Operational Reporting mit Hana Live oder EA?
Bereits im Mai 2013 stellte SAP ihren Kunden die Business Suite powered by Hana zur Verfügung.
Diese profitierten von einer allgemein verbesserten Performance und Fiori-Applikationen, die Geschäftsprozesse vereinfachten. Zudem wurde mit dem damals neu eingeführten Hana Live ein performantes Auswerten verfügbarer Daten direkt in der Hana–Datenbank ermöglicht – das Operational Reporting.
Einige Nachrichtenmedien sprachen zu dieser Zeit bereits begeistert von einem SAP R/4. Betrachtete man sich die Lösung jedoch im Detail, wurde schnell klar, dass es sich nicht um eine grundlegende Neuerung der Business Suite handelte.
Sowohl das Datenmodell als auch teilweise veraltete Funktionen blieben erhalten, um eine Abwärtskompatibilität gewährleisten zu können.Dies ermöglichte Bestandskunden der Business Suite eine Migration auf das neue Produkt, ohne auf bestehende Eigenentwicklungen verzichten zu müssen.
Mit S/4 Hana wagte SAP einen größeren Schritt und trennte sich auch von nicht mehr notwendigen Altlasten der Business Suite. So wurde unter anderem auf Tabellen verzichtet, die aus Performance-Gründen voraggregierte Daten enthielten.
Diese sind mit S/4 Hana nicht mehr notwendig, da die Plattform über ausreichend Performance für die unverzügliche Berechnung der Informationen verfügt. Man kann durchaus von einer Business Suite der nächsten Generation sprechen.
Kunden, die auf S/4 Hana migrieren, muss diese Tatsache bewusst sein, da Teile ihrer Eigenentwicklungen nicht ohne Weiteres in S/4 Hana weiterverwendet werden können.
Hana Live unter S/4 Hana
Mit dem Einsatz eines SAP Systems powered by Hana erwerben Kunden automatisch einen kostenfreien Zugriff auf Hana-Live-Inhalte.
Auf dieser Basis implementierte Operational-Reporting-Lösungen vereinen ein Hana-basiertes virtuelles Datenmodell mit einem SAP-UI5-basierten User Interface zur Auswertung grundlegender Kennzahlen aus unterschiedlichen Anwendungsbereichen.
Ähnlich dem BI-Content dienen die von SAP bereitgestellten Inhalte auch als Vorlage für kundenspezifische Erweiterungen.
Dem virtuellen Datenmodell und User Interface können neue Kennzahlen oder Merkmale hinzugefügt werden, auch die Berechnungslogik bestehender Kennzahlen lässt sich individuell anpassen.
Doch Vorsicht bei der Migration zu S/4 Hana. Dort wird Operational Reporting auf Basis von Embedded Analytics realisiert, nicht auf Hana Live.Embedded Analytics bietet die gleiche Flexibilität, arbeitet aber auf einer anderen technischen Basis.
Während das virtuelle Datenmodell der Business Suite on Hana ausschließlich mit Datenbankmitteln umgesetzt wird (Hana Information Views), basiert das Operational Reporting von S/4 Hana auf CDS-Views (Core Data Services), welche im Applikationsserver definiert werden.(Die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Lösungen können Sie im Artikel „SAP BW – ein Relikt aus der Vergangenheit?“ in der Oktober-Ausgabe des E-3 Magazins nachlesen.)
Hana-Live-Entwicklungen können aufgrund des überarbeiteten Datenmodells in S/4 Hana nicht weiter verwendet werden. Eine Überarbeitung von Hana Live für S/4 Hana ist nicht angedacht.Es handelt sich um zwei unterschiedliche Operational-Reporting-Lösungen für zwei unterschiedliche SAP-Produkte.
Alternative 1: Integration statt Migration
Dennoch ist es denkbar und möglich, Hana Live auch in S/4 Hana weiter zu verwenden. Die notwendigen Anpassungen des virtuellen Datenmodells durch Kundenerweiterungen können selbst durchgeführt werden, was sich lohnen kann, wenn Hana Live bereits massiv durch Eigenentwicklungen erweitert wurde.
