Innovationsdruck für SAP und Partner


SAP-Kooperationen versus Innovationen
DieDie Innovation hat sich bei SAP von der Informatik auf den Bereich betriebswirtschaftlicher Kooperationen verlagert. Immer mehr Partnerschaften sollen den eigenen Ressourcenmangel kaschieren. SAP wurde aus einer betriebswirtschaftlichen Innovation geboren. Als IBM noch versuchte, sein Mainframe-Geschäft zu retten, Hardware als Umsatzträger funktionierte und Software kostenfreies Beiwerk war, setzten fünf ehemalige IBM-Mitarbeiter vollständig auf die Wunderkraft der Software.
Die Gründung von SAP war ein Neustart der Informatik. Aktuell besteht die Informatikindustrie aus Software wie ERP von SAP, Hardware wie KI-Chips von Nvidia und Dienstleistern für Social Media, KI und Cloud. Die Suche nach dem Ursprung der KI-Innovation ist komplex und ähnelt dem Henne-Ei-Problem. Erkennbar haben die KI- und Grafikprozessoren von Nvidia zum Erfolg einer KI wie ChatGPT beigetragen, aber vorgelagert gab es bereits die Algorithmen, naturgemäß weitgehend wertlos, weil es noch keine leistungsfähige Hardware gab, siehe Nvidia.
Die Letzten werden die Ersten sein
Einst wurde berichtet, dass SAP das Internet „verschlafen“ hat. Gemeint ist damit, dass SAP viel zu spät die Bedeutung einer weltweiten Vernetzung und offene Zusammenarbeit auf Basis des Internets erkannt hat. Das ERP-Programm SAP R/3 galt als „Blackbox“ ohne passende Schnittstellen zur Außenwelt. Nachgelagert war SAP wesentlich aufmerksamer und wacher: Rechtzeitig wurde das Potenzial von Cloud Computing erkannt und Ex-SAP-CEO Bill McDermott versuchte einen drohenden Bedeutungsverlust mit zahlreichen, teils chaotischen, Ankäufen zu kompensieren.
Aus der Blackbox SAP R/3 wurde unter der Leitung von den Ex-SAP-CEOs Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott eines der umfangreichsten Cloud-Akquisitionsprogramme. Nachfolger Christian Klein hatte seine liebe Not, dieses Cloud-Chaos zu harmonisieren und zu orchestrieren. Mit gewaltiger Kraftanstrengung schaffte er diese Herkulesaufgabe bravourös und der SAP-Aktienkurs begann zu steigen.
Durch zahlreiche Partnerschaften mit KI-Anbietern, zuletzt mit Nvidia, versucht SAP den Anschluss an die globale Informatikentwicklung zu halten. Ob Kooperation ohne eigenständiges Handeln und Innovationen ausreichend sein wird, ist noch nicht beantwortet. Die Zusammenarbeit mit Nvidia soll jedoch mehr als eine Kooperation sein. Es könnte der Beginn einer Forschungsgemeinschaft werden.
Wie SAP in Zukunft dem Innovationsverlust im Bereich KI begegnen will, das ist auch für Insider der SAP-Community vollkommen unklar. Die Datenbank Hana war die letzte eigenständige SAP-Erfindung unter Führung von Professor Hasso Plattner und seinem damaligen SAP-Technikvorstand Vishal Sikka, siehe Karikatur. In Anlehnung an einen bekannten Werbeslogan aus der Schweiz reklamierte SAP die Erfindung der In-memory-Computing-Datenbanken zur Gänze für sich.
SAP, ein Hidden Champion
SAP ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen und ebenso nahmen die Herausforderungen zu, die an SAP gestellt wurden. In dieser Melange aus Verteidigung der Marktanteile, Investitionsschutz für die Bestandskunden, Innovation, Wettbewerb mit den IT-Mitbewerbern und Kooperationen mit Freunden entstand ein riesenhaftes ERP-Angebot sowohl in der Breite als auch in der Tiefe.
Zu Beginn war SAP ein Programmierer für ERP-Aufgaben. Der Fokus lag auf einer betriebswirtschaftlichen Standardsoftware. Aufgaben wie die Datenspeicherung und -verwaltung überlies SAP den Datenbankanbietern wie Oracle, IBM und Microsoft. Notwendige Middleware gab es unter anderem als WebSphere von IBM – bevor SAP NetWeaver aktiviert wurde. Die Software-Module eines SAP R/3 waren wohl geordnet und überschaubar.
In den Folgejahren hat SAP bewiesen, dass das Unternehmen mehr als ein ERP-Blackbox-System kann. Sichtbar für alle waren die Middleware NetWeaver und die Datenbank Hana. SAP kann fast alles, aber oft fehlt es an Orchestrierung und Werthaltigkeit. SAP – getrieben durch Mitbewerber und Finanzanalysten – ist für Bestandskunden oft unberechenbar, sodass sich das wohlwollende und positive „SAP kann mehr“ ins Gegenteil verkehren kann.
Der Aktienkurs gibt Anlass zur Freude und Hoffnung, aber bei genauerer Betrachtung kann SAP mehr und ist innovativ wie zu Beginn der Unternehmensgeschichte. Was nun? Das ERP-Angebot hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Die Vermittlung und Übertragung der frohen Botschaft tendiert gegen null, was letztendlich Marktanteile und Geschäftserfolg kostet, wie das englischsprachige Wirtschaftsmagazin The Economist festgestellt hat: AI agents are turning Salesforce and SAP into rivals. Artificial intelligence is blurring the distinction between front office and back office.
SAP hat mit Nvidia eine vielversprechende KI-Kooperation beschlossen. Mit BTP (Business Technology Platform) und BDC (Business Data Cloud) engagiert sich der ERP-Anbieter als Plattformlieferant. Im Informatik-Bereich findet der Anwender neben der Hana-Datenbankplattform bei SAP Engines für Graph- und Vektor-Computing. SAP kann mehr!
Aktuell bringt SAP aber wenig von den Innovationen zu den Bestandskunden, weil diese mit einer S/4-Conversion und Lizenzverträgen beschäftigt sind. Vor lauter Bäumen sieht niemand mehr den Wald und eine SAP-Roadmap durch das Unterholz fehlt. Die Herausforderung besteht darin, die entstehenden Produktivitätsgewinne des SAP-Angebots in breiten Wohlstand zu übersetzen – ohne größere Verwerfungen in der betriebswirtschaftlichen Aufbau- und Ablauforganisation der SAP-Bestandskunden zu erzeugen.
