Kleine Tools – große Wirkung


Jedes Unternehmen hat seine eigenen Prozesse. Individuell auf die Bedürfnisse des Unternehmens abgestimmt und oft über Jahre gewachsen, sind sie Grundbestandteil seiner wirtschaftlichen DNA.
Die Art und Weise, wie sich ein Unternehmen organisiert, ist mitentscheidend für seinen Erfolg. Die betriebsinternen Prozesse prägen so wichtige Faktoren wie die betriebswirtschaftliche Effizienz, die Qualität der Produkte, die Kundenzufriedenheit, aber auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter.
Je besser die Unternehmens-IT diese Prozesse abbildet und optimiert, desto erfolgreicher kann das Unternehmen agieren. Das SAP-System bietet dazu den tausendfach bewährten Rahmen – ein mächtiges Tool, das in der Lage ist, auch komplexeste Anforderungen nahezu vollständig abzubilden.
Warum aber passiert das in der Realität oft nur unzureichend? Schaut man genauer hin, dann findet sich in so ziemlich jedem Unternehmen erhebliches Optimierungspotenzial.
Handarbeit, Workarounds und selbstgebastelte Programme prägen das Bild, wo doch längst vollautomatisierte Lösungen möglich wären. Die Folge sind fehleranfällige Prozesse und Mehrarbeit. Der Kompromiss ist der größte Feind der Effizienz.
Häufig werden die ersten Fehler schon bei der Einführung eines SAP-Systems gemacht. Viele Betriebe scheuen die Veränderungen, die mit einer optimalen Nutzung des SAP-Systems einhergehen würden.
Die Folge sind unzureichende Kompromisse, die oft jahrelang die Produktivität eines Unternehmens oder einer Abteilung mindern. Doch es ist nicht nur das Festhalten an lieb gewonnenen Prozessen und Gewohnheiten, das Modernisierungen verhindert.
Oft fehlt es in den betroffenen Fachabteilungen schlicht an Sachkenntnis und Vorstellungsvermögen über die Möglichkeiten des hauseigenen SAP-Systems. Erst wenn der Leidensdruck steigt, wird die IT um Rat gefragt.
Individuelle SAP-Anpassungen
Welchen Effekt selbst vermeintlich kleine Applikationen und Anpassungen von SAP an die individuellen Bedarfe eines Unternehmens haben können, zeigt das Beispiel eines Herstellers von Flurförderfahrzeugen.
Der SAP-Optimierer Clientis entwickelte für das Unternehmen ein kleines Tool zur Berechnung der maximalen Traglast der Fahrzeuge. Ursprünglich sollte damit lediglich die Ermittlung einiger technischer Werte für einen Sicherheitshinweis vereinfacht werden.
Doch inzwischen kommt der Traglastermittler entlang der gesamten Wertschöpfungskette zum Einsatz: von der Angebotserstellung bis zur Auslieferung der fertigen Fahrzeuge. Das Unternehmen muss jedes Fahrzeug vor der Auslieferung mit einem sogenannten Traglastschild ausstatten.
Das Schild soll den Fahrer darüber informieren, welche Lasten maximal transportiert werden dürfen. Da Fahrzeuge individuell auf die spezifischen Anforderungen der Kunden angepasst werden, muss die maximale Traglast für jede Sonderanfertigung eigens errechnet werden.
Das aber ist kompliziert, da nahezu jede Veränderung am Fahrzeug das Ergebnis beeinflussen kann. Ähnlich wie bei einem Autokauf können die Kunden ihre Fahrzeuge nämlich aus einer Vielzahl an Modellen, Ausstattungsvarianten und zusätzlichen Applikationen individuell zusammenstellen.
Größe und Gewicht, Reifentyp, die Art der Hubvorrichtung, die gewünschte Transporthöhe oder das Modell des Gabelzinkens sind nur einige der Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt.
Bislang wurden die dafür notwendigen Berechnungen in einem separaten Arbeitsgang durchgeführt. Ein Mitarbeiter erhob die notwendigen Daten aus SAP und fügte sie manuell in ein Excel-Dokument, in dem die für die Berechnung notwendigen mathematischen Formeln hinterlegt waren.
Dabei kam es immer mal wieder zu Übertragungsfehlern. Aufgrund der guten Auftragslage war zudem der für die Berechnung nötige Arbeitsaufwand stark gestiegen. Das Unternehmen wollte diesen Prozess vereinfachen und sicherer machen. Deshalb wandte es sich an Clientis mit dem Wunsch, eine SAP-Lösung zur automatischen Ermittlung der Traglast zu entwickeln.