Die Möglichkeit der manuellen Anpassung von Hana Live Views durch den Kunden wird auch von SAP als Alternative betrachtet. Diese bedingt jedoch einen gründlichen Blick auf die Veränderungen des Datenmodells im Einzelnen.
Die von SAP zusammengestellte Simplification List für S/4 Hana (https://help.sap.com/s4hana_op_1511) bietet dafür eine gute Grundlage.
Ein Beispiel: Die Tabelle VBBS enthielt in der Business Suite täglich aktualisierte, aggregierte Werte für den Vertriebsbedarf (Vertriebsbedarfsummensatz). Dem Prinzip folgend, keine Aggregate mehr zu bilden, greift S/4 Hana nun direkt auf die Einzelbelege in der Tabelle VBBE (Vertriebsbedarfseinzelsätze) zu.
Dieses Verhalten ist allerdings konfigurierbar und umkehrbar. Die Tabelle VBBS bleibt bei S/4 Hana weiterhin bestehen, enthält im Normallfall aber keine Daten mehr.Da die Tabelle noch existiert, sind Hana Information Views, die auf diese zugreifen, immer noch zulässig, auch wenn keine Ergebnisse mehr angezeigt werden.
Ein anderes Beispiel sind Summen- und Indextabellen im Bereich FI-CO. Diese Tabellen wurden in S/4 Hana gelöscht. Der Zugriff auf die Daten in derselben Struktur ist jedoch durch gleichnamige Abap-Views immer noch möglich.
Die SAP Note 1976487 erklärt diesen und weitere Fälle für Datenmodelländerungen und enthält entsprechende Handlungsanweisungen. Eventuell notwendige Änderungen an Hana Information Views werden jedoch nicht erklärt.
Auch auf Ebene der Einzelbelege oder Stammdaten, welche die bevorzugten Datenquellen für Hana Information Views sind, gibt es Datenmodelländerungen.
So z. B. im Bereich Controlling: Das „Universal Journal“ (Tabelle ACDOCA) fasst zahlreiche Tabellen für Einzelposten für das operative Berichtswesen und die Planung zusammen. Zugehörige Buchungsköpfe werden in der Tabelle BKPF abgelegt. Dies gilt allerdings nicht für das Controlling. Buchungsköpfe des Controllings befinden sich vorrübergehend noch in der Tabelle COBK, was in zukünftigen Releases von S/4 Hana geändert werden soll.
Diese Beispiele zeigen, dass genaue Kenntnisse der Datenquellen für eigene Hana Information Views und geplante Änderungen in S/4 Hana notwendig sind, wenn das Operational Reporting auch in S/4 Hana weiter mit Hana Live betrieben werden soll.
Zudem müssen bei jedem Update etwaige Datenmodelländerungen auf ihre Auswirkung hin überprüft werden.
Alternative 2: Hana Live auf Embedded Analytics
Technisch sind auch ein gegenseitiger Zugriff auf Hana und CDS-Views möglich. Möchte man die eigenen Entwicklungen im Bereich Hana Live weiterführen, dann kann man sich diese Möglichkeit zunutze machen.
CDS-Views decken in S/4 Hana bereits heute einen großen Teil des Datenmodells ab und beschränken sich dabei keinesfalls nur auf die analytisch nutzbaren Daten. Generell wird für jeden CDS-View auch ein entsprechender Datenbankview angelegt. Dieser Datenbankview kann als Quelle für einen Hana Calculation-View genutzt werden.
Das virtuelle Datenmodell von Hana Live reichert die Daten aus den Tabellen mit Metadaten an (z. B. Zuordnung von Summen- und Währungsfeldern, Anzahl der Nachkommastellen, Regeln für die Aggregation usw.).
Diese Metadaten gehen bei der beschriebenen Vorgehensweise völlig verloren und müssen neu definiert werden – berechnete Kennzahlen sowie die bereits durchgeführten Unions und Joins der zugrunde liegenden Tabellen allerdings nicht.
Zudem gilt zu beachten, dass CDS-Views wie auch Hana Information Views hierarchisch aufgebaut sind. Views auf der untersten Ebene basieren direkt auf einzelnen Tabellen, die allerdings in zukünftigen Releases obsolet werden könnten.
