Plattner, Oswald, Klein
Es ist für mich erstaunlich, wie SAP von außen gesehen und verurteilt wird. Somit setze ich viel Hoffnung und Vertrauen in das neue Vorstandsmitglied Julia White. Sie kommt von Microsoft und soll für Marketing und Kommunikation verantwortlich sein. Ich hoffe, dass Frau White das Storytelling für SAP neu erfindet und das Bild des Konzerns in der öffentlichen Wahrnehmung nachschärft.
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer schrieb Mitte Mai nach der SAP-Hauptversammlung: „Die Selbst-demontage des SAP-Denkmals. Deutschlands einziger globaler Softwarekonzern geht in eine schwierige Phase. Der Aufsichtsrat von SAP mit Hasso Plattner an der Spitze ist darauf nicht vorbereitet.“
Vielleicht musste Ziesemer für das Capital schnell einen SAP-Text hervorzaubern, weil der Mitbewerb – Handelsblatt und Manager Magazin – fast immer ganz hervorragende SAP-Analysen abliefert. Speziell die von mir sehr geschätzte MM-Redakteurin Eva Müller hätte einen ähnlich dummen Text niemals geschrieben. Ich sage, die kritische Phase der SAP und des gesamten IT-Marktes ist inkommensurabel mit der personellen Entwicklung des Konzerns.
Der mögliche Übergang von On-prem zu Cloud ist mehr als eine digitale Transformation. Die gesamte SAP-Community befindet sich hier betriebswirtschaftlich, organisatorisch, technisch und lizenzrechtlich in einer schwierigen Phase. Das Meistern dieses Medienbruchs erfordert viel Wissen, Weitsicht und Mut. Vollkommen richtig hat auch unsere DSAG dem kommenden Jahreskongress den sinnstiftenden Titel „Mut und Intelligenz“ gegeben.
Personell ist SAP besser aufgestellt als unter dem Vorgänger von Christian Klein. Der damalige SAP-Chef Bill McDermott regierte wie ein Sonnenkönig. Wichtige Vorstände, wie Bernd Leukert und Rob Enslin, verabschiedeten sich aus Walldorf. Auch unter Christian Klein gab es zwei schmerzhafte Abgänge: zuerst seine Co-Chefin Jennifer Morgan und dann Vorstandsmitglied Adaire Fox-Martin. Natürlich könnte man auch über die Berufung der sehr jungen SAP-Vorstandsmitglieder Jürgen Müller und Thomas Saueressig diskutieren, weil es zu dieser Zeit zahlreiche, vielleicht bessere Anwärter für diese Positionen gab.
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer konzentriert sich in seiner Analyse auf Professor Hasso Plattner und dessen Wunsch, in den kommenden kritischen Jahren seiner SAP noch beistehen zu dürfen. In seinem Fokus auf Plattner übersieht er die Randbedingungen.
Plattner ist nicht allein, sondern an der Spitze einer wohldurchdachten und fein ausbalancierten Hierarchie. Das Konstrukt SAP-Aufsichtsrat und Vorstand steht auf sehr stabilem Fundament und scheint der kommenden kritischen Phase gewachsen zu sein.
Ziesemer schreibt: „Einer frühzeitigen Nachfolgeplanung verweigert sich der 77-Jährige.“ Aber die Würfel sind gefallen. Hasso Plattner hat es geregelt. Der Mann, der über weite Strecken die Ausbildung des jetzigen SAP-Chefs Christian Klein koordinierte und ihm noch immer mit viel Rat und Tat zur Seite steht, steht auch als Plattner-Nachfolger fest: Gerd Oswald.
Oswald ist langjähriges SAP-Vorstandsmitglied und hat fast alle Höhen und Tiefen des ERP-Weltkonzerns mitgemacht. Seit einigen Jahren sitzt Oswald neben Hasso Plattner im Aufsichtsrat und hat auch immer noch ein Büro in Walldorf gleich neben den Vorständen. Gerd Oswald ist auch der wichtigste Verbindungsmann zu Dietmar Hopp.
Beide treffen sich gern im Fußballstadion. Der angenehme Umgangston und das brillante analytische Denken von Gerd Oswald öffnen ihm alle Türen. Manche intimen Kenner der Walldorfer Verhältnisse behaupten auch, dass es ohne Gerd Oswald keinen Christian Klein geben würde.
Auch ich habe keine Kristallkugel und es gibt keine Garantie für die aktuellen SAP-Pläne, aber zu schreiben, dass SAP nicht vorbereitet sei, ist falsch. Innerhalb und außerhalb des Aufsichtsrats gibt es zahlreiche Persönlichkeiten, die bestens geeignet für die Herausforderungen eines Vorsitzenden wären.
Naturgemäß hat keiner von ihnen die visionäre Begabung eines Hasso Plattner, aber mit Sicherheit andere Qualitäten, die ebenso wichtig für SAP werden können. Sollte es sich wirklich abzeichnen, dass Gerd Oswald nicht das Amt von Hasso Plattner übernehmen wird, werde ich hier sehr gerne weiteres Namedropping betreiben.
1 Kommentar
Peter Bonin
Große Zustimmung von meiner Seite:
10 Jahre lang war ich Mitarbeiter im Vorstandbereich von Gerd Oswald:
Strategisch, fachlich und vor allem menschlich ist der Mann ein Ass !
Und ich kenne fast nur Ex-Kollegen von Gerd, die ähnlicher Meinung sind ! Denn auch in der IT und Software Industrie bedeutet Management “People Management”. Und das konnte Gerd während meiner Zeit bei SAP wie kaum ein Anderer !