Köpfe rollen bei SAP
Die Steuermänner der SAP: Oswald, Lamadé, Klein
Wer entscheidet die SAP-Strategie und das People Management im SAP-Vorstand? Unter normalen Umständen hat der Aufsichtsratsvorsitzende einer Aktiengesellschaft das letzte Wort. Jahrelang dominierte Professor Hasso Plattner nicht nur den SAP-Aufsichtsrat, sondern den gesamten Konzern. Sein Wort war ein Befehl an alle Mitarbeiter – auch wenn dieses Vorgehen nicht immer mit der Corporate Compliance kompatibel war. Als Mitgründer, größter Einzelaktionär und langjähriger CEO war SAP-Aufsichtsratsvorsitzender Hasso Plattner die alles bestimmende Instanz beim ERP-Weltmarktführer.
Die Frage nach der Nachfolge von Professor Hasso Plattner war somit in den vergangenen Jahren der vorherrschende Diskurs in der SAP-Community. Mit dem ehemaligen Deloitte-Chef Punit Renjen fand der ERP-Konzern einen würdigen Nachfolger. Renjen wurde in den SAP-Aufsichtsrat gewählt und bereitete sich auf die Amtsübergabe vor. Sein aktivistisches und engagiertes Verhalten missfiel aber vielen Aufsichtsräten, Vorständen und Executives bei SAP – einige fürchteten um ihren Einfluss und ihre Vorteile unter einem Aufsichtsratsvorsitzenden Punit Renjen.
Die Palastrevolution gelang und in allerletzter Minute wurde Punit Renjen von der Liste zur Wahl eines neuen SAP-Aufsichtsratsvorsitzenden genommen. Wer waren damals die Steuermänner und Strippenzieher? Als Ersatz wurde für eine zweijährige Periode Pekka Ala-Pietilä vorgeschlagen, der schon einmal Mitglied des SAP-Aufsichtsrats war. Er wurde gewählt und gilt seither als zweijährige Übergangslösung und „Lame Duck“, denn die wahre Macht bei SAP liegt seit vielen Jahren in den Händen der Aufsichtsräte Gerd Oswald, Lars Lamadé und des SAP-Vorstandssprechers Christian Klein.
Aktionismus bei ERP-Weltmarktführer SAP
Pekka „Lame Duck“ Ala-Pietilä, Gerd Oswald, Lars Lamadé und Christian Klein haben nun die Verabschiedung der SAP-Vorstandsmitglieder Julia White und Scott Russell beschlossen. Meine Kollegin Christina Kyriasoglou vom deutschsprachigen Manager Magazin schreibt somit folgerichtig: „Allerdings stellt sich die Frage, wieso die SAP-Oberen nicht bereits am Jahresanfang zu dem Schluss gekommen waren, dass die beiden Bereiche neu aufgestellt werden müssten – schließlich waren da die Geschäftszahlen schon gut und Klein und Co. hatten zuvor über Monate eine tiefgreifende Restrukturierung erarbeitet, die der CEO dann im Januar verkündete und die SAP im künftigen KI-Zeitalter wettbewerbsfähig halten soll.“
Die Historie ist komplexer als es auf den ersten Blick erscheint: Die Leistung von Julia White war bereits in den vergangenen Jahren unterdurchschnittlich, sodass schon Anfang 2023 der Vorschlag auf dem Tisch lag, den Vorstandsvertrag von Julia White nicht zu verlängern und sich von der ehemaligen Microsoft-Managerin zu trennen. Dann aber reichte sehr überraschend Personalvorständin und COO Sabine Bendiek ihren Rücktritt ein.
Für SAP war das naturgemäß zu viel Aktionismus: Zwei Frauen aus dem Vorstand wollte und konnte der ERP-Weltmarktführer in einer Periode nicht verlieren. Sabine Bendiek verließ SAP mit Ende 2023 und Julia White durfte vorübergehend bleiben, Dann wurde das Problem der Nachfolge für Professor Hasso Plattner gelöst, indem Punit Renjen durch Pekka „Lame Duck“ Ala-Pietilä ersetzt wurde. Eine Aktion, wie sie in deutschen Aufsichtsräten nur selten zu beobachten ist.
Schlechte Nachricht für die SAP-Community: Pricing
Mit der erwähnten SAP-Reorganisation von Anfang 2024 bekam Vorständin Julia White auch die Verantwortung für das Pricing – die PKL (SAP-Preis- und Konditionenliste) ist eine ewige Baustelle bei SAP. Letztendlich muss es für Julia White ein Höllenritt gewesen sein, sich um diese Herausforderung zu kümmern. Schon seit vielen Jahren fordert die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG e. V.) eine verständlichere, vereinfachte und transparente Preisliste an.
Bei allem Respekt für die Managementfähigkeiten von Julia White ist aber die Konsolidierung der PKL ein Job, bei dem es nur Verlierer geben kann. Sie musste mit der PKL scheitern und vielleicht war es dann auch dieser berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
SAP-Aktienkurs mit Allzeithoch
Aller schlechten Stimmung in der SAP-Community und bei den Mitarbeitern des ERP-Weltmarktführers zum Trotz befindet sich der SAP-Aktienkurs auf einem Allzeithoch. Warum? SAP-CEO Christian Klein und sein Finanzvorstand Dominik Asam investieren alle Anstrengungen in gute Nachrichten für Investoren, Aktionäre und Finanzanalysten. Der Vorgänger von Dominik Asam, Luka Mucic, musste gehen, weil nach Meinung von Professor Hasso Plattner der SAP-Aktienkurs nicht zufriedenstellend war. Die damaligen SAP-Zahlen waren gut und erfolgsversprechend, aber der Aktienkurs war im Vergleich zu Oracle, Microsoft und Salesforce unterdurchschnittlich.
Nun liegt der SAP-Fokus vollständig auf dem eigenen Aktienkurs – andere Bereiche werden vernachlässigt und bis zu 10.000 Mitarbeiter werden gekündigt, um den Deckungsbeitrag zu steigern. Diese Entwicklung ist negativ für die SAP-Community, die Partner und Bestandskunden. Auch die Stimmung bei den SAP-Mitarbeitern und das Vertrauen von diesen in die Strategie des Vorstands sind gering.
Ob nun eine Verkleinerung des SAP-Vorstands und die Ausrichtung auf KI und Public Cloud eine passende Lösung für die vielen offenen Fragen sind, muss sich erst beweisen. Die SAP-Community fragt sich, wie es weitergeht. Bleibt der SAP-Vorstand, wie er ist, und wer wird der Nachfolger von Scott Russell? Erste Antworten sollte es zum DSAG-Jahreskongress im Oktober in Leipzig, Deutschland, geben.
1 Kommentar
Klaus Küspert
„Bis zu 10.000 Mitarbeiter werden gekündigt“.
Das ist so schlichtweg eine Falschaussage.