SAP-Releasewechsel oder ERP-Systemwechsel


Teures Rise with SAP
Über die wahren Kosten eines ERP-Releasewechsels mit Rise diskutiert die SAP-Community seit vielen Jahren. Aus der Perspektive des Umsatzes auf der Seite von SAP hat zur vergangenen Hauptversammlung CEO Christian Klein Erhellendes beigetragen: Er meinte, dass im Vergleich zu alten ERP-Verträgen neue Cloud-Subskriptionen etwa den dreifachen Umfang haben. Vereinfacht dargestellt: Aus jedem On-prem-Euro werden unter Rise with SAP drei Euro durch das Cloud-ERP-Modell.
Hat SAP einfach die On-prem-Lizenzgebühren mit einer Cloud-Subskription verdreifacht? Ja, SAP-Software ist teurer geworden – wie vieles andere auch. Nein, ein vollständiges S/4-Hana-Cloud-System (SAP Cloud ERP) lässt sich nur schwer mit einem On-prem-ERP wie ECC 6.0 oder SAP Business Suite 7 vergleichen. Neue End-to-End- und KI-Prozesse ermöglichen auch eine optimierte Ablauf- und Aufbauorganisation für die SAP-Bestandskunden: Ob die neuen Chancen in einer wirtschaftlich angespannten Situation genutzt werden können, ist noch nicht final geklärt.
Die angespannte konjunkturelle und geopolitische Lage zwingt 82 Prozent der im DACH-Raum von der Beratungsgesellschaft Horváth befragten Unternehmen zu Kostenreduktionen, 53 Prozent der IT-Bereiche sind dabei von Kostensenkungsmaßnahmen betroffen. In jedem vierten Unternehmen wird das IT-Budget reduziert. Die Hälfte plant mit geringfügigen Budgetsteigerungen im Umfang von – inflationsbereinigt – 1,5 bis 3,6 Prozent pro Jahr in den kommenden drei Jahren. Da die IT-Kosten allerdings parallel steigen, bedeutet auch dies letztendlich Einsparungen. Anstatt pauschaler Budgetstreichungen findet insgesamt eine Verlagerung von Transformationsbudget, das über alle Firmen um sechs Prozent sinkt, zu Betriebsbudget statt, welches im gleichen Umfang steigt.
Für die Horváth CIO-Studie wurden insgesamt mehr als 350 CIOs und IT-Verantwortliche aus mehr als 15 Branchen mit Fokus auf dem DACH-Raum befragt. Die Studie wurde im zweiten Quartal 2025 durchgeführt und die Auswertung im Juni abgeschlossen. Die Mehrheit der untersuchten Unternehmen beschäftigt über 1000 Mitarbeitende und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von mindestens 100 Millionen Euro.
Rise- oder Exit-Strategie
SAP-Bestandskunden müssen bis spätestens 2033 viel Geld in die Hand nehmen, um ein altes ERP/ECC 6.0 auf das Niveau von S/4 Hana zu bringen. Hierbei entstehen hohe Kosten bei der Umstellung des Betriebsmodells von On-prem auf Cloud, beim Change Management und bei den Schulungs- und Ausbildungskosten. Rise und das Endziel eines SAP Cloud ERP kann eine lohnenswerte Investition sein – muss es aber nicht! Der S/4-Releasewechsel kostet in vielen Fällen ebenso viel wie die Implementierung eines alternativen ERP-Systems.
Weil viele ERP-Systeme am Markt nicht generisch konzipiert sind wie SAP-Software, sondern mit echtem Branchenfokus und damit nachweisbarem Wettbewerbsvorteil ausgestatten sind, entscheiden sich ERP-Anwender mitunter für diese Speziallösungen. Der Vorteil ist offensichtlich: Während das ERP von SAP customized wird, kommt das ERP von einem Branchenspezialisten fertig konfiguriert ins Haus.
