SAP – Nutzungsbasierte Geschäftsmodelle
Viele Cloud-Services sind nutzungsbasiert und das ist richtig und gut: Wenn AWS in ferner Zukunft seine unschlagbar niedrigen Speicherpreise revidiert, ist ein Wechsel zu Google und Microsoft aller Wahrscheinlichkeit möglich – nicht einfach, vielleicht nicht preiswert, aber möglich.
Wer mit Cloud-Technik des Speicheranbieters NetApp vorsorgt, kann den Cloud-Speicher fast beliebig zwischen Amazon, Microsoft und Google verschieben. Hier macht ein nutzungsbasiertes Geschäftsmodell sehr viel Sinn. Es ist nahezu zwingend erforderlich.
Bis dass der Tod euch scheidet
Wer aber seine SAP-Leonardo-Apps auf der SAP Cloud Platform entwickelt und betreibt, der hat keine Alternativen: Einmal mit dem SAP’schen Cloud Computing begonnen, bleibt man dort lebenslang verhaftet.
„Scheidung auf Italienisch“ ist die einzige Lösung – bis dass der Tod euch scheidet! Hier ist ein nutzungsbasiertes Geschäftsmodell im wahrsten Sinn des Wortes tödlich – oder ein wahrer Geldsegen für SAP-Chef Bill McDermott.
Einmal mit IoT, Machine Learning, Blockchain und weiteren Leonardo-Funktionen auf der SAP Cloud Platform begonnen, ist man dem Lizenz-Diktat von SAP ausgeliefert. Erfahrene Bestandskunden kennen dieses Dilemma aus der Vergangenheit:
Die wechselnden Lizenzbestimmungen und Metriken eines SAP NetWeavers machten aus einer einst fast kostenfreien Plattform letztendlich eines der teuersten und für SAP profitabelsten Produkte.
Man muss nur einen Blick auf die SAP-Preislisten der vergangenen zehn Jahre wagen, um zu erkennen, dass auch das nutzungsbasierte Geschäftsmodell der SAP Cloud Platform zuungunsten der Bestandskunden ausgehen wird.
Nutzungsbasiert heißt, abhängig zu sein von einer willkürlich festgesetzten SAP’schen Metrik. Was heute noch kostenfrei erscheint, kann morgen schon eine Million Euro kosten.
Neue Engine-Preise, geänderte Nutzungsmodelle, neue Funktionen, erweiterte Abhängigkeiten zwischen Modulen und Apps bieten SAP jede Möglichkeit zur offensichtlichen und versteckten Preiserhöhung.
Was will der Bestandskunde machen, wenn seine ERP-Modifikationen und Add-ons fast vollständig auf der SAP Cloud Platform entwickelt wurden und nun dort exklusiv betrieben werden?
Anders als on-premise muss man als Anwender jeden Schritt des Cloud-Service-Providers mitgehen. Den Vorgaben und Preisen Folge leisten. Nur wenn es sich um allgemein standardisierte Aufgaben und generische Daten handelt, ist ein Wechsel möglich.
So, wie sich Abap-Modifikationen und Add-ons aus dem Z-Namensraum nicht auf ein anderes ERP-System übertragen lassen, so lassen sich auch Apps der SAP Cloud Platform nicht ohne Zutun und Erlaubnis der SAP transportieren.
Naturgemäß arbeitet SAP an einem Multi-Cloud-Konzept mit Amazon, Microsoft und Google, aber die funktionale und lizenztechnische Abhängigkeit wird bestehen bleiben, auch wenn die Leonardo-App in der MS-Azure-Cloud läuft. SAP wird weiterhin die Hand aufhalten.
Es ist das alte Spiel:
Die Einstiegshürde so niedrig und harmlos wie möglich gestalten; den SAP-Bestandskunden an die Plattform – NetWeaver, SolMan, Hana Cloud etc. – heranführen; nach und nach die Metrik des Lizenzmodells adaptieren; und letztendlich den Deckungsbeitrag und SAP-Börsenkurs verdreifachen.
SAP-Chef McDermott ist wahrscheinlich einer der besten Verkäufer weltweit. Er weiß, wie man das Letzte aus den Bestandskunden herausholt.