Christian die Wahrheit sagen
Der hervorragende Text von Christina Kyriasoglou ist der Super-GAU für SAP und speziell für CEO Christian Klein, weil er in einen leeren Raum vorstößt, wo SAP nichts zu erwidern und entgegenzusetzen hat. SAP hat keine Vision, keine Geschichte, kein Selbstvertrauen und keinen Charakter mehr. Dieser kritische Text aus dem Manager Magazin Juli 2022 entfaltet seine gesamte Wucht, weil er auf keinen Widerstand trifft, weil SAP ausgedörrt und ein hohles Gefäß ist.
Christian die Wahrheit sagen: Bereits vor 18 Monaten sah ich das Unheil am Horizont aufziehen. SAP hatte keine Story mehr, keine Unternehmenskultur – es schien so, als würde der Fachbegriff „Storytelling“ bei SAP unbekannt sein. Ich stand in intensivem Kontakt mit einem Aufsichtsratsmitglied, das sich in den vergangenen Jahren sehr intensiv um die Karriere von Christian Klein kümmerte. Wiederholt wurde ein Treffen mit Klein eingemahnt und versprochen, denn es galt nicht nur sehr fleißig zu arbeiten, sondern auch eine Story zu erzählen – tue Gutes und rede darüber.
Dann keimte Hoffnung auf: Es gab bei SAP ein neues Vorstandsmitglied für Marketing und Kommunikation. Julia White kam von Microsoft, hatte ausgezeichnete Referenzen und war wie geschaffen für den verwaisten Posten im SAP-Vorstand. Erste sichtbare Handlung war die Trennung von der langjährigen Unternehmenssprecherin Nicola Leske. Auf Frau Leske folgte Oliver Roll, ein PR- Profi aus der San Francisco Bay Area mit keinem Wissen über die SAP-Community, Historie oder das Empfinden der SAP-Bestandskunden und europäischen Presse, und niemand traute sich, Christian zu sagen, dass er mit diesem Unternehmenssprecher danebengegriffen hat!
Offensichtlich mangelt es Christian Klein an der verifizierten Einschätzung von Personal, mit dem er sich aktuell umgibt – hierbei ähnelt er seinem Übervater Hasso Plattner, der hatte nicht immer das beste Händchen für SAP-Executives, siehe Shai Agassi und Vishal Sikka. Zurück zum aktuellen Personal: SAP-Marketingvorständin Julia White liefert nichts und ist seit über einem Jahr im Vorstand. Oliver Roll ist alles andere, nur kein Pressesprecher – zumindest hat ihn noch niemand gehört. Und SAP-Strategiechef Sebastian Steinhäuser, der nicht nur Visionen entwickeln sollte, sondern damit auch die SAP-Community begeistern müsste, erscheint ebenso als Nullnummer. Begeisterungsstürme in der Community sind Mangelware.
Ende vergangenes Jahr kontaktierte mich ein Kollege von Sebastian Steinhäuser, der für die Strategiekompetenz eines Vorstandsbereichs verantwortlich ist. Wir diskutierten das Kommunikationsdefizit bei gleichzeitigen Erfolgen der SAP im Cloud Computing. Mein Vorschlag: Tue Gutes und rede darüber. Nach vielen Wochen des Nachdenkens kam SAP mit der Erkenntnis zurück: ein Interview mit dem Vorstandsmitglied im E-3 Magazin. Das habe ich nicht gemeint mit dem Konzept „tue Gutes und rede darüber“. Ich lehnte dankend ab. Gleichzeitig aber wurde mir versichert, dass SAP-Marketingvorständin Julia White an einem ganz großen Konzept arbeitet. Davon wurde aber auch bis heute nichts sichtbar – vielleicht haben die cholerischen Ausbrüche von Hasso Plattner und Christian Klein ihre Berechtigung.