Prüfung der SAP-Maintenance durch die EU


Teure und wenig flexible SAP-Wartung
Die Auseinandersetzung mit SAP-ERP-Lizenzen (On-prem und Cloud) und der dazugehörigen Wartung ist für viele Bestandskunden eine fortwährende Baustelle und Herausforderung, auch angesichts des Drucks, auf S/4-Lösungen bis 2033 umzusteigen. Trotz einer vertraglichen Bindung besteht für jeden SAP-Bestandskunden mit eigenen Lizenzen die grundlegende Möglichkeit, die Wartung bei SAP zu kündigen und diese Aufgabe einem Drittanbieter zu übertragen.
Es erscheint als Treppenwitz der SAP-Historie, dass schon vor über zehn Jahren die Analysten von Gartner jedem SAP-Bestandskunden ins Stammbuch geschrieben haben, unbedingt die eigenen ERP-Lizenzen zu behalten – ganz unabhängig davon, wie eine zukünftige ERP-Strategie aussehen könnte.
Der Hauptgrund für eine solche strategische Entscheidung liegt oft in der Suche nach Alternativen zur offiziellen SAP-Maintenance, da Kunden mitunter Mängel in der Servicequalität und ein ungenügendes Preis-Leistungs-Verhältnis in den Wartungsmodellen kritisieren.
SAP-Wartung versus SAP-Nutzungsrecht
Während die Kündigung des Wartungsvertrags dem SAP-Bestandskunden vom jährlichen Pflegegebührenanteil befreit, erlischt das Nutzungsrecht an der zugrundeliegenden Software, etwa ECC 6.0 oder der S/4-Runtime-Datenbank, hierdurch nicht. Die jährliche Pflegegebühr, die sich historisch auf bis zu 22 Prozent des Listenpreises beläuft, stellte für SAP über Jahre hinweg eine verlässliche und planbare Einnahmequelle dar.
Der Markt für SAP-Wartung durch Drittanbieter bietet Unternehmen eine finanziell sehr interessante Option, besonders für jene Anwender, die ihre SAP-Aktivitäten strategisch auslaufen lassen oder sehr alte SAP-Softwareprodukte betreiben. Diese Third-Party-Maintenance-Provider haben sich auf den Support von SAP-Softwareprodukten spezialisiert und verfügen oftmals über tiefgreifendes Know-how, um Unterstützung für Zeiträume von 15 Jahren und mehr nach dem Ende des SAP-Supports anzubieten.
Bei diesen Fremdfirmen haben Kunden üblicherweise Zugriff auf ein Webportal und eine durchgängig erreichbare Hotline, wobei einige Anbieter striktere Service Level Agreements (SLAs) und sogar einen Ersatz für den SolMan (SAP Solution Manager) bereitstellen. Nicht selten koppeln diese Drittanbieter ihren Support auch mit umfassenden Managed Services, bei denen sie den kompletten Betrieb der SAP-Systeme übernehmen.
Gemischtes Doppel ohne SAP
Das EU-Wettbewerbsverfahren wurde auch gestartet, weil SAP eine gemischte Wartung eines ERP-Systems ausschließt. Es ist somit den SAP-Bestandskunden nicht möglich, den klassischen FI-, AM- und CO-Teil der ERP-Software durch eine Drittfirma warten zu lassen und etwa IBP (Integrated Business Planning) als Cloud-Nachfolger des On-prem-APO (Advanced Planning and Optimizing) durch SAP selbst zu servicieren.
Gleichzeitig agieren viele Fremdfirmen auch als Ergänzung zur SAP-Maintenance, indem sie spezialisierte Dienstleistungen wie Application Management Services (AMS) und Hosting (Managed Services) anbieten. Diese Partner helfen, die Lücke zwischen der standardisierten SAP-Unterstützung – wie sie etwa im Rise-Angebot enthalten ist, das sich oft auf den SAP-Basisbetrieb und den technischen Support der SAP-Plattform beschränkt – und den individuellen Anforderungen der Kunden zu schließen.
Das Rise-Thema wurde auch auf der Informationsveranstaltung der Analysten von PAC Mitte Oktober in München diskutiert. Rise ist ein SAP-Service, das massiv vom Anwender mitgetragen werden muss. Ein SAP-Ticketsystem muss jeweils durch den Bestandskunden angestoßen werden. Hier gibt es kein proaktives Handeln von SAP, was den Großteil der Verantwortung somit beim Anwender belässt, der wiederum für den ERP-Betrieb das notwendige Wissen braucht.
