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Industrie 4.0 braucht MES-Systeme

Industrie 4.0 ist zurzeit in aller Munde und hat nicht nur in den fertigungsnahen Fachmedien an Bedeutung gewonnen. In einem Expertengespräch erörtern Olaf Sauer, Stellvertreter des Institutsleiters am Fraunhofer IOSB, und Prof. Jürgen Kletti, Geschäftsführer von MPDV Mikrolab, die Relevanz von Industrie 4.0 für den MES-Markt. Beide sind in VDI-MES-Gremien tätig.
E-3 Magazin
1. April 2013
2013
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Jürgen Kletti: Das Thema Industrie 4.0 ist mittlerweile so groß geworden, dass nicht mehr nur die fertigungsnahen Fachmedien darüber berichten. Inwieweit betrifft dieses Thema den MES-Markt?

Olaf Sauer: Manufaction-Execution-Systeme werden eine zentrale Rolle bei Industrie 4.0 spielen. Aber lassen Sie uns am Anfang beginnen und erörtern, wie es zu diesem Thema gekommen ist.

Basierend auf einer Studie des BMBF definierte Prof. Manfred Broy den Begriff Cyber Physical Systems (CPS). Treiber für die CPS sollten vier Felder sein: Mobilität, Gesundheit, Energie und Produktion. Der für uns interessante Bereich Produktion wurde relativ bald plakativ in „die vierte industrielle Revolution“ umbenannt.

Um es kurz und prägnanter zu machen, nannte man das Thema von nun an „Industrie 4.0“. Nun aber zurück zu unserem Thema: An sich sind ja schon viele Ansätze für Indus­trie 4.0 vorhanden.

Wir müssen nun die Themen abgleichen und Aktivitäten daraus ableiten. MES sind wichtige Schlüsselkomponenten in einer modernen Produktion – sozusagen die Informationsdrehscheibe.

Kletti: So verstehen wir das auch. Die Kommunikation – und zwar sowohl vertikal vom ERP zur Automatisierungsebene als auch horizontal zwischen den Bereichen Fertigung, Logistik, Personal und Qualität – wird bereits in Form der Integration vom MES übernommen.

Die dadurch erreichte Transparenz in der Produktion ist meines Erachtens eine wichtige Grundlage, wenn nicht sogar der Treiber für Industrie 4.0. Von der Kommunikation in Echtzeit ist es nicht mehr weit bis zu intelligenten Werkstücken.

Erste Ansätze dafür kann man in der Automobilbranche schon erkennen. MES ist ja bereits ein erster Schritt in Richtung Dezentralisierung. Es werden nicht mehr alle Arbeitsschritte in der Arbeitsvorbereitung geplant, sondern an verschiedenen Stellen – und das anhand von Daten, die über die komplette Fertigung hinweg erfasst und verdichtet werden.

Sauer: Wichtig dabei sind jedoch die Interoperabilität und eine durchgängige intelligente Kommunikation. Dies erfordert eine Standardisierung der Kommunikation zwischen den einzelnen Anlagenkomponenten, Maschinen, Materialflusssystemen, Werkstücken und sonstigen Systemen.

Hier sind wir schon ein Stück vorangekommen, es kann aber schneller und mit breiterer Beteiligung weiter gehen. Dazu müssen die Hersteller von Systemen erkennen, dass proprietäre Protokolle und Schnittstellen langfristig Nachteile gegenüber offenen Standards haben.

Olaf Sauer

Kletti: Unser Ansatz mit UMCM (Anm. d. Red.: Universal Machine Connectivity for MES) geht bereits in die Richtung einer standardisierten Kommunikation. Ähnlich wie bei USB soll damit eine einfache und unkomplizierte Anbindung von Maschinen an ein MES möglich sein – quasi Plug & Work.

Sauer: Und genau das stärkt die Rolle des MES als Informationsdrehscheibe. Hier laufen alle Daten zusammen und werden verdichtet. Trotz aller sinnvollen Dezentralisierung bietet es sich aus Kostengründen an, MES als zentrale Instanz, beispielsweise auch in der Cloud, zu betreiben und die MES-Funktionen quasi als Services zur Verfügung zu stellen.

Kletti: Zudem müssen einzelne Bauteile ja auch irgendwo zu einer Baugruppe zusammengeführt werden. Es bedarf einer übergeordneten Instanz, die für Synchronisation sorgt. Insbesondere an den Grenzen eines Unternehmens, zum Beispiel an der Schnittstelle zum Vorlieferanten, ist es wichtig, dass relevante Daten zentral vorgehalten und übergeben werden.

