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Vorstudie schafft Transparenz

Die Frage nach der angemessenen SAP S/4HANA-Transformationsstrategie brennt vielen SAP-Anwen-dern unter den Nägeln. Ein Analyseverfahren mit Scoring-Modell im Vorfeld hilft bei der Beantwortung. Die Entscheidungsfindung stützt sich dadurch auf klar herleitbaren Fakten und baut Komplexität ab.
Alexander Brocksieper, BTC
13. Januar 2021
[shutterstock: 593389664, bluedog studio]
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Die Frage nach ihrem künftigen ERP-System können Anwender mit SAP-Software im Einsatz gewöhnlich schnell beantworten: Die Zukunft heißt S/4HANA! Weniger eindeutig fällt die Antwort nach dem besten Weg einer S/4HANA-Implementierung aus. Laut einer aktuellen Studie der DSAG – der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe – sucht noch ein Drittel der Firmen den aussichtsreichsten Transformationsansatz für die eigene Organisation.

Dabei stehen grundsätzlich zwei Verfahren für den Übergang zur Wahl: Wer in S/4HANA als digitalen Kern die Chance für eine komplette Neuausrichtung von Geschäftsfeldern und -prozessen sieht, landet in seinen Überlegungen schnell bei einer Neuimplementierung auf der grünen Wiese (Typ Greenfield). Wer eine stabile System- und Prozesslandschaft weiterhin bewahren möchte, wird dagegen den Weg einer technischen Systemkonvertierung mit überschaubaren, schrittweisen Modifikationen (Typ Brownfield) einschlagen.

Mitunter werden beide Ansätze auch kombiniert als selektive Datentransition (Typ Blue- oder Orangefield), wenn beispielsweise im Rahmen einer technischen Migration gleichzeitig eine System- oder Prozesskonsolidierung angegangen wird. Oder es werden „Green-field“-Prozesse selektiv mit einer Auswahl von Altdaten, Prozessen und Eigen­entwicklungen beziehungsweise Add-ons zusammengefügt.

Aus „Hubschrauber“-Perspektive schwingt bei der Wahl des Transformationsansatzes die Frage mit, ob die Einführung der neuen ERP-Generation primär als Business-Project- oder als IT-Vorhaben behandelt respektive gehandelt wird. Mithin: Wie stark soll mit der Migration auf S/4HANA bereits in die Digitalisierung des Unternehmens eingezahlt werden? Beziehungsweise: Mit welchem Aufwand sind die implementierten Prozesse mit der neuen SAP-Welt zu harmonisieren?

Die individuell gewachsenen Prozess- und Systemlandschaften in Unternehmen als auch die Branchen-Spezifika bedingen, dass die Wahl des Migrationspfads individuell zu treffen ist. In den meisten Firmen gibt es auch schon eine gewisse Vorstellung im Groben – sprich ein Bauchgefühl – über den passenden Transformationsansatz und Aufwand.

In Anbetracht der Bedeutung und Tragweite der SAP-Software-Transition sollte sich jedoch niemand allein auf sein Bauchgefühl verlassen müssen. Es ist daher ratsam, diese Entscheidung auf Basis eines klar herleitbaren, objektiven Analyseergebnisses zu fällen. Um den passenden Transformationsansatz für die Organisation eines Unternehmens zu identifizieren und damit den Lösungsraum für die Berechnung eines detaillierten Business Cases zu reduzieren, wendet BTC ein Scoringmodell an.

Dabei werden im Rahmen einer mehrstufigen Vorstudie die installierte Systemlandschaft sowie die vorhandenen Geschäftsprozesse und die Kundenbedürfnisse als auch die unternehmenseigene Risikobereitschaft systematisch erfasst und analysiert. Den Kern bildet eine Matrix, die technische und prozessuale Grundlagen des Unternehmens aufnimmt und mithilfe eines Scoring-Modells in ihrer Relevanz gewichtet. Die so entstehenden Punktwerte verdichten sich zu einem an Fakten orientierten Transformationsprofil. Auf dieser Basis lässt sich dann ein präziser Business Case für die avisierte S/4HANA-Transformation entwickeln.

