KI durch SAP BTP


Das SAP-Paralleluniversum: BTP und BDC
BTP (Business Technology Platform) und wahrscheinlich in Zukunft auch BDC (Business Data Cloud) werden als die natürliche Grenze zwischen dem ERP-Kern (Clean Core) und den kundenindividuellen Modifikationen, Datenmanagement und Add-ons positioniert. Innerhalb dieser Plattformen bildet der SAP BTP Generative AI Hub (als Funktion des SAP AI Core) die notwendige Orchestrierungsschicht für den Einsatz von LLMs.
Die SAP-Bestandskunden erhalten über den GenAI Hub Zugriff auf eine breite Palette von Modellen – nicht nur von SAP entwickelte, sondern auch die von externen Hyperscalern wie OpenAI, Google und AWS. Der Hub ist technisch essenziell, um die Leistungsfähigkeit der LLMs mit den relevanten ERP-Daten aus dem Geschäftskontext zu kombinieren, beispielsweise mithilfe der Hana Cloud Vector Engine für effiziente Vektorisierung und semantische Suche in RAG-Anwendungen (Retrieval-Augmented Generation).
SAP-KI ohne SAP-Roadmap
Trotz der aktuell technischen Fortschritte stehen SAP-Bestandskunden vor signifikanten ERP-Herausforderungen, die oftmals die Akzeptanz und den ROI der KI-Anwendungen innerhalb eines Cloud-ERP-Systems bremsen.
Die Strategie und Eigenständigkeit (Eigenwilligkeit) von SAP im KI-Bereich ist ein anhaltender Kritikpunkt. Es fehlt den Anwendern ein klarer ERP-KI-Masterplan oder eine S/4-KI-Roadmap bis 2040. Einige sehen SAP im direkten Vergleich mit den Milliardeninvestitionen von Google, Microsoft oder Meta als zu klein für das große Thema KI. Die SAP-Fokussierung auf Partnerschaften und Zukäufe anstelle eigener, fundamentaler KI-Kompetenz wird als Verzicht auf ein Alleinstellungsmerkmal gewertet.
Die fehlende Cloud-Kompetenz kompensierte SAP-Ex-CEO Bill McDermott durch milliardenschwere Zukäufe und somit Mut zum Risiko. Dieser Mut und eine langfristige KI-Strategie fehlen SAP unter CEO Christian Klein.
SAP KI ohne Compliance, Governance und Vertrauen
Die Themen Transparenz, Vertrauen, Governance und Compliance sind existenziell. Gerade bei geschäftskritischen ERP-Anwendungen fordern SAP-Bestandskunden ein hohes Maß an erklärbarer KI (Explainable AI, XAI) und Nachvollziehbarkeit, um zu vermeiden, dass KI-Modelle als Blackbox agieren.
Der Einsatz autonomer KI-Agenten in S/4-Systemen wirft zudem schwerwiegende Fragen nach Betriebssicherheit, 100-prozentiger Verfügbarkeit und Haftung auf, da der Schaden durch einen unkontrollierten Agenten als „astronomisch hoch“ eingeschätzt wird.
SAP-Cloud-First versus BTP-GenAI-Hub mit On-prem
Die Cloud-First-Strategie von SAP forcierte im Zusammenhang mit KI eine Kluft. Innovationen wie Joule und der GenAI-Hub sind primär auf Cloud-Lösungen ausgerichtet, was On-prem-Bestandskunden mit ihren historisch gewachsenen, stark angepassten ECC-6.0-Landschaften (der sogenannten Z-Welt) benachteiligt. Die DSAG kritisierte, dass KI auch für On-prem-Kunden zugänglich sein muss und nicht von bestehenden Cloud-Verträgen abhängen darf.
Die Kosten- und Lizenzierungsrisiken sind bei SAP hochkomplex und oft intransparent. Die DSAG bemängelte, dass die Kosten für Entwicklung, Qualitätssicherung und den allgemeinen Betrieb der BTP-Services (im Consumption-Modell) zu hoch sind. Besonders kritisch wird das Thema der indirekten Nutzung gesehen, wenn sensible SAP-Daten in externe LLM-Modelle außerhalb des SAP-Ökosystems fließen. Diese unklaren vertraglichen und kommerziellen Risiken müssen frühzeitig geklärt werden, da eine fehlerhafte Einschätzung schnell zu unerwartet hohen Kosten führen kann.
KI-Exit: SAP Foundation Model
Es gibt bei SAP Überlegungen, wie der ERP-Weltmarktführer aus dem KI-Dilemma geführt werden kann: SAP hat das nach eigenen Angaben erste Grundlagenmodell entwickelt, das speziell für strukturierte Geschäftsdaten (Abap-Tabellen) geeignet sein soll. Es handelt sich um ein Machine-Learning-Modell, das vorab trainiert wurde, um tabellenbasierte Geschäftsdaten für eine Vielzahl von Prognoseaufgaben zu verstehen. Es trägt den Namen SAP-RPT-1 (RPT steht für Relational Pretrained Transformer) und unterstützt laut SAP kontextbezogenes Lernen. Grundlage sollen die spezifischen Abap-Tabellen sein. Ob auch Abap-Modifikationen in das Machine-Learning-Modell einfließen können, ist noch nicht beantwortet.
„Man stellt dem Modell einfach einige beschriftete Tabellenzeilen aus der jeweiligen Vorhersageaufgabe zur Verfügung, und es liefert sofort eine hochpräzise Prognose“, erklärte dazu SAP-CAIO Philipp Herzig (Chief AI Officer). „Ein einziges Modell kann eine enorme Bandbreite an Unternehmensvorhersagen aus den Bereichen Finanzen, Lieferkette, Personalwesen und mehr erfüllen, indem es jedes Mal Beispiele aus einem anderen Bereich im jeweiligen Kontext betrachtet.”
Viele Experten der SAP-Community sind aber der Auffassung, dass sich SAP besonders schwer mit KI-Anwendungen tut, weil vor Jahren keine konsistente Roadmap entwickelt wurde: SAP stolperte vom Cloud-Zeitalter in das KI-Zeitalter.
Erfolgreiche SAP-Cloud-Vergangenheit
SAP erkannte früh die strategische Bedeutung der Cloud – nicht zuletzt dank der damaligen Co-CEOs Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott. McDermott führt aktuell sehr erfolgreich die Cloud-Company ServiceNow. Snabe, noch Vorstandsvorsitzender bei Siemens in München, hat ein sehr gutes Händchen für KI.
Dieses Jahr war Jim Hagemann Snabe Keynote-Sprecher auf der wichtigsten KI-Veranstaltung in Europa: Siemens war in Paris im Juni auf der Viva Technology (vier Tage und 180.000 Besucher) vertreten. Von SAP war nicht viel zu sehen! 2026 wird Deutschland das Partnerland der Viva Tech (dieses Jahr war es Kanada). Ich war bereits dieses Jahr in Paris und das E3-Magazin plant für 2026 eine umfassende Medienpartnerschaft mit und Berichterstattung über Viva Tech. (Anfragen schriftlich auf Französisch oder Deutsch bitte an Frau Dr. Ulrike Godler, ulrike.godler@b4bmedia.net).




