KI und SAP: Eine Verbindung mit Zukunft?
Technologien, die menschliche Eigenschaften annehmen oder sogar übertreffen, üben ganz offensichtlich einen großen Reiz aus – und das nicht nur im Kino. Auch die Wissenschaft widmet sich seit Jahrzehnten dem Thema.
Als Beginn von KI als akademischer Disziplin gilt der Workshop „Dartmouth Summer Research Project on Artificial Intelligence“, der im Sommer 1956 am Dartmouth College in Hanover (New Hampshire, USA) stattfand.
Tatsächlich waren die Fortschritte nach der Dartmouth Conference erst einmal recht überschaubar. In der jüngeren Vergangenheit haben aber verschiedene Entwicklungen dazu beigetragen, dass die Zukunftsvisionen von Wissenschaftlerinnen und Hollywoodregisseuren immer realer werden:
Die Leistung von Rechnern ist immens und rasant angestiegen; Unternehmen bringen immer mehr digitale und vernetzte Produkte auf den Markt; darüber hinaus entstehen auch in der Gesellschaft und Wirtschaft gewaltige Mengen an digitalen Daten.
Was KI kann und was nicht
Bislang fehlt allerdings eine valide Definition von KI beziehungsweise von dem, was wir unter Intelligenz verstehen. Was wir sagen können, ist: Rechner sind mittlerweile in der Lage, bis zu einem gewissen Grad autonom zu entscheiden und zu agieren.
Dazu erkennen und analysieren sie Muster in Daten, Sprache oder Bildern. Und dabei sind sie in vielen Fällen deutlich besser – umfassender, schneller und fehlerfreier – als wir Menschen.
Zum Einsatz kommt dabei eine ganze Reihe von einzelnen technologiebasierten Methoden – beispielsweise das Machine Learning, das häufig in einem Atemzug mit KI genannt wird.
All das fällt in die Kategorie „schwache KI“: Eine Software löst eigenständig spezifische Anwendungsprobleme. Sie erreicht aber kein tieferes Verständnis oder bildet übergreifende kognitive Fähigkeiten aus – was die entscheidenden Kriterien für „starke KI“ sind.
Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass „starke KI“ sich in Zukunft sogar zu einer Superintelligenz mit (simuliertem) Bewusstsein entwickeln kann, die sich rasch der menschlichen Kontrolle entzieht. Vorerst bleibt das aber dann doch Science Fiction.
KI-Potenzial von 430 Mrd. Euro
Die Aufmerksamkeit richtet sich daher aktuell fast ausschließlich auf „schwache KI“ und damit auf Ansätze mit einem konkreten Nutzen, die sich gut kontrollieren lassen und aus ethischer Sicht weniger heikel sind.
Prognosen des Beratungsunternehmens PwC zufolge kann in Deutschland allein durch (schwache) KI bis zum Jahr 2030 eine Wertschöpfung von 430 Milliarden Euro erzielt werden. In einer weiteren Studie hat PwC die Einsatzgebiete für künstlich intelligente Technologien untersucht.
Ein großer Teil der befragten Unternehmen nutzt KI aktuell zur Automatisierung bestehender Geschäftsprozesse und für die Datenanalyse. Besonders hilfreich ist KI dann, wenn es um einzelne, komplexe Sachverhalte mit einer enormen Datenmenge geht.
Dass KI für jedes Unternehmen ein enormes Potenzial hat, ist ziemlich naheliegend. Für SAP-Anwender stellt sich damit die Frage, welche Technologien ihnen SAP anbietet, um die bestehende Systemlandschaft upzugraden. Und tatsächlich finden sich im Portfolio ein paar Anwendungen, die nach KI klingen.
Leonardo: Annäherung an KI
Besonders lohnt sich ein Blick auf die Innovationsplattform SAP Leonardo, die 2017 aufmerksamkeitswirksam eingeführt wurde, um die es aber etwas still geworden ist. Versammelt hat SAP hier verschiedene Anwendungen und Microservices zu einer ganzen Reihe von Hype-Themen:
So sollten neben Machine Learning etwa auch IoT und Blockchain als innovative Technologien in das SAP-Universum einbezogen werden. Inzwischen scheint SAP diese Strategie aufgegeben zu haben.
Statt als umfassender Technologie-Provider will man in Walldorf offenbar wieder als praxisorientierter Lösungsanbieter auftreten. Dafür spricht, dass SAP Leonardo zunächst unter den Intelligenten Technologien subsumiert wurde und nun sukzessive im gesamten Produktportfolio aufgeht.
Heißt konkret: Viele der technischen und funktionellen Services, die unter dem Dach von SAP Leonardo entstanden, werden in den nächsten Wochen in Rente geschickt.
Automatisierung durch ML und KI
Stattdessen fokussiert SAP auf die Geschäftsprozesse und die Anforderungen der Unternehmen und integriert dafür die Innovationen und einzelne Lösungen. In diesem Zusammenhang bietet SAP den Kunden im Wesentlichen drei Wege in die Welt der künstlichen Intelligenz, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten und sich gegenseitig ergänzen.
