Transformation und Datendämmerung
DMI stellt hierfür eine system- und applikationsunabhängige Plattform bereit, mit der sich der gesamte Lebenszyklus dieser Informationen bis zur rechtssicheren Löschung managen lässt. Sie heißt JiVS IMP, wobei IMP für Information Management Platform steht.
E-3: Welche Vorteile bietet Ihr Ansatz einer separaten Datenschicht für die Transformation auf S/4 konkret?
Thomas Failer: Beginnen wir beim Ziel der SAP-Manager, die Transformation als technisches Projekt zu gestalten. SAP-Bestandskunden dürften in der neuen S/4-Welt nur rund zehn Prozent des Datenbestands für die Bearbeitung benötigen, nur etwa die Hälfte der Geschäftsobjekte und etwa 20 Prozent der bisherigen Belegarten. Von dem, was übrigbleibt, sollten sich 90 Prozent bis 95 Prozent mit den Standardwerkzeugen der SAP wie dem Conversion Tool oder Migration Cockpit in die neue Welt überführen lassen. Das sollte den Aufwand für Transformation und Migration insgesamt um die Hälfte senken. Auch der Bedarf an externen Beratern dürfte dadurch massiv sinken. Das kommt dem Ziel eines technischen Projekts sehr, sehr nahe.
E-3: Umgekehrt dürften das die SAP-Nutzer aber gar nicht goutieren?
Failer: Das ist ja das Schöne an einer separaten, aber kontextbewussten Datenschicht für historische Informationen. Da die Daten zusammen mit ihrem Geschäftskontext zu jeder Zeit und vollständig im Zugriff sind, spielt es keine Rolle mehr, dass sie nicht in S/4 Hana, sondern außerhalb liegen. Ist der Zugriff zusätzlich in die Benutzeroberfläche der Anwender, ob SAP GUI oder SAP Fiori, integriert, können sich die Nutzer die historischen Informationen anzeigen lassen, als wären diese in SAP S/4 entstanden. Sie merken den Unterschied gar nicht.
E-3: Zugriff bedeutet aber zunächst
einmal Status quo, nicht Veränderung oder Innovation?
Failer: Das stimmt, aber dadurch, dass der Ansatz einer separaten Datenschicht das Reisegepäck massiv verkleinert, können die Topmanager viel leichter Veränderungen vornehmen und die digitale Zukunft dynamisch gestalten, ohne auf Altlasten Rücksicht nehmen zu müssen. Auf unserer Plattform zum Beispiel lässt sich genau derjenige Teil der Informationen selektieren, transformieren und migrieren, den die Anwender tatsächlich in der S/4-Umgebung benötigen. Somit ist allen Interessengruppen gedient. Das ist aber nicht der einzige Vorteil.
E-3: Welche gibt es noch?
Failer: Durch die Herauslösung der Altdaten und das Kappen der Verbindung zur alten Struktur bietet sich die Chance, die historischen Daten zu bereinigen, aber eben nur den Teil davon, den das Unternehmen weiterhin bearbeitet. Ich denke hier zum Beispiel an Daten zu Lieferanten, mit denen das Unternehmen aktuell Geschäfte macht.
E-3: Darüber hinaus gibt es aber noch die Aufsichtsbehörden und Revisoren. Was halten die von Ihrem Ansatz?
Failer: Wenn für zertifizierte Revisionssicherheit gesorgt ist, dann sind sie sehr zufrieden damit. Denn dann lässt sich Rechtssicherheit herstellen. Die besteht seit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung im Übrigen nicht mehr nur darin, nachweisen zu können, dass aufbewahrungspflichtige Inhalte für den vorgeschriebenen Zeitraum ohne Änderungen abgelegt werden. Vielmehr sind Auskunfts- und Löschpflichten hinzugekommen, sodass die Unternehmen in der Lage sein müssen, ihre Informationen bis auf die Ebene des einzelnen Datensatzes und Einzelbelegs hinunter zu bewirtschaften, bis sie sie löschen dürfen. Dieses Lebenszyklusmanagement ist aber bei vielen Altsystemen technisch gar nicht oder nur unter sehr hohem Aufwand möglich. Es ist kein Wunder, dass laut einer Capgemini-Studie nur 28 Prozent der Unternehmen die Vorschriften der EU-DSGVO erfüllen. Denn dafür ist ein neuer Ansatz nötig. Er besteht darin, die historischen Informationen zu 100 Prozent ohne Änderungen an ihrer Struktur auf einer eigenen Datenschicht aufzubewahren und zu managen.
