SAP versagt häufig bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung


In weiten Teilen der deutschen Industrie sind die in den SAP-Systemen gespeicherten ESG-Informationen unvollständig oder falsch. Daher können viele Unternehmen die gesetzlichen Anforderungen nach geltenden Regelungen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit sowie ethischer Betriebsführung (ESG – Environmental, Social, Governance) faktisch nicht erfüllen.
Gleiches gilt für die Anforderungen der neuen EU-Regularien bezüglich Material-Compliance wie Reach (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals), RoHS (Restriction of Hazardous Substances), POP (Persistent Organic Pollutants) und Pfas (Per- and Polyfluoroalkyl Substances). In der betrieblichen Praxis erweist es sich häufig als problematisch bis unmöglich, alle vorgeschriebenen Nachweise etwa von Lieferanten zu erhalten oder zu erbringen, um diese im SAP-System zu erfassen. Teilweise ist es ausgeschlossen, detaillierte Kenntnisse über jede einzelne Substanz in einem Produkt zu erlangen. Zudem sind ESG- und Material-Compliance in der Praxis derart eng miteinander verwoben, dass der administrative Aufwand zur Erfüllung der Vorschriften für viele mittelständische Unternehmen nicht zu stemmen ist.
Die Folgen sind potenziell fatal, weil viele Industriefirmen daher gegen geltendes Recht verstoßen, ohne dass dies aufgrund der falschen Zahlen im SAP-System auffällt. In so einem Unternehmen möchte ich nicht zum Kreis der Verantwortungsträger gehören. Nach meinen Erfahrungen sind Verstöße gegen Reach, RoHS und die Pfas-Regulatorik an der Tagesordnung, weil im SAP-System falsche und teilweise völlig irreführende Daten dazu gespeichert sind.
Verstöße an der Tagesordnung
Die EU-Verordnung Reach (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien) verpflichtet Unternehmen, Informationen über die von ihnen hergestellten oder importierten Chemikalien zu sammeln und zu bewerten. Die EU-Richtlinie RoHS (Beschränkung gefährlicher Stoffe) beschränkt die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe wie Blei, Quecksilber oder Cadmium in Elektro- und Elektronikgeräten. Bei Pfas (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) handelt es sich um eine Gruppe von über 4700 Chemikalien, die aufgrund ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften in vielen Produkten eingesetzt werden, von Textilien über Lebensmittelverpackungen und Grillpfannen bis hin zu Shampoo und Kosmetika. Aufgrund dieser Vielfalt unterliegen diese „Ewigkeitschemikalien“ zahlreichen Regularien, von Reach über Trinkwasserrichtlinien und Lebensmittelkontaktmate-rialienvorschriften bis hin zur Pflanzenschutzgesetzgebung.
KI entlarvt die Fake-ESG
Es handelt sich durchweg um potenziell gesundheitsgefährdende Stoffe und die Unternehmen müssen den Umgang damit klar nachweisen. Andernfalls stehen hohe Geld- und möglicherweise sogar Haftstrafen im Raum. Viele Industriebetriebe sind „mit ihrer Fake-Facts-basierten ESG-Strategie bislang unter dem Radar geflogen, weil schlichtweg niemand die Datenbasis hinterfragt hat. Aber neue KI-Analysen werden alle diese falschen Informationen über kurz oder lang auffliegen lassen.
Taskforce für ESG-Daten
Viele plagiierte Promotionen sind jahre- oder gar jahrzehntelang nicht aufgefallen, bis sich durch moderne Analysetechniken jeder irgendwo abkopierte Satz nachvollziehen ließ. Ganz ähnlich werden künftig widersinnige ESG- und Materialangaben auffliegen, sobald sie Plausibilitätsprüfungen unterzogen werden, etwa durch Analysen der Lieferkette und Vergleiche mit Wettbewerbern. Ebenso wie manch einer seinen Doktortitel hergeben musste, dürfte sich künftig auch manch ein direkt oder indirekt für ESG oder Materialien Verantwortlicher in der Wirtschaft in einer äußerst unangenehmen Situation wiederfinden. Unternehmen, die unter Regulierungen wie Reach, RoHS oder Pfas-Vorschriften fallen, sollten daher schleunigst eine Taskforce ins Leben rufen, die den ESG- und materialrelevanten Datenbestand im SAP-System genauestens unter die Lupe nimmt. Hierbei sollte nach ihren Projekterfahrungen schwerpunktmäßig zwei Fragen nachgegangen werden: erstens nach der Herkunft und zweitens nach der Plausibilität der Daten. Es ist im Detail nachzuverfolgen, aus welchen Quellen welche Daten kommen und wie verlässlich diese tatsächlich sind.