KI-Zuckerguss


SAP ist sehr bemüht, den Eindruck zu erwecken, das Thema KI fest im Griff zu haben. Die regelmäßigen Erfolgsmeldungen zu immer neuen KI-Applikationen, -Bausteinen und -Prozessen gleichen einem übernervösen Moderator, dessen Stimme sich gekünstelt überschlägt. Was soll das?
Während in der Industrie die Diskussion Fahrt aufnimmt, ob sich mit den vielen KI-Innovationen auch irgendwann echtes Geld verdienen lässt, versucht SAP, mit KI-Aktionismus zahlreiche Nebelkerzen zu werfen: Welche Strategie SAP mit KI verfolgt, ist aktuell nicht mehr erkennbar, denn das Kürzel KI taucht überall auf. Wie einen Zuckerguss überschüttet SAP das eigene ERP-Angebot mit künstlicher Intelligenz.
Ein operativer Mehrwert ist für den SAP-Bestandskunden noch nicht erkennbar. Es gibt viele Testballons und Proofs- of-Concepts. Die SAP-Partner veranstalten Hackathons und suchen nach zahlungskräftigen SAP-Bestandskunden. Kaum jemand traut sich zu sagen, dass ein Zuckerguss über eine Torte wahrscheinlich keine schlechte Idee ist, aber ein Schweinsbraten mit Kraut und Semmelknödel vermutlich besser schmeckt.
KI kann und wird einen Beitrag zum ERP der nächsten Generation leisten. Traditionelle If-then-else-Programmierung hat aber noch lange nicht ausgedient! Large-Language-Modelle, Machine Learning und KI beruhen zu einem Großteil auf Wahrscheinlichkeiten. Komplexe Regeln aus der Statistik bringen wundersame Ergebnisse ans Tageslicht. Letztendlich spiegeln die Antworten eines Large-Language-Modells aber lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit über die reale Welt wider.
Wer will aber schon von einer Wahrscheinlichkeitsrechnung abhängig sein, wenn es darum geht, ob es am Monatsende eine Lohnzahlung gibt? Hier erscheint abseits jeder KI die gute und alte If-then-else-Regel vertrauenswürdiger: Ist es Monatsende, dann gibt es Geld, wenn nicht, dann gibt es kein Geld aufs Konto.
Nun für jeden Anwendungsfall mit Gewalt und Krampf eine KI-Lösung zu konstruieren, das erscheint unlogisch, willkürlich und wenig produktiv. SAP sollte die ERP-Teile klar benennen, bei denen künstliche Intelligenz einen operativen Mehrwert erbringen kann, dann würde sich eventuell auch ein vertretbarer Deckungsbeitrag einstellen: gutes Geld für gute KI. Für einen SAP-Chef, der als Zuckerbäcker agiert, hat kein Bestandskunde Verständnis. KI muss sich rechnen und nicht das ERP-Leben versüßen. Ob SAP die Grenze zwischen KI-Marketing und ERP-Mehrwert schafft, das ist aktuell offen. Die Unberechenbarkeit von KI darf nicht zur Unberechenbarkeit von SAP werden.

Erstmals wurde die Karikatur von Robert Platzgummer (1975 bis 2016) in der E3-Ausgabe Oktober 2005 veröffentlicht. Professor Henning Kagermann, der damalige Chef bei SAP in Walldorf, versuchte es mit süßen Versprechungen, um eine neue Enterprise Service Architecture (ESA) zu etablieren.