Sauer: Stimmt, in einem dezentral organisierten System darf keine Anarchie herrschen. Es muss eine Instanz geben, die für Regeln sorgt und auch Verantwortung übernehmen beziehungsweise eingreifen kann, wenn die autonom agierenden Werkstücke einmal nicht zu einer Lösung von Konflikten finden. Das MES wird also bei aller Dezentralisierung eine zentrale Rolle einnehmen.

Kletti: Lassen Sie uns einmal ein Gedankengebäude konstruieren: Um die Grundlage für Cyber Physikal Systems zu legen, brauchen wir Transparenz, Kommunikation und Interoperabilität. Ein MES bietet all dies durch die vertikale und horizontale Integration. Somit ist das MES bereits der erste Schritt in Richtung Industrie 4.0.

Sauer: Das sehe ich auch so. Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass jeder genau die Information bekommt, die er braucht. Es hilft keinem, wenn er von einer Unmenge an Informationen überflutet wird. Und ich spreche hier sowohl von Menschen als auch von Maschinen oder Werkstücken. Eine Art rollenbasierte Informationsdarstellung ist hier wohl unabdingbar.

Kletti: In der VDI 5600 ist genau dies in Form von zentralen Aufgaben eines MES beschrieben. Die horizontale Inte­gration, also der direkte und unmittelbare Austausch von Daten zwischen den einzelnen Anwendungen aus den Bereichen Fertigung, Personal und Qualität, kann nur über eine zentrale Datenbasis erfolgen.

Anders wäre die Forderung nach Echtzeitfähigkeit nicht ausreichend sichergestellt. Die Verfügbarkeit von aussagekräftigen und zeitnah berechneten Kennzahlen ist für ein übergreifendes Fertigungsmanagement enorm wichtig.

Mit vertikalen Insellösungen ist das nicht zu schaffen. Am Beispiel HYDRA kann man schön sehen, wie die einzelnen Module die Aufgaben der VDI 5600 erfüllen und dabei ineinandergreifen.

Dazu ist kürzlich auch das „MES-Kompendium“ im Springer Vieweg Verlag erschienen. Darin ist der richtige Weg praxisnah für die einzelnen Module beschrieben. Aus der zentralen Datenbank im MES können dann aussagekräftige Kennzahlen in Echtzeit berechnet werden, anhand derer wichtige Entscheidungen im Produktionsprozess getroffen werden können.

Kletti Juergen

Sauer: Im Zuge der zunehmenden Nutzung mobiler Endgeräte steigt den Wunsch nach einem Zugriff auf Produktionsdaten von überall her. Dabei ist es natürlich eine Herausforderung, die Daten auf jedem beliebigen Endgerät auch so darzustellen, dass man damit arbeiten kann. Hier müssen MES-Systeme künftig ihre Flexibilität beweisen.

Kletti: Wir arbeiten diesbezüglich bereits an Konzepten zur universellen Nutzung von Endgeräten aller Art. Unser Ziel ist es, dem Anwender die angeforderten Daten auf jedem Gerät in der jeweils passenden Form darzustellen.

Auch die Nutzung verschiedener Devices zur Datenerfassung steht hier im Fokus. Die zentrale Datenhaltung wird somit ein wichtiger Bestandteil, der die Echtzeitfähigkeit eines MES sicherstellt. Und genau deshalb ist MES ein wichtiges Element für Industrie 4.0.

Sauer: Und im Zuge der stetigen Virtualisierung von Rechenpower und Diensten wird der serviceorientierte Ansatz immer wichtiger. Irgendwann wird es uns nicht mehr interessieren, woher die Daten und Dienste kommen.

Es wird nur noch wichtig sein, dass die Informationen zuverlässig und in Echtzeit zur Verfügung stehen, sodass wir nach Bedarf angemessen und zeitnah darauf reagieren können. Bei allen Visionen – der Mensch sollte im Zweifel aber immer die letzte Entscheidung behalten, egal, wie intelligent die Systeme in der Produktion auch werden.

Kletti: Da stimme ich Ihnen absolut zu. Vielen Dank für das interessante Gespräch.

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Veranstaltungsort

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Kurfürstenanlage 1
D-69115 Heidelberg

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