Aus diesem Grund empfiehlt es sich, übergeordnete Views als Grundlage zu verwenden (z. B. sogenannte CDS-Cubes).
Diese werden auch nach Datenmodelländerungen weiterhin unter demselben Namen existieren und über einen ähnlichen, kompatiblen Inhalt verfügen.
Alternative 3: Embedded Analytics auf Hana Live
Ein Kritikpunkt an Hana Live ist die Notwendigkeit, das Autorisierungskonzept neu zu entwickeln. Die ausschließlich auf der Datenbank basierende Lösung erfordert eine erneute Implementierung der Berechtigungen auf Basis von Analytic Privileges.
Der Einsatz von Abap CDS-Views in S/4 Hana dagegen erlaubt die Nutzung von Autorisierungsobjekten des Applikationsservers. Kunden, die sich dies zunutze machen wollen, setzen ihre Tabellenzugriffe und Datenaufbereitung nach wie vor über Hana Information Views um und greifen anschließend mit einem CDS-View auf die fertig aufbereiteten Daten zu.
Auch in diesem Szenario gehen Metadaten vollständig verloren, können aber auf CDS-Ebene neu definiert werden.
Hana verfügt wie viele Datenbanken über einen speziellen SQL-Befehlssatz mit Hana-spezifischen Kommandos. Dieses sogenannte „Native SQL“ erlaubt auch den Zugriff auf Hana Information Views. In normalem Abap-Code ist dies nicht möglich, da auf Ebene der Applikationsserver nur ein reduzierter Standardbefehlssatz genutzt wird (Open SQL).
Dies kann durch Nutzung einer „Abap Managed Database Procedure“ (AMDP) umgangen werden. Diese ermöglicht es native SQL-Befehle auf Hana auszuführen und ihre Resultate weiterzuverwenden.
Diese AMDP lässt sich anschließend als „Table Function für CDS-Views“ definieren und kann so als Datenquelle für einen CDS-View verwendet werden. Letztendlich wird dadurch erreicht, dass ein CDS-View seine Daten nicht aus einer Tabelle, sondern über natives SQL direkt aus einem Hana-View erhält.
Diese Vorgehensweise lässt sich auch anderweitig nutzen: Wenig bekannt ist, dass Hana Live auch in einem Sidecar-Szenario betrieben werden kann.
So wird eine Systemlandschaft bezeichnet, in der Hana-Funktionalitäten genutzt werden, indem die relevanten Daten von einem System basierend auf AnyDB zunächst auf eine separate Hana–Datenbank repliziert werden.
Es ist dadurch möglich, Daten aus dem Hana-Live-Inhalt eines anderen Systems in das Reporting basierend auf CDS-Views in S/4 Hana einfließen zu lassen.
Ganz nebenbei wird dadurch das Beste aus beiden Technologien genutzt: Kennzahlen werden performant ausschließlich auf der Datenbank berechnet und CDS-Views gewährleisten dennoch den regulären Zugriff über das Abap-Berechtigungskonzept und User im SAP-System.
Fazit:
SAP bietet zwei Lösungen für Operational Reporting an. Hana Live steht für Systeme zur Verfügung, die auf SAP Hana betrieben werden, und basiert auf Hana Information Views. Für S/4 Hana wird stattdessen Embedded Analytics angeboten, welches auf Abap CDS-Views beruht.
Kunden, die bisher den Standard-Hana-Live-Inhalt nutzen, können in der Regel problemlos auf Embedded Analytics umsteigen. Wenn auf dem bisherigen System allerdings Kundenerweiterungen für den Hana-Live-Inhalt erstellt wurden, ist eine Migration nicht ohne Weiteres möglich.
Die in diesem Artikel vorgestellten Alternativen erfordern Kenntnis des SAP-Datenmodels, von Hana Information Views und CDS-Views. Richtig eingesetzt können sie eine schnellere Migration des Operational Reporting bei einem Wechsel auf S/4 Hana gewährleisten.
Je nach Wahl der Methode kann die daraus resultierende Performance durch eine stärkere Verlagerung der Berechnungen auf die Datenbank sogar besser sein als die des SAP-Standards von S/4 Hana.