Um den Spardruck abzufedern, richten CIOs laut der Horváth-Studie ihre Maßnahmen auf Effizienz und Eigenoptimierung: Prozessautomatisierungen, Outsourcing, Personaleinsparungen, Leistungsverzicht sowie Einkaufsoptimierungen bilden den aktuellen Werkzeugkoffer. Einen besonderen Hebel bildet künstliche Intelligenz: Rund die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen plant IT-Knowledge-Bots, etwa 40 Prozent KI-basierte Code-Generierung und -Optimierung. Im Betrieb unterstützen KI-Lösungen vor allem bei Service-Desk-Prozessen, Dokumentation und System-Monitoring.
Bisher hat sich die IT in Bezug auf KI auf Anwendungsgebiete im Fachbereich konzentriert. Nun wendet die IT das gewonnene Wissen auf die Steigerung der Effizienz innerhalb der IT an. Mittel- bis langfristig werden Automatisierung und KI die Kostenkurve in der IT senken. Parallel steht die konsequente Modernisierung der bestehenden IT-Landschaft (ERP, CRM, Cloudeinsatz) auf der Agenda, um neue Business-Initiativen rasch unterstützen zu können.
Composable ERP auf SAP BTP
Eine Strategie zur Kostenreduktion bietet auch SAP an: Clean Core und SAP Business Technology Platform. Mit einem umfangreichen und oft aufwändigen Bereinigungslauf kann ein modifiziertes SAP-ERP-System wieder zurück in den Standard geführt werden. Damit können auch Kosten im laufenden Betrieb gesenkt und etwa Engine-Lizenzen (SAP NetWeaver) vermieden werden.
Ein „neues“ und individualisiertes ERP kann in der Folge auf der Business Technology Platform (SAP BTP) entstehen. Unter Zuhilfenahme von KI-Prozessen und externen Software-Lösungen wie Salesforce, UIPath, Workday oder ServiceNow kann ein Composable ERP entstehen. Hierbei steht die SAP-Community erst am Beginn einer innovativen Entwicklung, aber nach 2030 wird das Thema zusammengesetzte, betriebswirtschaftliche Software für alle relevant sein. Ein Composable ERP kann eine Antwort auf die aktuelle IT-Kostenexplosion sein.
Horváth: Der Anteil rein zentraler IT-Einheiten nimmt in drei Jahren um rund 20 Prozentpunkte ab. Fachbereiche übernehmen vermehrt eigene IT-Aufgaben, was eine engere Governance, Transparenz bei Kosten und klare Verantwortlichkeiten erfordert. Parallel professionalisieren Unternehmen ihr Sourcing: Indien bleibt dominanter Offshoring-Standort, während Österreich, die Schweiz und Bulgarien beim Nearshoring gegenüber Spanien und Portugal aufholen. Allerdings steuern erst 28 Prozent der Firmen ihre Provider entlang ganzheitlicher Unternehmensziele – hier besteht deutliches Potenzial, Risiken zu minimieren und Skaleneffekte zu heben. Die Horváth-CIO-Studie 2025 bestätigt einen grundsätzlichen Trend aus den vergangenen Studien: Die IT rückt näher an das Business und übernimmt zunehmend eine strategische Position im Unternehmen. Ihre Rolle als kostengünstiger Service-Provider und reiner Bereitsteller von Plattformen tritt dabei zunehmend in den Hintergrund. Stattdessen leistet sie einen erhöhten Beitrag zum Geschäftserfolg.
2 Kommentare
Per
Composable ERP – ich lach mich tot!
Hoffentlich nicht nur composable, sondern auch kompostierbar.
Peter M. Färbinger
Nach unserer Erkenntnis ist Composable-ERP (also ein „zusammengesetztes“ ERP) die logische Fortsetzung von Best-of-Breed, das sich in der Vergangenheit unter gewissen Umständen sehr bewährt hat – es braucht aber eine effiziente und stabile Plattform wie etwa SAP BTP.