Künstliches SAP-Chaos und KI-Desaster


Von Beginn an hatte SAP keine KI-Roadmap. Der Anfang war vielversprechend, dann versagte die KI-Strategie – und SAP steht mit einem Schritt vor dem künstlichen Abgrund. Die technische Basis für eine ERP-Intelligenz liegt im SAP-Kern verankert, insbesondere in Hana: Predictive Analytics Library. Hana PAL ist kein Generative-KI-Werkzeug, sondern eine Bibliothek für Machine Learning (ML) und Data-Mining-Algorithmen. Diese Algorithmen, wie Entscheidungsbäume oder k-Means, arbeiten direkt an den Anwendungsdaten, was bei Aufgaben wie der Vorhersage (Predictive Analytics) unerlässlich ist. Dieser Ansatz dient primär der Klassifikation, während die aktuelle Revolution in den Large Language Models (LLMs) und der generativen KI stattfindet.
Die Situation der KI-Einführung im SAP-Umfeld ähnelt der Modifikation einer komplexen Kybernetik am lebenden Organismus. Meine Stammtischschwestern und -brüder betreiben erfolgreich ihre operativen ERP-Systeme – und schon höre ich in unserer Stammtischrunde: „Never Change a Running System“.
Während neue Teile (LLMs und KI-Agenten) angeliefert werden und enorme Geschwindigkeit versprechen, muss der Steuermann (SAP-Bestandskunde) nicht nur sicherstellen, dass die neue Technik auf der alten Infrastruktur (ERP/ECC 6.0) stabil läuft, sondern auch, dass er als Kapitän die Hand am Steuer (BTP inkl. GenAI-Hub) behält, um zu verhindern, dass die KI-Kraft das gesamte Schiff auseinanderreißt.
Kybernetik leitet sich vom altgriechischen Wort für Steuermannskunst ab! SAP-Vorstandsmitglied Thomas Saueressig sprach im Zusammenhang mit KI und On-prem-ERP von einer Frankenstein-Architektur. Das zusammengesetzte Monster soll nach seiner Meinung wahrscheinlich eine Warnung vor einem Composable ERP mit Hana, S/4, Salesforce, Workday und ServiceNow sein. In einem ähnlichen Zusammenhang skizzierte sein Vorstandskollege Muhammad Alam die Gefahr eines ERP-Flickenteppichs – SAP wünscht sich exklusive End-to-End-Prozesse in der ERP-Cloud, oder?
KI bietet das Potenzial, die jahrzehntelang gewachsenen ERP-Prozesse zu transformieren und Automatisierung zu managen. BTP GenAI-Hub, LLMs und KI-Agenten bieten die technische Fähigkeit, über die traditionelle Vorhersage von Hana PAL hinauszugehen. Doch wir Bestandskunden sehen uns in der Realität einer bipolaren Herausforderung gegenüber:
Einerseits die Notwendigkeit der technischen Adaption, um wettbewerbsfähig zu bleiben, andererseits die mangelnde Transparenz, die fehlende strategische Führung von SAP und die hohen, schlecht kalkulierbaren Integrations-, Lizenz- und Governance-Kosten. Solange SAP hier keine Verlässlichkeit und Klarheit schafft, wird die Anwendung von KI im ERP-Umfeld ein Balanceakt zwischen Innovation und Risikomanagement bleiben.
Der Diskurs über künstliche Intelligenz (KI) im SAP-Umfeld hat die rein theoretische Phase längst verlassen und ist zur zentralen, wenn auch kritisch beäugten, Triebfeder der digitalen Transformation geworden. Aus Sicht des SAP-Bestandskunden ist KI kein isoliertes IT-Projekt, sondern ein tiefgreifender Wandel, der Prozesse effizienter, schneller und qualitativ hochwertiger gestalten soll.
Die SAP-KI-Chaostheorie findet ihren vorläufigen Höhepunkt in RPT-1. Wie mir meine Freunde und Informanten erzählten, soll RPT-1 ein schmalspuriges LLM werden. Nach Hana PAL will es SAP mit Machine Learning probieren. Aus anonymen Daten von uns Bestandskunden sollen KI-Regeln abgeleitet werden, die von Joule (KI-Assistenten und KI-Agenten) genutzt werden – eigentlich ist das geplante KI-System RPT-1 nicht ein schmalspuriges LLM, sondern mit SAP-eigenen Worten lediglich ein „Relational Pretrained Transformer“.
Ob bei RPT-1 auch die Hana-Objekte Vektor- und Graph-Engines zum Einsatz kommen, wollte mir niemand beantworten. Das sichtbarste Ergebnis der KI-Strategie ist Joule, das proaktiv kontextbezogene Erkenntnisse liefern soll und in das Cloud-Portfolio integriert wurde. Und RPT-1? Mithilfe von PAL-Algorithmen sollen anonymisierte Daten der Bestandskunden transformiert werden, um KI-Agenten nach einem relationalen Datenbankprinzip (Hana PAL) vorzutrainieren – das ist KI-Chaostheorie.