E-3: Bietet DMI auch hierfür eine Lösung?
Failer: Ja, wenn der Ansatz richtig umgesetzt wird. Das bedeutet, dass die separate Datenschicht für historische Informationen entsprechende Funktionalitäten bereitstellen muss. Tut sie das wie unsere Plattform, können SAP-Bestandskunden ihre Legacy-Systeme und -Anwendungen komplett stilllegen. Das führt nach Aussage unserer Kunden zu einer Senkung der Betriebskosten von 80 Prozent und mehr.
E-3: Sind das nicht alles Einmaleffekte? Gleicht eine solche Datenschicht langfristig nicht doch eher einem Archiv?
Failer: Sie sprechen damit einen ganz entscheidenden Punkt an. Eine system- und applikationsunabhängige, aber kontextbewusste Datenschicht verdient in der Tat nur diesen Namen, wenn sie dynamisch angelegt ist, nicht statisch. Das bedeutet zum Beispiel, die Daten, die operativ nicht mehr weiterverarbeitet werden, kontinuierlich auf diese Schicht zu verschieben. Das hält die im Vergleich zu günstigen Speichermedien immer noch teure In-Memory-Datenbank Hana dauerhaft schlank. Wir gehen davon aus, dass sich allein dadurch die Gesamtbetriebskosten von SAP S/4 Hana über den gesamten Lebenszyklus um ein Viertel senken lassen. Dies gilt umso mehr, wenn man die ADK-Problematik berücksichtigt, mit der sich die Verantwortlichen zunehmend beschäftigen.
E-3: Worin besteht diese Problematik?
Failer: SAP-Bestandskunden lösen das Problem mit einer stark wachsenden Online-Datenbank in der Regel dadurch, dass sie Altbelege und -daten in ADK-Archive verschieben. Müssen sie zu einem späteren Zeitpunkt Altdokumente oder -daten löschen, dann funktioniert das gar nicht auf der Ebene des Archivs. Das bedeutet, sie müssten diese Informationen wieder in die Applikation hochladen, löschen und wieder archivieren. Für solche Fälle, wie sie etwa die DSGVO vorsieht, wurden diese Archive jedoch nie gebaut. Eine separate Datenschicht, in der 100 Prozent der historischen Informationen zusammen mit ihrem Geschäftskontext lagern, kennt dieses Problem hingegen nicht.
E-3: Allerdings sprechen wir immer noch von einer Datenschicht für SAP, nicht wahr?
Failer: Gut, dass Sie das ansprechen. Die separate Datenebene muss system- und applikationsunabhängig konzipiert sein. Offenheit ist daher ein weiteres grundsätzliches Merkmal dieser kontextbewussten Datenebene. Mehr noch: Sie ist sogar eine Grundbedingung für das digitale Unternehmen. Denn das digitale Unternehmen ist grundsätzlich und in allen Bereichen datengesteuert. Das bedeutet, dass die Unternehmen nicht nur die operativen, sondern auch ihre historischen Informationen in diese Steuerung und die damit einhergehende Analyse einbeziehen müssen. Das ermöglicht einerseits eine weit größere Anzahl und Häufigkeit an Datenzugriffen und setzt andererseits eine grundlegende Offenheit gegenüber Drittlösungen durch die Unterstützung von Standards wie zum Beispiel JDBC und Webservices voraus.
E-3: Das bedeutet, dass nicht sämtliche Daten Teil dieser Datenschicht werden müssen?
Failer: Doch, das sollten sie auf jeden Fall. Aber sie müssen nicht in ein und demselben Speicher liegen, auch wenn das für historische Informationen am meisten Sinn hat.
E-3: Warum?
Failer: Harmonisierung ist hier das Schlüsselwort. Und Harmonisierung beginnt mit der Konsolidierung der Systeme, Applikationen und Rechenzentren. Der Umstieg auf SAP S/4 lässt sich dazu nutzen, von 50 oder mehr auf unterschiedliche Standorte verteilten ERP-Anwendungen auf nur noch ein SAP-System der neuesten Generation zu verschlanken. Die historischen Informationen legen die Unternehmen dabei auf einer zentralen Plattform ab.
E-3: Wo liegt der Unterschied zu einem zentralen Archiv?
Failer: Archive speichern ohne Geschäftskontext, eine zentrale Plattform als Kern einer unternehmensweiten Datenschicht löst die Daten aus ihren Ursprungssystemen zusammen mit ihrem Kontext heraus. Dann lassen sich diejenigen Daten herausfiltern, die im neuen System als Teil offener Vorgänge weiterverarbeitet werden müssen. Und nur diese müssen die Unternehmen transformieren und migrieren. Über die daraus folgenden Zeit- und Kostenvorteile haben wir bereits gesprochen. Aber eine solche Plattform vermag noch viel mehr.
