Christian Klein hat Recht, SAP nicht
Nachhaltigkeit und ESG
Mein Kollege vom Handelsblatt stellte dem SAP-Chef viele Fragen und auch zum Thema Nachhaltigkeit und ESG. In der Zwischenzeit habe ich auf der Handelsblatt-Website nachgelesen, dass ESG zum Unwort verkommen ist und kein amerikanischer Investor sich mehr getraut, diese Abkürzung in den Mund zu nehmen – Blackrock sei Dank, aber das ist eine andere Geschichte.
Christian Klein wurde im Handelsblatt-Interview auf das schon viele Tage vor Beginn des Gipfels diskutierte Thema der Corporate-Jets angesprochen. Ob es nicht ein Widerspruch sei, wenn auf der einen Seite über Klimaschutz, Nachhaltigkeit und naturgemäß über ESG diskutiert wird, aber auf der anderen Seite jeder Staatsmann und die Executives im privaten Jet anreisen. Hintergrund der Frage war, dass auch SAP über mehrere Corporate-Jets verfügt. Wo waren diese Jets, als Christian Klein mit seinem Team in Davos weilte?
Mit einem breiten Lächeln antwortete Christian Klein, dass sein Jet hoffentlich in Mannheim steht, denn er sei mit dem Zug nach Davos angereist. Und er argumentierte: Selbst eine Anreise mit einem Jet aus weiter entfernten Orten würde eine positive Bilanz ergeben, weil mit einer Reise nach Davos sehr viele persönliche Treffen verbunden sind. Würde er jeden Gesprächspartner individuell besuchen, wären der Zeitaufwand und der CO2-Fußabdruck unverhältnismäßig höher. Davos ist somit nicht nur eine wichtige, sondern höchst effiziente Veranstaltung.
Eine spontane Idee von Christian Klein war eine vergleichende Studie zur Effizienz von Davos im Vergleich zu individuellen Treffen. Zugegeben, die Umweltbelastung einer Anreise im Corporate-Jet relativiert sich, wenn es nicht einen, sondern viele Gesprächspartner gibt. Damit propagierte Christian Klein aber auch die Bedeutung und Wichtigkeit von persönlichen Treffen und Gesprächen. Ist Christian Klein offener, flexibler, toleranter und weltmännischer als seine SAP?
Die erste große Kundenveranstaltung der SAP Deutschland im noch jungen Jahr findet lediglich als virtuelles Ereignis am Bildschirm statt – somit genau das Gegenteil von dem, was Christian Klein für den Weltwirtschaftsgipfel in Davos angeführt hat. In Davos selbst gab es ein SAP House mit einem prächtigen Abendempfang. Dort trafen sich echte Personen und diskutierten echte Herausforderungen.
Warum kann SAP nicht die Ansichten des eigenen Chefs konsequent und stringent umsetzen? Christian Klein hat sich in dem Handelsblatt-Interview eindeutig zu persönlichen Treffen bekannt und logisch argumentiert. Sein eigenes Marketing dürfte jedoch anderer Meinung sein. Statt ein großes SAP-Community-Fest in Walldorf zu veranstalten, zwingt SAP die Bestandskunden und Partner vor den Bildschirm, um das gefühlt Hunderttausendste Zoom- und Teams-Meeting abzuhalten.
SAP sollte viel mehr auf ihren Chef hören, der mit dem Zug nach Davos reist und dort vielen Menschen persönlich die Hand reicht. Es scheint somit richtig zu sein, dass SAP als Unternehmen den Kontakt zur Community, zu den Bestandskunden in der Zeit der Pandemie verloren hat. Es ist bequem geworden, unangenehme Fragen und Herausforderungen auf Distanz zu halten und nur noch per Onlinemeeting zu kommunizieren. SAP sollte sich wieder mehr am Handeln ihres Chefs Christian Klein orientieren.