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Clean Core only oder hybrid

Als einer der ersten SAP-Softwareanbieter mit Clean-Core-Zertifikat kennt ifm die aktuellen Herausforderungen rund um BTP. Im E3-Exklusivinterview räumt Managing Director Björn Dunkel mit irreführenden Informationen auf und zeigt Wege zum sauberen Kern auf.
E3-Magazin
Björn Dunkel, ifm Business Solutions
23. Januar 2025
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E3: Herr Dunkel, was genau können wir uns unter der „SAP-Clean-Core-Strategie“ vorstellen?

Björn Dunkel, ifm: Diese Strategie zielt darauf ab, die Integrität und Stabilität des S/4-Hana-Kerns zu bewahren, indem kundenspezifische Anpassungen und Erweiterungen auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. Sie legt großen Wert auf den Erhalt eines sauberen, unveränderten Kernsystems, um langfristige Wartbarkeit und einfache Upgrades zu gewährleisten. Der Clean-Core-Ansatz gibt klare Regeln für zukünftige Erweiterungen des S/4-Hana-Systems vor. Hiervon sind Z-Entwicklungen der Kunden genauso wie Add-ons von SAP-Partnern betroffen.

Im Interview mit Björn Dunkel, Managing Director, ifm Business Solutions

E3: Sind denn auch individuelle Geschäftsprozesse mit der Clean-Core-Strategie vereinbar?

Dunkel: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass etwa 80 Prozent der Geschäftsprozesse in allen Unternehmen nahezu identisch sind. Diese Prozesse sind im S/4-Hana-Standard abgebildet und bilden den stabilen, zuverlässigen Kern des ERP-Systems. Die verbleibenden 20 Prozent der Geschäftsprozesse umfassen Funktionen, die nicht vom Standard abgedeckt sind. Diese dienen dazu, spezifische Unternehmensanforderungen zu erfüllen und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Im Rahmen der Clean-Core-Strategie sollten Unternehmen solche Erweiterungen außerhalb des S/4-Kerns implementieren. Dies kann sowohl „on stack“, also im S/4-Hana-System, als auch „by side“ auf der SAP BTP erfolgen.

E3: Als einer der ersten SAP-Partner wurde ifm für Clean Core zertifiziert: Was bedeutet das für Sie?

Dunkel: Wir sind stolz darauf, weltweit zu den ersten SAP-Partnern mit einem Clean-­Core-Zertifikat für unsere Lösung zu gehören. Klar, es ist noch ein weiter Weg, bis unsere Software vollständig den neuen Anforderungen in diesem Kontext entspricht, aber der Anfang ist gemacht. Generell ist es für uns wichtig, ständig am Puls der Zeit zu sein und neue SAP-Technologien zu bewerten und – wo sinnvoll – in unsere Produkte einzuarbeiten. Dass wir dazu in der Lage sind, haben wir mit dem Zertifikat bewiesen. SAP-Softwareanbieter, die diesen Weg nicht gehen, werden aus heutiger Sicht in Zukunft auf dem Markt keine Rolle mehr spielen.

E3: Und was heißt das für Ihre Bestandskunden?

Dunkel: Wir sind schon seit 1992 auf dem Markt und unsere Kunden können auch in Zukunft auf uns bauen. Unsere neueste Clean-Core-Zertifizierung unterstreicht das. Aber auch die Kunden, die aktuell das Thema Clean Core noch nicht im Fokus haben, profitieren von unseren neuen Entwicklungen, ohne auf Funktionalitäten verzichten zu müssen. Voraussetzung ist lediglich ein bestimmtes S/4-Release. Unabhängig von der Clean-Core-Strategie und -Zertifizierung legen wir viel Wert auf die Upgrade-Stabilität unserer Produkte. Durch die Teilnahme an den SAP-Betaprogrammen zu jedem neuen S/4-Release testen wir bereits frühzeitig die Lauffähigkeit unserer Lösungen in den neuesten SAP-Releases. Dies gewährleistet eine ungestörte Upgrade-Prozedur und ermöglicht es uns, unsere Software zeitnah, meist pünktlich zum Global-Availability-­Termin der SAP-Version, für unsere Kunden bereitzustellen.

E3: Traditionell verfügen viele SAP-Bestandskunden über Abap-Modifikationen und Add-ons. Was ändert sich nun mit Clean Core?

Dunkel: Clean Core ist nicht nur ein Regelwerk, das verbotene Zugriffe abwehrt, sondern es ordnet bereits im Programmiermodell nach zulässigen und unerlaubten Zugriffen. Klar ist, dass nicht mehr jede Entwicklungsanforderung über die Programmiersprache Abap gelöst werden kann. Von diesem Gedanken müssen sich alle Anwender – und auch die Abap-Entwickler selbst – lösen. Clean Core bedeutet aber nicht nur Arbeit, sondern bietet dem SAP-Kunden auch die Chance, Prozesse zu überdenken und zu standardisieren.

