Anwender sind anders


SAP versucht die Bestandskunden in die Cloud zu führen. Anfangs mit einem martialischen „Cloud only“, Monate später dann mit einem versöhnlichen „Cloud first“. In der Zwischenzeit gibt sich SAP mit einem unterschriebenen Cloud-Vertrag zufrieden und gewährt dafür einen On-prem-Betrieb bis 2033, weil eben Papier geduldig ist.
Cloud war und ist das Mantra von SAP-Chef Christian Klein und CFO Dominik Asam. Zu Beginn ihrer jeweiligen Karriere war Cloud ein Megatrend in der IT-Szene und SAP beeilte sich hurtig, diesen nicht zu verschlafen. Das Cloud-Experiment bei SAP gelang und die Finanzanalysten waren begeistert. Der SAP-Aktienkurs stieg steil an und die Analysten der Deutschen Bank prophezeiten einen Aktienwert von 300 Euro.
Fast hätte SAP dieses Ziel erreicht, aber Anwender, Kunden, Aktionäre und Analysten verhalten sich nicht immer marktkonform. Die SAP-Community hat zwar das goldene R/3-Zeitalter hinter sich gelassen, aber viele andere erfolgreiche „Altlasten“ sind noch in Betrieb. Der Releasewechsel auf S/4 dauert nun schon zehn Jahre und es ist eben nicht so, wie es SAP wünscht und glaubt, vorhergesehen zu haben: Der Patient „Bestandskunde“ ist mit seinen „alten“ ERP-Releases noch lange nicht tot.
Was die vermeintlichen Ärzte, die Ex-SAP-Doppelspitze Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott, auch immer geglaubt und geplant haben, die alte SAP Business Suite 7 lebt und der Informatiker erklärt: Never change a running system!
Die Operation „Cloud“ war bei SAP hinreichend erfolgreich, wenn auch ohne Nachhaltigkeit. Auf dem Weg in die Cloud entstand kein neues ERP. Es gibt keine Cloud-Innovation, sondern lediglich ein Cloud-Bestandskundengeschäft. Weil der Gang in die Cloud prinzipiell richtig war, ist SAP aktuell gut aufgestellt und erfolgreich – aber das Konstrukt ist nicht nachhaltig: Aus den Anstrengungen der S/4-Conversion und Cloud-Digitalisierung erwuchs nichts Neues.
Letztendlich war es ein Lift und Shift ohne innovativen Mehrwert. Nun haben auch die Finanzanalysten diese Sackgasse wahrgenommen und erkannt, dass schon bald KI-Agenten das Ruder im Operationssaal übernehmen werden. Die SAP-Aktie beginnt zu sinken und ist deutlich von ihrem einstigen Höchstwert entfernt.

Erstmals wurde die Karikatur von Robert Platzgummer (1975 bis 2016) in der E3-Ausgabe Mai 2012 veröffentlicht. Damals waren die SAP-Bestandskunden noch mit dem Uralt-ERP R/3 mehr als erfolgreich unterwegs, während SAP sich bemühte, die Datenbank Hana und ein kommendes S/4 zu verkaufen.