Managed Services Provider (MSPs) bieten hierbei oft umfangreichere begleitende Dienstleistungen an, die über den standardisierten SAP-Support hinausgehen. Beispielsweise umfassen die Leistungen externer Berater und Systemhäuser die Unterstützung bei der Implementierung, beim Consulting, bei Schulungen und der SAP-Entwicklung.
EU kritisiert die fehlende Teilstilllegung von SAP-Lizenzen
Neben dem Wechsel des Wartungsanbieters birgt auch die Teilstilllegung von SAP-Lizenzen ein wichtiges Potenzial zur Kostenoptimierung – meint auch die EU-Wettbewerbsbehörde! SAP-Bestandskunden haben ein definiertes Verfahren, um Nutzungsrechte für nicht mehr benötigte ERP-Lizenzen aufzugeben, was als unbedingte Teilstilllegung bezeichnet wird. Diese Option kann beispielsweise dann relevant werden, wenn Unternehmensteile abgespalten werden und Lizenzen für Prozesse zurückbleiben, die nicht mehr genutzt werden.
Allerdings führt eine solche unbedingte Teilstilllegung nach SAP-Meinung zu einer Neubewertung aller Rabatte in Verträgen, die mit den stillzulegenden Produktfamilien verbunden sind, wodurch Unternehmen Nutzungsrechte aufgeben, ohne einen direkten Mehrwert zu erhalten. Hier soll das EU-Wettbewerbsverfahren auch Klärung im Sinn der Anwender bringen, aber SAP wird sich dagegen heftig zur Wehr setzen.
SAP ist gesprächsbereit, aber nur ein wenig
Alternativ zur vollständigen Aufgabe von Nutzungsrechten bietet SAP den Bestandskunden sogenannte Extension Programs an, die die Teilstilllegung von nicht genutzten On-prem-Lizenzen ermöglichen, um diese auf neue On-prem-Lizenzen oder Cloud-Services anrechnen zu lassen.
Um am Cloud Extension Program teilnehmen zu können, muss der SAP-Anwender unter anderem einen aktuellen Audit-Bericht vorlegen, der nicht älter als zwölf Monate ist, um zu belegen, dass die zur Anrechnung gebrachten Lizenzen tatsächlich nicht mehr benötigt werden. SAP behält sich dabei das Recht vor, nach der Teilstilllegung zusätzliche Lizenzaudits durchzuführen, um die Einhaltung der Stilllegung zu überprüfen.
Bei der Anrechnung im Rahmen dieser Programme werden jene Lizenzen zuerst stillgelegt, die den niedrigsten Wartungsbetrag pro Lizenz aufweisen. Wichtig ist in diesem Kontext auch, dass für die stillgelegten Lizenzen keine im Voraus bezahlten Wartungsgebühren zurückerstattet werden. Damit kommt auch viel Klärungsbedarf auf die EU-Behörde zu und Experten rechnen nicht mit einem schnellen Ende des EU-Wettbewerbsverfahrens!
Die Möglichkeit, nicht benötigte Lizenzen stillzulegen, in Kombination mit der Option, den Support durch spezialisierte Fremdfirmen zu ergänzen oder zu ersetzen, könnte SAP-Bestandskunden ein gewisses Maß an strategischer Handlungsfähigkeit zurückgeben, um die komplexen Lizenz- und Wartungsherausforderungen in der heutigen ERP-Landschaft zu meistern. Letztendlich wird es das Ziel des EU-Wettbewerbsverfahrens sein, den SAP-Bestandskunden einen höheren Freiheitsgrad bei der Wartung ihrer ERP-Systeme zu versichern.
Aber letztendlich ist die Diskussion über Wartungskosten, Maintenance und Pflegegebühr eine juristische Auseinandersetzung – mehr dazu von Rechtsanwältin Dr. Jana Jentzsch in einem exklusiven Kommentar im E3-Magazin November auf Seite 12 und auf dieser Website. Relevant wird das EU-Verfahren, weil SAP auch Strafzahlungen von Milliarden Euro drohen und andererseits sich SAP-Bestandskunden eventuell Millionen Euro an Pflegegebühr sparen werden.