E-3: Was genau?
Failer: Ich möchte hier insbesondere die virtuelle Harmonisierung der Stammdaten nennen. Dadurch lässt sich eine Stammdatenstruktur erstellen, die derjenigen in den führenden operativen Systemen entspricht, ob SAP S/4 oder speziellen Analytics-Lösungen. Erst dadurch entsteht eine Rundumsicht auf sämtliche Geschäftsobjekte wie Kunden oder Lieferanten, weil aus Anwendersicht die Trennung zwischen historischen und operativen Daten aufgehoben ist und die Unterschiede in den Datenstrukturen, die aus unterschiedlichen Softwaregenerationen und Herstellerformaten herrühren, beseitigt sind. Es ist fast ironisch: Erst die saubere Trennung der Schichten erlaubt diese harmonisierte Zusammenschau, diese 360-Grad-Sicht.
E-3: Wenn die historischen Daten vollständig und korrekt waren …
Failer: Genau. Deshalb muss eine solche Plattform die Möglichkeit bieten, die Datenqualität zu optimieren. Das bedeutet, dass sie Funktionalitäten zur Fehleridentifizierung und -behebung bereitzustellen hat. Dubletten und falsche Datensätze müssen sich ebenso beseitigen lassen wie die Möglichkeit bestehen muss, unvollständige Datensätze zu vervollständigen. Das digitale und intelligente Unternehmen, das durch neue Softwaregenerationen und die grundlegende Modernisierung der IT zum Greifen nahe ist, ist auf absolut zuverlässige Daten angewiesen.
E-3: Was raten Sie deshalb SAP-Bestandskunden, die ihre S/4-Transformation 2022 in Angriff nehmen wollen?
Failer: Ich rate ihnen zu zwei Dingen: Die Transformation auf die neue Softwaregeneration aus Walldorf ist DIE große Chance für die Datenharmonisierung, die sich am einfachsten, kostengünstigsten und wirkungsvollsten erreichen lässt, wenn sie vor dem Umstieg auf SAP S/4 erfolgt. Darüber hinaus sollte die Transformation mit dem Aufbau einer separaten, aber kontextbewussten Datenschicht verbunden sein. Ideale Basis dieses Gewebes ist eine zentrale Plattform für das Management des Lebenszyklus von historischen Informationen.
E-3: Aber kostet das nicht viel zu viel Zeit?
Failer: Es spart enorm Zeit und natürlich auch sehr viel Geld. Deshalb ist neben Rechtssicherheit und Offenheit eine weitere zentrale Eigenschaft einer kontextbewussten Datenschicht auf Basis einer zen-tralen Plattform für Informationsmanagement der hohe Grad an Automatisierung. Die strukturierten und unstrukturierten Informationen müssen sich auf Knopfdruck und im Turbogang aus den Legacy-Systemen und den damit verbundenen Archiven herauslösen lassen. Ermittlung des Reduktionspotenzials der zu transformierenden Daten, Optimierung der Datenqualität, dynamische virtuelle Stammdatenharmonisierung, das sind Bereiche, die hochgradig automatisiert sein müssen.
E-3: Letzter Einwand: Ist das nicht Zukunftsmusik? Der Trend zur Data Fabric, wie Gartner das nennt, ist doch noch keine Lösung.
Failer: Dass es besser ist, Daten aus Legacy-Systemen zusammen mit ihrem Geschäftskontext herauszulösen und in einer eigenen Umgebung zu managen, wurde mir schon in den 1990er-Jahren beim Generationswechsel von R/2 auf R/3 klar. Was als Lösung zur Stilllegung von Altsystemen begann, ist heute eine umfassende Plattform für das Management des Lebenszyklus von Informationen, von der Stilllegung der -Legacy-Systeme über die Separierung der operativen von den historischen Informationen und die Optimierung der Datenqualität bis hin zu Migration und Transformation. Sie verfügt über alle genannten Eigenschaften und hilft, die aus über 2000 erfolgreichen Projekten weltweit belegten Vorteile zu erreichen. Unsere Plattform JiVS IMP legt schon heute den Grundstein für eine kontextbewusste Datenschicht in den Unternehmen. Mithilfe von JiVS IMP können SAP-Bestandskunden das S/4-Zeitalter innerhalb von Monaten einläuten. 2022 wird nicht nur das Jahr der Transformation, sondern auch der Datendämmerung.