Customer Evolution mit Altlasten


Viele ERP-Altlasten und unbeantwortete SAP-Fragen
Erfolgreiche SAP-Bestandskunden haben naturgemäß auch Abap-Modifikationen und weitere Legacy-Herausforderungen. Zu einem Zusammenkommen wie dem DSAG-Jahreskongress 2025 in Bremen erwarten DSAG-Vorstand und DSAG-Mitglieder von SAP relevante Antworten auf aktuelle Fragen. Der Katalog an offenen SAP-Baustellen ist lang: KI-Integration, Databricks oder SAP BDC, Rise mit IT-Werkzeugen von Drittanbietern, SAP Build versus Joule Studio und Public Cloud, Private Cloud, On-prem oder eine souveräne „On-prem-Cloud“.
SAP-Vorstand Thomas Saueressig wollte und konnte keine Frage zu den zahlreichen SAP-Baustellen beantworten und DSAG-Vorstandsvorsitzender Jens Hungershausen hat sich mit Christian Klein offensichtlich auf ein freundschaftliches Vorgehen und behutsames Miteinander geeinigt. Kritik und Nachfragen waren weder möglich noch erwünscht. Die DSAG-Mitglieder blieben in Bremen staunend und unwissend zurück.
ERP-Greenfield als SAP-Conversion-Standard
SAP-Vorstand Thomas Saueressig präsentierte in Bremen das S/4-Customizing des Schmuckproduzenten Pandora. Das Unternehmen ist ein Neukunde und somit frei von Altlasten. Auf der grünen Wiese gelang innerhalb kurzer Zeit die Ausrollung in Österreich und Deutschland. Interessiert befragte Saueressig die erfolgreiche IT-Verantwortliche von Pandora. Die Antworten kannte jedes DSAG-Mitglied im Publikum. Für erfahrene SAP-Anwender ist das Customizing auf der grünen Wiese keine Herausforderung. Das kurzweilige Interview von Saueressig brachte somit für das DSAG-Jahreskongresspublikum keinen Mehrwert.
Die Customer Evolution steht nach zehn Jahren des Experimentierens an einem kritischen Punkt: Ein S/4-Releasewechsel, der zehn Jahre lang nicht funktionierte, soll nun innerhalb weniger Jahre über die Bühne gehen. Wenn sich Thomas Saueressig weiterhin in Greenfield-Fantasien verliert, dann wird es auch nicht bis 2033 funktionieren – das neue, magische Datum für den finalen Releasewechsel. Was jedoch keine Wartungsverlängerung darstellt, das stellte Saueressig unmissverständlich klar.
SAP-Altlasten Lizenzmanagement
Der SAP-Rise-Weg in die Cloud ist komplex und schafft beim Misslingen wieder neue Altlasten. Auf dem DSAG-Jahreskongress 2024 in Leipzig wurde der Prozess seziert: Rise with SAP sind immer zwei Verträge! Ein Releasewechsel und ein Mietvertrag. Der SAP-Bestandskunde ist angehalten, sich einen Cloud-Platz für das zukünftige ERP-System anzumieten. Gleichzeitig beginnt der Rise-Transformationsprozess, der, wie jedes andere IT-Projekt auch, naturgemäß scheitern kann. Dann aber lässt sich der Mietvertrag für die Cloud nicht mehr stornieren: Neben der Altlast eines alten ERPs, eines verunglückten S/4 hat der SAP-Bestandskunde dann auch noch die Mietkosten für einen ungenutzten Cloud-Platz – mehr Altlasten geht nicht!
Eine Exit-Strategie für dieses Altlastendilemma verweigerte der Anwenderverein DSAG seinen Mitgliedern dieses Jahr. Eine Informationsveranstaltung zum Themenkomplex Rise- und Cloud-Verträge war angesichts der neuen Harmonie zwischen DSAG und SAP nicht vorgesehen. Das ursprüngliche Motto der DSAG „kritisch und konstruktiv“ hat offensichtlich ausgedient. Die DSAG-Mitglieder konnten lediglich hören, dass es auf der grünen Wiese keine Altlasten gibt, was nun?
Altlast ERP-On-prem versus souveräne SAP-Cloud
Weil SAP sich lange Zeit dem Thema souveräne Cloud verweigerte, wurde kurz vor dem DSAG-Jahreskongress 2025 eine On-prem-Lösung vorgestellt. Cloud-Funktionalität soll es in den Rechenzentren der SAP-Bestandskunden geben. Damit eröffnet SAP ein weiteres Infrastruktur- und Betriebsmodell, ohne genaue Angaben über Funktion und Management zu geben. Wie soll eine „Cloud“ im Rechenzentrum eines SAP-Bestandskunden durch SAP gepflegt werden? In Bremen blieb Thomas Saueressig auch diese Antwort schuldig. Die Public Cloud des jungen SAP-Bestandskunden Pandora musste als Keynote ausreichend sein.
Der SAP-Bestandskunde steht nun aber bei vielen Anwendungen vor der Wahl: On-prem, Private oder Public Cloud. Es gibt SAP-Anwendungen, die in allen drei Betriebsmodellen mit leicht unterschiedlichen Funktionen zur Verfügung stehen. Welche Version ist nun passend für das eigene Unternehmen und welche Version hat Zukunft und wird von SAP weiterentwickelt? Auch diese Frage wurde in Bremen nicht beantwortet, aber zumindest von einem DSAG-Mitglied auf der Hauptbühne gestellt. SAP war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr anwesend – in Bremen wurden die SAP-Bestandskunden und -Partner in vielen ERP-Fällen sich selbst überlassen.
Vor etwa 5000 Kongressteilnehmern präsentierte SAP-Vorstandsmitglied Thomas Saueressig eine kaum relevante, junge Public-Cloud-Lösung. Weil die vielen DSAG-Mitglieder erfolgreiche und altgediente SAP-Bestandskunden sind, waren die daraus gewonnenen Erkenntnisse gering. Wichtig wäre somit die Beantwortung der Fragen: Was geschieht mit meinen Abap-Modifikationen, wie kann ich ECC und BTP verknüpfen, funktionieren KI und Joule mit einem souveränen On-prem-ERP im eigenen Rechenzentrum? Keine der relevanten Fragen beantwortet Thomas Saueressig.
Aber ohne Altlasten gelingt die S/4-Conversion. Ohne Legacy bleibt der junge SAP-Bestandskunde in Zeit und Budget. Mit Altlasten wird der Releasewechsel von ECC 6.0 nach S/4 zu einer teuren und sehr komplexen Herausforderung – das weiß auch SAP-Vorstand Thomas Saueressig. Auf dem DSAG-Jahreskongress in Bremen wählte Saueressig den einfachen und gefahrlosen Weg.