Frankenstein-ERP mit SAP S/4 Hana


Machine Learning, KI-Agenten und LLMs
Nach den ERP-Erfolgen der vergangenen Jahrzehnte versucht SAP-Chef Christian Klein, im Cloud- und KI-Zeitalter für seinen ERP-Konzern eine neue Bestimmung (Purpose) zu finden und letztendlich zu definieren. Hierbei läuft SAP nicht unerfolgreich den Buzzwords Cloud, Machine Learning, KI-Agenten und Quantencomputing (siehe Computerwoche.de-Interview von Thomas Saueressig) hinterher. Die Gefahr für SAP liegt in der Missinterpretation der neuen IT-Begriffe. Viel zu wenig fragt SAP CEO Klein, was die Bedeutung und die Themen hinter diesen Buzzwords sind. In der SAP-Community fehlt ein kritischer Diskurs über eine Post-ERP-Welt.
KI im Allgemeinen und Large Language Modelle (LLM) im Speziellen sind Ausdruck einer rasanten technischen Entwicklung auf Computer-Chip-Ebene. Ohne Nvidia und andere wäre die aktuelle KI-Entwicklung nicht vorstellbar. Hier kann SAP kaum mit eigener Kompetenz punkten, sodass der ERP-Weltmarktführer zum Mitläufer degradiert wurde und versucht, durch zahlreiche Allianzen den technischen Anschluss nicht zu verlieren. Aus diesen zahlreichen KI- und LLM-Kooperationen entsteht zwangsläufig ein Flickenteppich (Muhammad Alam) oder eine Frankenstein-Architektur (Thomas Saueressig).
Exit: Composable-ERP
In dem Interview der deutschsprachigen Computerwelt.de warnt SAP-Vorstand Thomas Saueressig vor dem Versuch, ein altes ERP-On-prem-System über Schnittstellen mit neuer KI- und LLM-Technik zu synchronisieren. Saueressig leitet aus der Gefahr einer Frankenstein-Architektur die Notwendigkeit ab, dass SAP-Bestandskunden unbedingt und ganzheitlich in eine Cloud transformieren sollten.
Die ERP-Realität ist aber eine andere, wie auch Thomas Saueressig wissen sollte: Viele erfolgreiche SAP-Bestandskunden haben eine alte Business Suite (ERP/ECC 6.0) über Cloud-Connectoren mit der SAP BTP (Business Technology Platform) verbunden. Eine weitere Orchestrierung wird in den kommenden Monaten über Databricks und Snowflake in Richtung SAP Business Data Cloud (BDC) erfolgen. Die Frankenstein-Architektur ist somit erfolgreiche Realität in der SAP-Community.
Was Vorstand Saueressig wenig schmeichelhaft als ERP-Frankenstein-Architektur abwertet, ist letztendlich ein zusammengesetztes ERP-System auf Basis von IP-Plattformen wie BTP, BDC oder auch Boomi. Dieses Composable-ERP entspricht den Anforderungen und Wünschen vieler SAP-Bestandskunden, weil es Freiräume eröffnet, Flexibilität ermöglicht und den gefürchteten Vendor-Lock-in verhindert. Composable-ERP ist keinen technischen Trends und Moden unterworfen, sondern ein langfristiges ERP-Konzept, mit dem IT-Roadmaps orchestriert werden können.
SAP-Flickenteppich als Plattform-Output
Vorstandsmitglied Muhammad Alam warnte auf einer SAP-Veranstaltung im Herbst dieses Jahres in Las Vegas (USA) vor den Gefahren eines „Wildwuchses“ in der ERP-Szene. Die Vorstellungen von SAP sind konsistente End-to-End-Prozesse auf Basis der neuen SAP Business Suite und letztendlich alles zusammen in der Cloud. Dieses SAP-Wunschdenken widerspricht aber der gelebten ERP-Realität. Durch Open Source und Composable-ERP (Frankenstein-Architektur, Copyright by Thomas Saueressig) wird auch die SAP-Welt immer bunter.
SAP selbst hat mit seiner erfolgreichen Plattformstrategie (BTP und BDC) den Grundstein für einen ERP-Flickenteppich und ein Composable-ERP gelegt. Plattformen von SAP oder den Hyperscalern und Spezialanbietern wie Boomi ermöglichen die erfolgreiche ERP-Orchestrierung im Sinne von Best-of-Breed. Es ist kein Problem, S/4 Hana, Workday, Salesforce und ServiceNow gemeinsam, parallel und erfolgreich zu betreiben. Die Warnung vor einem Flickenteppich ist angesichts der vorhandenen Technik wie BDC, Databricks, Snowflake, Boomi, UiPath und vieler anderer IT-Experten vollkommen unberechtigt.
Post-ERP-Zeitalter mit neuer IT-Technik
SAP führt neue Begrifflichkeiten in die ERP-Szene ein: Vorstandsmitglied Thomas Saueressig sprach in einem Computerwelt.de-Interview von Frankenstein-Architektur und wenige Wochen davor warnte sein Vorstandskollege Muhammad Alam vor Flickenteppichen in einer ERP-Infrastruktur. Fürchtet sich SAP vor einem zusammengesetzten ERP? Vor einem Composable-ERP auf einer Plattform wie SAP BTP, BDC oder auch Boomi? Was, wenn die Hyperscaler und Open Source zum führenden System werden?
Die Angst und Furcht von Thomas Saueressig und Muhammad Alam sind berechtigt: SAP gleitet in die Bedeutungslosigkeit ab, weil Datenbanken, KI und Plattformen neue Freiheitsräume für die SAP-Bestandskunden eröffnen. Und SAP scheint an der Misere selbst schuld zu sein! SAP-Chef Christian Klein läuft Buzzwords hinterher, statt den Schatz und die Alleinstellungsmerkmale des eigenen Konzerns zu pflegen. Warum spricht SAP über Frankenstein und Flickenteppich, statt die Graph- und Vektor-Engine der Hana-Datenbankplattform ins Rampenlicht zu bringen?
Eine zusammengesetzte ERP-Architektur sollte der SAP-Bestandskunde als Versprechen für mehr Agilität verstehen. Die Orchestrierung wird durch ERP-Plattformen gesichert, sodass die Warnungen von den SAP-Vorständen Thomas Saueressig und Muhammad Alam mehr die eigene Angst als die Sorge um die ERP-Zukunft widerspiegeln.