Dass eine sorgfältige Planung im Vorfeld vor so manch böser Überraschung schützt und Schlüssel zum Projekterfolg ist, muss nicht extra betont werden. Vor dem Kick-off zur eigentlichen Vorstudie der S/4HANA-Einführung empfiehlt es sich daher zusätzlich, Klarheit über die grundlegenden Aspekte der Migration zu gewinnen.

Kurzum: Es gilt die klassischen W-Fragen – wer, was, warum, wie, wann – zu beantworten, die den Rahmen jedes Projektvorhabens bilden (sollten). Das heißt, neben dieser ersten Zielsetzung soll auch ein Eindruck gewonnen werden, welche Aufgaben anfallen und welche Änderungen auf die eigene Organisation zukommen. Folgende Schritte machen das Vorprojekt aus:

Bestandsaufnahme und Vorarbeiten

Nach der Klärung der grundlegenden Ausrichtung wird die eigentliche Analyse vorbereitet, die detaillierte Bestandsaufnahme. Die vorhandene System- und Prozesslandschaft wird auf ihre S/4HANA-­„Readiness“ gecheckt. In dieser Phase wird beispielsweise geprüft, ob das vorhandene SAP-ERP-System bereits mit einem S/4HANA-kompatiblen Release-Stand arbeitet und den Unicode-Zeichensatz unterstützt. Ebenso werden erste Eckdaten bezüglich des Zuschnitts der Ziel-Systemlandschaft (Server, Datenbanken oder Cloud) definiert.

Breiten Raum nehmen zugleich anwendungsbezogene Fragestellungen ein. Gestartet wird mit vergleichsweise einfachen Arbeiten, etwa der Überprüfung, ob individuelle Kundenentwicklungen unter dem neuen ERP-System noch lauffähig sind. Daneben ist es hilfreich, die Qualität der Stammdaten zu validieren und gegebenenfalls zu bereinigen. Mit Blick auf die Migration hilft dies, den Aufwand für die anstehende Datenübernahme zu verschlanken und gleichzeitig Systemressourcen zu sparen. Unerlässlich ist außerdem die Kontrolle, ob die im aktuellen ERP-System eingerichteten Prozess- und Objekt-Strukturen sich in S4/HANA überhaupt wiederfinden.

Neue Objekte wie der zentrale Geschäftspartner mit der obligatorischen Debitoren-/Kreditorenintegration (CVI) oder das zentrale Hauptbuch legen nahe, auch bisherige Finanz- und Logistikstrukturen zu hinterfragen. Das gilt ebenso für Summen- und Index-Tabellen, die infolge der HANA-In-Memory-Technik nicht mehr benötigt werden und – falls erforderlich – den Wechsel als „Sichten“ überstehen.

Der buchhalterische Charakter der Bestandsaufnahme mag ein wenig lästig wirken. Sie ist jedoch fundamental, um die gewachsene System- und Prozesslandschaft einer Organisation mit dem Funktionsumfang von S/4HANA zu vergleichen. Erfreulicherweise stellt SAP eine Reihe von Werkzeugen bereit, die die S/4HANA-„Fähigkeit“ einer Umgebung aufwandsschonend auf unterschiedlichen Ebenen analysieren und bewerten.

Das Tool Simplification Items Check listet beispielsweise die Objekte einer System­umgebung auf, die in der neuen Software-Generation nicht oder nur in veränderter Form verfügbar ist. Der Custom Code Check ermittelt wiederum, welche individuell entwickelten Add-ons oder Modifikationen für S/4HANA geeignet sind. Und der Report zum Transaction Usage gibt Hinweise darauf, für welche Aufgaben den Anwendern Fiori-Apps bereitgestellt werden sollten.

