marco Sanna ist Senior Manager bei cbs Corporate Business Solutions und im Bereich Landscape Transforma­tion verantwortlich für Reorganisa­tionen im Finance-Umfeld.


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