Microsoft und SAP: Eine himmelblaue Affäre
Anfang des Jahres verkündeten Microsoft und SAP den Ausbau ihrer Kooperation, deren technische Details und der Umsetzungsfahrplan in Kürze zu erwarten sind. Geplant ist unter anderem, dass Microsoft Teams integraler Bestandteil der Unternehmenslösungen von SAP wird.
Benannt wurden bisher S/4 Hana, SuccessFactors, Sales Cloud und Analytics Cloud. Diese Integrationen sollen Mitte 2021 zur Verfügung stehen. Die Verknüpfung von Kollaborations-Tools mit IT-gestützten Geschäftsprozessen verspricht naheliegende Vorteile für den Arbeitsalltag, wie sich anhand des folgenden Beispiels kurz skizzieren lässt.
Versetzen Sie sich einfach in die Lage eines Sachbearbeiters in der Fertigungsvorbereitung. Ihnen fällt auf, dass die letzte Lieferung unvollständig war und nun wichtige Materialien in der Produktion fehlen? Vermutlich würden Sie nun hektisch die Informationen der letzten Lieferungen und die Kontaktdaten des passenden Ansprechpartners suchen.
Sind diese gefunden, erfolgt der Griff zum Hörer. Vieles in der beruflichen Lebenswirklichkeit spricht dafür, dass der Ansprechpartner – zumindest beim ersten Versuch – nicht erreichbar ist. Sie müssen es folglich noch einmal versuchen oder eine Nachricht zwecks Terminabsprache hinterlassen. Dieser Aufwand und die Zeit lassen sich künftig sparen.
Sie müssen einfach in Ihrem S/4 Hana einen Chatbot öffnen, der automatisch den richtigen Ansprechpartner identifiziert, ihn kontaktiert, einen passenden Termin findet und über Microsoft Teams einrichtet. Anschließend muss nur noch mit einem Klick dem Teams-Meeting beigetreten werden, um das Lieferproblem zu beheben – ohne vorher wichtige Zeit für vergebliche Anrufe zu verlieren.
Wirklich überraschen kann das jüngste Kooperationsunterfangen beider Software-Schwergewichte nicht. Denn es knüpft an ähnlich gelagerte, fast schon vergessene Versuche in der Vergangenheit an, wie beispielsweise das Projekt Mendocino mit der Software Duet. Der Erfolg blieb vergleichsweise überschaubar. Ein anderes Beispiel ist das im Jahr 2019 gestartete Embrace-Programm.
Beide Unternehmen arbeiten daran, die bestehende strategische Partnerschaft zur beschleunigten Einführung von S/4 auf Microsoft Azure umfassend auszuweiten. Die Ernsthaftigkeit und Erfolgschancen haben sich 2021 nochmal deutlich erhöht, sind doch jüngst zwei Frauen in den SAP-Vorstand aufgenommen worden, die vorher beide bei Microsoft beschäftigt waren – Sabine Bendiek und Julia White.
Die Ausgangslage ist heute viel- und erfolgsversprechender, zumal externe Bedingungen zu mehr Kooperation drängen. Denn die Integration findet in der Cloud, konkret in Microsoft Azure, statt. Die Vorzüge dieser himmelblauen Affäre sind schnell angeführt: Im Vergleich zu den On-premises-Ansätzen werden Betrieb und Komplexität einer Integration mit der Verlagerung in die Cloud drastisch vereinfacht.
Die Integration spielt der SAP in die Karten ihrer Cloud-First-Politik: Im Rahmen der neuen Kooperation soll das eigene Lösungsportfolio, zuvorderst S/4, intensiver mit den Infrastruktur-Services von Azure verknüpft werden. Nüchtern betrachtet rechnen sich die Verantwortlichen an dieser Stelle aus, an dem Cloud-Erfolg von Microsoft zu partizipieren. Der US-amerikanische Konzern profitiert seinerseits von den gesellschaftlichen Entwicklungen im Kontext der Digitalisierung, die sich durch die Folgen der Covid-19-Pandemie potenzieren.
Unter dem Stichwort „New Work“ werden künftige Arbeitswelten von der festen physikalischen Gebundenheit gelöst. Das im Zuge des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg gebrachte Recht – und teilweise auch die Pflicht – im Homeoffice zu arbeiten, wird zur neuen Normalität.
Die Flexibilität und Effizienz einer virtuell angelegten Zusammenarbeit sind wesentlich höher als die von Präsenz-Meetings. Den leidigen, nunmehr obsoleten K(r)ampf um einen passenden Besprechungstermin und -raum wird kaum jemand missen. Voraussetzung für die neue Arbeitsweise und Organisation ist ein leistungsfähiger „Digital Workplace“, wie er von und mit Microsoft Teams umgesetzt werden kann.
Für mehr Effizienz im Arbeitsalltag ist allerdings noch ein weiterer Baustein vonnöten. Erst die Anbindung von Geschäftsprozessen, also Unternehmensanwendungen, an die Kollaborations-Tools verspricht im Arbeitsalltag eine höhere Produktivität, wie sie das Eingangsbeispiel kurz skizziert.
Lösen Microsoft und SAP das Leistungsversprechen ein, beide Umgebungen enger miteinander zu koppeln, wird nicht nur ein echter Mehrwert für gemeinsame Kunden generiert. Sie würden zudem mit Blick auf „New Work“ reale, innovative Gestaltungskraft entwickeln. Neben der Verzahnung auf Geschäftsprozess- und Workflow-Ebene umfasst sie gemeinsame Funktionen für eine einfachere Inbetriebnahme und Administration.
Geplant sind zunächst einfache Integrationsszenarien zu Terminfindung und Terminierung von Meetings sowie die Suche des richtigen Kunden-/Lieferantenkontakts. Später folgen dann tiefergehende und sicher komplexere Verzahnungen. In wenigen Wochen werden wir Näheres erfahren, um das konkrete Ergebnis der himmelblauen Affäre zu bewerten.