Potemkinsches Walldorf
SAP will die ERP-Welt revolutionieren, traut sich aber nicht.
Professor Hasso Plattner hat mit der In-memory-Computing-Datenbank Hana ein Stück disruptive Technik geschaffen, will aber den SAP-Bestandskunden einen nicht disruptiven Transformationsprozess versprechen.
Der Versionswechsel von Business Suite 7 zu Sapviertel (Suite 4) geht nur mit Täuschen und Tarnen. SAP arbeitet am potemkinschen Walldorf.
Es tut sich Gewaltiges in der ERP-Szene: Erstmals in der Informatik-Historie gibt es ein Downgrade von Suite 7 auf Suite 4, der den SAP-Bestandskunden als Innovation verkauft wird: Weniger ist mehr!
Und SAP hat recht!
Sapviertel hat weniger Tabellen, keine Indizes und Datenbankaggregate. Sapviertel ist schlank und begehrenswert, wie die Topmodels dieser Welt.
Aber Sapviertel ist eine disruptive Technik. Hier hilft kein Beten und Hoffen – ohne Revolution geht es nicht.
Der Übergang von Business Suite 7 zu Sapviertel (S/4Hana) ist schmerz-haft. Die meisten SAP-Bestandskunden brauchen dafür neue Hardware (Intel-x86-Server), ein neues Betriebssystem (Linux von Suse oder Red Hat), die In-memory-Computing-Datenbank Hana und die Suite 4.
Nach diesem Architektur-Tsunami geht es ans Eingemachte: Alle Modifikationen, Abap-Programme und ERP-Anpassungen müssen für Sapviertel angepasst, adaptiert und getestet werden.
Eine Hausaufgabe, die Millionen kostet und wahrscheinlich Jahre dauern wird: Wer hat so viel Geld, wer soll das bezahlen?
Aber SAP hat ein Herz für Bestandskunden: Damit der Kulturschock ausbleibt – manche Experten sprechen schon von der Sapviertel-Falle –, gibt es eine Compatibility-Firewall.
Dahinter versteckt sich Sapviertel und gibt sich nach außen ganz harmlos und kompatibel zu allen existierenden SAP-Add-ons und Abap-Programmen.
SAP selbst nennt diesen Blickwinkel „zur schönen Aussicht auf Walldorf“. Die Techniker sprechen von Compatibility View. Und gemeint ist damit ein Paravent, hinter dem sich Sapviertel verbirgt und nach vorn vorgibt, dass alle Abap-Tabellen, Aggregate und ERP-Elemente noch immer vorhanden sind.
Sapviertel ist demnach ein potemkinsches IT-System: Dem Anwender wird vorgegaukelt, dass seine ERP-Welt noch immer existiert und wie gewohnt auch funktioniert.
Es ist das bekannte Täuschen und Tarnen. Im Hintergrund bleibt kein Stein auf dem anderen – die IT-Revolution ist in Gang.
Nach außen soll aber alles friedlich und ruhig bleiben. Die SAP-Bestandskunden sollen weiter Lizenzen kaufen und Pflegegebühr zahlen, während hinter den Kulissen die ERP-Weltrevolution stattfindet.
Professor Plattner und seine treuen Gefährten McDermott, Oswald und Leukert haben zum Sturm auf die Rechenzentren der Bestandskunden angesetzt.
Als Tarnung dient ihnen ein potemkinsches Walldorf.