Die unter dem Dach der S/4HANA-­Checks gebündelten Tools bedienen zuvorderst technisch angelehnte Fragestellungen. Der BSR-Report (Business Scenario Recommendations) behandelt dagegen prozessbezogene Aspekte, wie sie in der Regel von Mitarbeitern der Fachabteilungen nachgefragt werden. So sammelt das Tool in der vorhandenen Landschaft typische Leistungsdaten (KPIs) zu betriebswirtschaftlichen Aufgaben: etwa „Anlegen eines Bestellvorgangs“ oder „Zahlungsziele“. Diesen werden dann die Optimierungsoptionen der Best Practices im neuen System gegenübergestellt (Benchmark zur Branche inklusive).

Damit sind alle notwendigen Informationen für die Analysephase verfügbar. In einem gemeinsamen Workshop können nun die Mitarbeiter der Fachabteilungen und die SAP-Experten des IT-Betriebs jeden wichtigen Prozess einer Fit und Gap-Analyse unterziehen und wesentliche Änderungen, insbesondere Verbesserungen durch die neue ERP-Generation, veranschaulichen.

Für jeden Prozess werden die Relevanz und der Grad der Abweichung zum Standard festgehalten, um den notwendigen Änderungsumfang detailliert zu bestimmen. Abschließend führt das Projektteam auf aggregierter Ebene die Erkenntnisse für unternehmenskritische Prozesse, Status quo, Änderung und Benefit durch SAP S/4HANA zusammen.

In der darauffolgenden Bewertungsphase werden die in der Analyse ermittelten technischen und prozessualen Grundlagen gemäß ihrer Relevanz sowie des Aufwandes für das Unternehmen bewertet und gewichtet. Dabei steht die Entscheidungsfindung zu einem Greenfield- oder Brownfield-Ansatz im Mittelpunkt. Alle Ergebnisse der analysierten Themenbereiche fließen unmittelbar in das Scoringmodell ein, um die Entscheidung zum finalen Transformationsansatz aktiv zu unterstützen.

Die ermittelten Punktwerte in der Scoring-Matrix ergeben ein Entscheidungsmuster auf unterschiedlichen Ebenen – differenziert nach Systemlandschaft, Geschäftsprozessen, Schnittstellen, Stamm- und Bewegungsdaten, Add-ons/Modifikationen. Das Resultat der Vorstudie ist ein verständliches Transformationsprofil für das jeweilige Unternehmen – präzise priorisiert und gewichtet nach Greenfield- oder Brownfield-Typ.

Das Ergebnis des Workshops – also das an den realen Bedarfen abgeleitete Transformationsprofil – bildet eine erstklassige Grundlage, das avisierte SAP S/4HANA-Transformationsprojekt zu konkretisieren. Unternehmen werden damit befähigt, einen an Fakten orientierten Business-Plan schlüssig darzulegen, inklusive aller Chancen und Risiken. Bevor der zugehörige Implementierungsplan aufgestellt wird, das Scoping, sollte die Gelegenheit ergriffen werden, sich noch einmal grundlegende Gedanken zum Transformationsprojekt zu machen.

Dazu zählt auch, die Frage zu beantworten, wie mutig die eigene Organisation aktuell ist beziehungsweise sein kann, Etabliertes zu hinterfragen und zu verändern. Mit dem Wissen aus der Vorstudie können sich durchaus – entgegen der ursprünglichen Zielsetzung – fallbezogen die Gewichte verschieben. Dadurch erst entscheidet sich, ob sich der Greenfield- oder der Brownfield-Ansatz empfiehlt oder, anders gesagt, ob ein Business Project oder ein IT-Vorhaben umgesetzt werden soll.

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Alexander Brocksieper, BTC

Alexander Brocksieper, Head of SAP Business Development, BTC Business Technology Consulting.


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