Bei dem Unternehmen ist SAP ECC Release 6.6 im Einsatz, das Ende der 90er Jahre um eine eigens entwickelte Maschinenbau-Lösung ergänzt wurde. Clientis integrierte die neue automatische Traglastberechnung vollständig in die Kundenauftragserfassung einschließlich der Variantenkonfiguration.
Das neue Tool erfasst im ersten Schritt alle rund 200 verschiedenen Merkmale. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass jeder Kundenwunsch und jede Spezifikation bei der Berechnung der korrekten Traglast berücksichtigt werden.
Die für die Berechnung der Traglast relevanten Daten werden danach in separaten Customizing-Tabellen zusammengeführt. Im nächsten Schritt überführt das Tool die relevanten Daten in eine komplexe Formel, aus der die maximale Traglast berechnet wird. Damit stehen die für das Hinweisschild erforderlichen Daten auf Knopfdruck zur Verfügung.
Der Nutzen des neuen Tools geht aber weit darüber hinaus. Da die Traglastberechnung vollständig in das bestehende SAP-System des Kunden integriert ist, stehen die Berechnungen dem Unternehmen nunmehr über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zur Verfügung.
Daraus ergeben sich weitere nützliche Anwendungsmöglichkeiten. Beispielsweise überprüft das System automatisch, ob es sich bei einem Fahrzeug um eine neue Konfigurationsvariante handelt oder ob das Unternehmen in der Vergangenheit bereits baugleiche Fahrzeuge hergestellt hat.
Ist das der Fall, kann das Unternehmen auf den ansonsten vorgeschriebenen Kipptest auf dem Prüfstand verzichten und auf diese Weise Kosten und Zeit einsparen.
Des Weiteren ermöglicht die automatische Traglastberechnung auch Simulationen. Damit kann das technische Auftragszentrum schon in der Angebotsphase prüfen, ob die Wünsche eines Kunden technisch umsetzbar sind.
Auch im Marketing, in der Entwicklungs- und Konstruktionsabteilung sowie bei der Qualitätsprüfung kommt die automatische Traglastberechnung zum Einsatz.
Die automatische Traglastberechnung hat sich mittlerweile in der Praxis bewährt. Das Tool läuft seit seiner Einführung nahezu fehlerfrei und hat das bisherige aufwändige Berechnungsverfahren via Excel vollständig ersetzt. Da es in die vorhandene SAP-Umgebung integriert ist, gehören Fehler aufgrund falscher Datenübertragung seither der Vergangenheit an.
Integration in SAP
Gegenüber einer externen Entwicklung bietet eine vollintegrierte Lösung zudem den Vorteil, dass künftige Upgrades und Releasewechsel von SAP ohne Probleme übernommen werden können.
Voraussetzung dafür ist ein erfahrener SAP-Dienstleister, der konsequent die SAP-Erweiterungstechniken nutzt und auf „kreative“ Eigenentwicklungen verzichtet. Der anfänglich etwas höhere Programmieraufwand gegenüber einer nicht integrierten externen Lösung macht sich auf diese Weise schnell bezahlt.
Das Unternehmen profitiert dank der automatischen Berechnung der Traglast von einer deutlichen Zeit- und Aufwandsersparnis in der Produktion und einer erheblichen Verbesserung der Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg.
Die manuelle Berechnung der Daten für das Traglastschild ist vollständig entfallen. Der automatische Abgleich mit früheren Berechnungen hilft, überflüssige Kipptests zu vermeiden. Mithilfe der neuen Simulationsberechnungen konnten zudem die Beratungsqualität und die Kundenzufriedenheit gesteigert werden.
Leider schöpfen die allerwenigsten Betriebe das Potenzial ihres SAP-Systems aus. Umständliche Prozesse, teure Workarounds und überflüssige Handarbeit finden sich in vielen Betrieben und in allen Abteilungen.
Dabei lassen sich viele Prozesse wie am Beispiel gezeigt sogar innerhalb des SAP-Standards realisieren. SAP verfügt über speziell für diesen Zweck eingerichtete Schnittstellen, mit deren Hilfe sich viele Lösungen nahtlos integrieren lassen, ohne das System zu beschädigen.