E3: Sie werden auf dem Steampunk und BTP Summit 2025 einen Vortrag zum Thema Clean Core halten: Was sind die Ziele und was dürfen die Zuhörer erwarten?

Dunkel: Der von SAP eingeschlagene Weg ist vielversprechend, um auch den He­rausforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Speziell mit den kurzen Releasezyklen unter S/4 Hana sind die Kunden in der Lage, zeitnah von neuen Innovationen zu profitieren. Gemeinsam mit den Teilnehmern möchten wir den Weg vom ­klassischen Abap-Add-on zur ersten Clean-­Core-Zertifizierung Revue passieren lassen. Dabei berichten wir von unserer Ausgangssituation sowie den Heraus­forde­rungen in den ersten Projektschritten. Auch bei der Entscheidungsfindung, wo wir zukünftig unsere Entwicklungsplattform sehen, lassen wir die Gäste teilhaben. Praxisnah werden wir auch aktuelle Hürden aufzeigen, welche einen vollständigen Umbau gemäß Clean Core derzeit noch unmöglich machen.

E3: Gibt es eine Clean-Core-Roadmap und ist Clean Core eine Ergänzung oder auch die Basis für SAP BTP?

Dunkel: Aktuell ist es noch schwierig, eine langfristige Clean-Core-Roadmap zu benennen. Dies liegt z. B. daran, dass wir auf die Freigabe von Objekten durch SAP und damit auf deren Roadmap angewiesen sind. Aktuell können wir sagen, dass wir den Clean-Core-Anteil unserer Lösung sukzessive erhöhen. Dies ist bereits Teil unserer Roadmap für das kommende Release unserer Software. Zukünftig werden unsere Kunden die Wahl haben, ob sie Clean Core „only“ oder eine Hybridlösung einsetzen möchten, die sowohl Clean-Core- als auch klassisch Abap-basierte Komponenten enthält. Dass die SAP-Zertifizierung für klassische Abap-Add-ons 2028 ausläuft, bedeutet keinesfalls, dass darauf basierende Softwarelösungen nicht mehr einsetzbar oder leistungsfähig sind. Ganz im Gegenteil: Wir sichern unseren Bestandskunden zu, auch weiterhin unsere umfassende Suite mit allen Funktionalitäten bereitzustellen. Dass unsere Lösung in absehbarer Zeit vollständig auf der SAP BTP laufen wird, sehen wir derzeit nicht. Entwicklungen auf der SAP-Cloud-Plattform haben sicherlich auch Vorteile, dennoch können typische Clean-Core-Apps, die auf der BTP laufen, nicht unbedingt jede Anforderung abbilden. Das Thema „Datenmenge“ ist hier nur ein Beispiel. Da, wo es sinnvoll ist, werden wir die SAP BTP einbeziehen und integrieren. Dies kann für Funktionen, welche sich gut vom S/4-Hana-Kern entkoppeln lassen, der Fall sein.

E3: Welche Ressourcen soll ein SAP-Bestandskunde für ein Clean-Core-Projekt bereitstellen und was kann ifm liefern?

Dunkel: Ein SAP-Bestandskunde, der der SAP-Clean-Core-Strategie folgen möchte, wird vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie wir: Er muss seine Z-Programme neu entwickeln, on-stack oder auf der SAP BTP. Wir empfehlen zunächst den Umstieg auf unsere bewährte Suite, die die Nutzung von Z-Entwicklungen überflüssig macht. Der Weg zum „sauberen Kern“ erfolgt damit über uns und der Kunde muss seine Entwicklungen nicht aus eigener Kraft umstellen. Er hat damit den Umstieg auf den Clean Core „outgesourct“.

E3: Warum sollte ein Unternehmen das tun?

Dunkel: Ganz einfach: Es erspart sich unfassbar viel Arbeit, denn der Umbau in den Clean Core ist extrem komplex und arbeitsintensiv. Wir haben im vergangenen Jahr einen enormen Invest getätigt und viele Themen ließen sich nur in enger Zusammenarbeit mit SAP lösen. Unsere Entwicklungsrichtlinien wurden gänzlich überarbeitet, bereits in der Konzeptphase spielt die Abfrage zur Clean-Core-­Kompatibilität jetzt eine gewichtige Rolle. Unsere Entwickler wurden diesbezüglich natürlich geschult.

