Denken in Algorithmen
Algorithmen und Datenstrukturen im KI-Zeitalter
Naturgemäß ist es sehr verlockend, IT-Megatrends hinterher zu laufen, statt eigene Wege zu konzipieren. SAP-Chef Christian Klein nutzt aktuell sehr geschickt die Gunst der Stunde und verwendet die passenden Schlagwörter der großen IT-Trends: KI und Cloud.
Finanzanalysten und Investoren hören diese Signale sehr gerne, weil auch andere IT-Konzerne auf die KI- und Cloud-Trends setzen. Die Mehrheit, so denken viele, sollte letztendlich Recht behalten. Aber SAP hat eine sehr spezifische und europäische Vergangenheit. Ob hier die US-amerikanischen Megatrends und Schlagwörter sinnvoll sind, das ist noch nicht bewiesen.
Die Stärke von SAP waren und sind betriebswirtschaftliche Algorithmen, also Software zur Steuerung der unternehmerischen Aufbau- und Ablauforganisation. Werden für diese Algorithmen und Datenstrukturen nun IT-Hilfswerkzeuge wie etwa KI verwendet, dann muss das nicht schaden, auch eine Cloud kann mitunter eine sinnvolle Erweiterung der ERP-Architektur werden. Ob aber SAP-Chef Christian Klein nun unmittelbar den ERP-Konzern an KI und Cloud ausrichten soll, das erscheint diskussionswürdig.
Mit Software auch Geld verdienen
Eine Meldung auf dem deutschsprachigen Online-Portal Handelsblatt erklärte, dass der Industriekonzern Siemens seine Bilanz durch gute Software-Geschäfte positiv darstellen konnte. Vorhandene Defizite wurden in der Vergangenheit durch wachsende Umsätze mit Software kompensiert.
Die Kernkompetenz von SAP ist betriebswirtschaftliche Standardsoftware. Warum nun SAP-Chef Christian Klein diesen erfolgreichen Pfad verlässt und auf technische Komponenten und Schlagwörter wie KI und Cloud setzt, das kann wohl nur durch den allgemeinen IT-Zeitgeist erklärt werden. Weil jeder in der IT-Szene über KI und Cloud redet, tut es SAP ebenso. Es besteht somit die Gefahr, dass SAP sein Alleinstellungsmerkmal verliert und ein Mitbewerber der Hyperscaler und KI-Innovatoren wird.
SAP hat mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware viel Geld verdient. Die SAP-Bestandskunden erwarten eine Weiterentwicklung dieses erfolgreichen Wegs. Kaum ein SAP-Anwender erwartet vom ERP-Weltmarktführer besondere Leistungen im Bereich KI und Cloud, solange viele Herausforderungen der Digitalisierung auf organisatorischer und betriebswirtschaftlicher Seite nicht gelöst sind.
Die Software-Ingenieure bei SAP
Software kann ein lukratives Geschäft sein, siehe Siemens. Software ist aber auch eine Herausforderung für Innovation und Ingenieure. Verwirrt wurde die SAP-Community durch Meldungen, dass SAP bis zu 10.000 Stellen, vorrangig in der Entwicklung, streichen oder restrukturieren will. Wer soll in Zukunft die betriebswirtschaftliche Software weiterentwickeln?
Die Situation ist nicht so dramatisch, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag: SAP-Chef Christian Klein und Finanzvorstand Dominik Asam wollen naturgemäß die Effizienz des ERP-Konzerns steigern. Solche Vorhaben gelingen immer sehr gut mit einer Reduktion von Fixkosten, besonders von Personalkosten. Aber auch in Zukunft wird es bei SAP ausreichend Software-Ingenieure geben, weil sich Christian Klein ausgiebig bei den Partnern bedient.
Bei SAP arbeiten tausende Software-Entwickler als Leiharbeitskräfte, die aber in der Bilanz kaum zu finden sind und als Personal in kaum einer Statistik auftauchen. Es gibt dazu kaum offizielle Zahlen, aber mehr als zehn Prozent der Entwickler bei SAP stehen vermutlich auf den Gehaltslisten der SAP-Partner. Über Projektverträge werden diese Personalressourcen abgerechnet. Bei SAP wird es demnach auch in Zukunft innovative, betriebswirtschaftliche Algorithmen geben.