Im neuen ERP-System S/4 Hana hat SAP einige KI-Funktionalitäten eingebettet, die einzelne Applikationen von S/4 intelligent machen. Ziel ist die Automatisierung von Routineaufgaben, um Mitarbeiter so zu entlasten, dass sie sich ganz auf die komplexen Fälle konzentrieren können. Dafür existieren mehrere Ansätze.
Vordefinierte Szenarien: SAP liefert vordefinierte Szenarien aus, die nur noch anhand der historischen Daten eines Unternehmens trainiert werden müssen und mit denen sich dann Routineaufgaben automatisieren lassen. Das funktioniert zum Beispiel bei der Zuordnung von Zahlungseingängen zu offenen Rechnungen oder dem Anlegen von Bestellungen.
Robotic Process Automation: Unternehmen bzw. Fachbereiche oder Anwender haben mit Robotic Process Automation die Möglichkeit, eigene KI-basierte Automatisierungen anzulegen, bei denen Bots wiederkehrende Aufgaben anhand erkannter Muster abarbeiten.
Situation Handling: Durch die vordefinierten Szenarien und Robotic Process Automation wird das neue Paradigma Situation Handling konkretisiert: Anwendern im Fachbereich werden nur noch außergewöhnliche Ereignisse angezeigt, auf die sie gezielt reagieren können.
SAP Conversational AI: Ebenfalls im Kontext von S/4 kommt SAP Conversational AI zum Einsatz. Die Plattform, mit der sich als Teil von SAP Leonardo eigentlich Chatbots realisieren lassen, ermöglicht innerhalb von S/4 die Interkation via Sprache.
SAP Analytics Cloud
Als strategische Analytics-Lösung der Zukunft enthält die SAP Analytics Cloud (SAC) neben den herkömmlichen, auf Vergangenheit und Gegenwart ausgerichteten BI-Funktionalitäten auch KI-basierte prädiktive Funktionalitäten, die von SAP Smart Predict genannt werden.
Konzipiert sind die Tools für Citizien Data Scientists – also für ambitionierte Business User. Diesen wird angesichts des nach wie vor bestehenden Mangels an Data Scientists aktuell immer mehr Aufmerksamkeit gewidmet.
So enthalten die Smart-Predict-Anwendungen alles, um die Business User für typische Predictive-Verfahren auszurüsten: etwa um Klassifikations-, Regressions- und zeitreihenbasierte Fragen zu bearbeiten und so zum Beispiel Abverkäufe zu prognostizieren. Die dafür erforderlichen KI-Modelle lassen sich mit den historischen Daten des Unternehmens trainieren.
SAP Data Intelligence
Auf der SAP Cloud Platform (SCP) läuft mit SAP Data Intelligence die elaborierteste KI-Lösung von SAP, die sich am ehesten als Nachfolder von SAP Leonardo verstehen lässt. Allerdings ist hier der Business-Fokus wieder klar erkennbar:
SAP Data Intelligence verbindet die etwas konservativere Geschäftswelt mit der Open-Source-Welt, in der sich Data Scientists zuhause fühlen, und ist für entsprechende Anwendungen offen: zum Beispiel für Jupyter Notebooks von Project Jupyter, für Python und für Python-basierte Frameworks für maschinelles Lernen wie pandas, scikit-learn oder TensorFlow.
Fokussierte KI-Strategie
Die damit erstellten Datenmodelle lassen sich mit SAP Data Intelligence in die SAP-Umgebung übernehmen, dort weiterverarbeiten, automatisiert testen und schließlich in eine hochverfügbare und skalierbare Produktivlandschaft ausliefern – samt anschließendem Monitoring der Performance. Und ganz wichtig im Business-Kontext: KI-Szenarien lassen sich auditieren, sodass sie beispielsweise den Anforderungen einer Wirtschaftsprüfung genügen.
SAP hat erkannt, dass KI ein wichtiges – wenn nicht sogar das wichtigste – Zukunftsthema ist, und erweitert das bestehende Portfolio engagiert um entsprechende Technologien.
Immer mit dem Blick auf die Business-Anforderungen der Unternehmen. Bei der aktiven KI-Forschung hält sich SAP aber weiterhin zurück. Hier sind Unternehmen wie Facebook, Google oder Microsoft sowie Open-Source-Initiativen die treibenden Kräfte.
Fazit und Zukunft
Wollen Unternehmen KI-Szenarien umsetzen, sollten sie aus unserer Sicht dennoch zunächst evaluieren (natürlich nachdem der Nutzen des jeweiligen Use Case grundsätzlich geprüft wurde), was genau sie benötigen und inwieweit SAP entsprechende Technologien zur Verfügung stellt.
Wo SAP Lücken lässt, können diese eventuell mit SAP-basierten Anwendungen von SAP-Partnern geschlossen werden. Oder es werden Third-Party-Lösungen genutzt, die sich immer leichter integrieren lassen.