E3: Modifikationen und Erweiterungen für S/4 Hana und zukünftige ERP-Systeme sollen auf der Business Technology Platform stattfinden. Welche Pläne hat ifm zum Thema SAP BTP?

Dunkel: Unsere derzeitige Strategie, auch mit Blick auf den Clean-Core-­Ansatz, sieht weiterhin eine Entwicklung unserer Lösungen „on stack“, also direkt im S/4-Hana-System, vor. Für uns stellt sich das S/4-System aktuell als deutlich geeigneter dar, um die Supply-Chain-Prozesse bestmöglich abzubilden. In der BTP stoßen wir zum einen an die Grenzen der Perfor­mance und auch der Zugriff auf Daten im S/4-Stack ist nicht all­umfassend gegeben. Letztere Problematik stellt sich zwar auch in der Abap-Cloud-­Entwicklung „on stack“, hier stehen uns allerdings Alternativen zur Verfügung, nämlich im Zuge des Tier-1/2-Entwicklungsmodells, welches weitere Schnittstellen zur Verfügung stellt. Mit MRP view XLNce haben wir bereits vor zwei Jahren die erste Lösung entwickelt, die ausschließlich auf der BTP läuft und damit für alle S/4-Betriebsarten zur Verfügung steht. Weitere Lösungen aus unserem Hause stehen ebenfalls im SAP Store bereit, funktionieren jedoch hybrid. Damit ist zusätzlich zur BTP-Lösung auch eine Softwarekomponente im S/4-System erforderlich.

E3: Im Zusammenhang mit BTP ist Clean Core ein einmaliges Projekt oder mehr Continuous Improvement?

Dunkel: Obwohl wir als langjähriger SAP-zertifizierter Lösungsanbieter in der Abap-Entwicklung mehr als 20 Jahre Erfahrung besitzen, bedeutet die Umstellung auf Clean Core eine vollständige Neuentwicklung unserer Lösung. Die Logik muss neu gedacht werden, die Vorgaben fürs Frontend erfordern völlig neu gestaltete Oberflächen. Selbst bezüglich der Programmiersprache befinden wir uns in einer komplett „neuen Welt“. Das übersteigt den Projektcharakter deutlich! Man könnte auch sagen: Clean Core passiert nicht über Nacht.

E3: Warum sollte ein SAP-Bestandskunde nach Heidelberg auf den Steampunk und BTP Summit kommen?

Dunkel: Zum Thema Clean Core geistern viele zum Teil irreführende Informationen durch die Welt. Das Thema ist komplex und aufwändig, deshalb gibt es viele Meinungen, aber nur wenige fundierte. Auf einer Veranstaltung wie dem Steampunk und BTP Summit in Heidelberg werden qualifizierte Informationen aus se­riösen Quellen gebündelt und konzentriert vermittelt. Das finden wir super!

E3: Danke für das Gespräch.

ifm.com

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Björn Dunkel, ifm Business Solutions

Managing Director, ifm Business Solutions


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Die Arbeit an der SAP-Basis ist entscheidend für die erfolgreiche S/4-Conversion. 

Damit bekommt das sogenannte Competence Center bei den SAP-Bestandskunden strategische Bedeutung. Unhabhängig vom Betriebsmodell eines S/4 Hana sind Themen wie Automatisierung, Monitoring, Security, Application Lifecycle Management und Datenmanagement die Basis für den operativen S/4-Betrieb.

Zum zweiten Mal bereits veranstaltet das E3-Magazin in Salzburg einen Summit für die SAP-Community, um sich über alle Aspekte der S/4-Hana-Basisarbeit umfassend zu informieren.

Veranstaltungsort

Mehr Informationen folgen in Kürze.

Veranstaltungsdatum

Mittwoch, 21. Mai, und
Donnerstag, 22. Mai 2025

Reguläres Ticket

EUR 590 exkl. USt.

Veranstaltungsort

Hotel Hilton Heidelberg
Kurfürstenanlage 1
D-69115 Heidelberg

Veranstaltungsdatum

Mittwoch, 5. März, und
Donnerstag, 6. März 2025

Tickets

Reguläres Ticket
EUR 590 exkl. USt
Veranstalter ist das E3-Magazin des Verlags B4Bmedia.net AG. Die Vorträge werden von einer Ausstellung ausgewählter SAP-Partner begleitet. Der Ticketpreis beinhaltet den Besuch aller Vorträge des Steampunk und BTP Summit 2025, den Besuch des Ausstellungsbereichs, die Teilnahme an der Abendveranstaltung sowie die Verpflegung während des offiziellen Programms. Das Vortragsprogramm und die Liste der Aussteller und Sponsoren (SAP-Partner) wird zeitnah auf dieser Website veröffentlicht.