JIT, agil & Demand-driven
SCM sollte wie viele andere IT-Werkzeuge kein Selbstzweck sein. Warum kommt erst jetzt die Erkenntnis, dass Supply Chain Management aufgrund der Nachfrage – Demand-driven – konzipiert werden muss?
„Der wesentliche Motivationsimpuls für die Entwicklung des Demand-driven-SCM-Konzepts ist eine einfache, aber weitreichende Erkenntnis: Unsere bisherigen SCM-Ansätze werden unter den heutigen Rahmenbedingungen – Komplexität, Volatilität und Unsicherheit – und der Anwendung einer zentralen Planungsmethode aus den 60er Jahren den Anforderungen nicht mehr gerecht“
erklärt Patrick Wolf, Partner bei Camelot, zu Beginn des Gesprächs und erläutert weiter:
„Nahezu alle ERP- oder SCM/APS-Systeme in der Industrie sind heute noch im Kern mit der MRP-Verarbeitungslogik aus den 60er Jahren ausgestattet. Diese funktioniert nur bei sehr exakten Vorhersagen der Nachfrage, was in der heutigen Zeit aber schlicht unmöglich ist.
Anstatt immer weiter zu versuchen, die Nachfrageprognosen zu verbessern, geht das Demand-driven-SCM- Konzept daher als Erstes auf die Ursache der Probleme in der Supply Chain ein – nämlich die Art und Weise, wie wir die Variabilität und Volatilität in den ERP/APS-Systemen verarbeiten und weiterreichen.
Das DDSCM mit seinem Herzstück – dem Demand-driven MRP – ist ein neuer Ansatz, um die Variabilität in den heutigen ,Digital Supply Chains‘ besser zu meistern.“
Notwendiger Reifegrad
Die Entwicklung von Demand-driven SCM ist vergleichbar mit Machine Learning: Die Idee und das Konzept von neuronalen Netzen gibt es seit vielen Jahrzehnten, aber erst die aktuelle Computertechnik ermöglicht die technische Machbarkeit in der Realität und nicht nur auf dem Papier.
Auch für Demand-driven SCM fehlte es lange an geeigneten Softwarelösungen. Die Arbeit von Camelot ist hierbei eine Pionierleistung, die nun die praktische Anwendung des theoretischen Wissens ermöglicht. Denn agiles Agieren beinhaltet nicht nur Verstehen, Analysieren und Prognostizieren, sondern auch ein bewusstes Steuern der Supply Chain nach dem tatsächlichen Kundenbedarf.
Erreicht wird der Erfolg von Demand-driven SCM durch die deutliche Abkehr von dem Versuch, Schwankungen in der Lieferkette durch verbesserte Nachfrageprognosen in den Griff zu bekommen. Das bewusste Einbauen von „Stoßdämpfern“ in Form von Bestandspuffern an definierten Entkopplungspunkten in der Supply Chain sorgt dafür, dass Schwankungen im Kundenbedarf nicht mehr über die gesamte Supply Chain weitergegeben und verstärkt werden.
„Demand-driven ermöglicht die Synchronisation der Supply Chain nach dem Kundenbedarf. Das Ergebnis ist ein optimaler Fluss von Informationen und Material über alle Stationen der Supply Chain hinweg, also vom Einkauf über die Produktion bis hin zur Distribution“
erklärt Christian Kroschl, ebenfalls Partner bei Camelot.
SCM kann zeitlich, organisatorisch und auch physisch einen weiten Horizont abdecken: Wie synchronisiert man in der Praxis eine SCM über viele, auch heterogene Stationen, sodass sich die Lieferkette Demand-driven verhält?
„Dies wird gewährleistet durch die intelligente Definition von Entkopplungspunkten und einen innovativen Ansatz, mit dessen Hilfe sich die Bestandshöhe an diesen Entkopplungspunkten steuern lässt“
definiert Christian Kroschl.
SCM-Paradigma
Alles fließt, alles ist im Gleichgewicht – das ist wahrscheinlich der perfekte Zustand für Demand-driven SCM: Wie erreicht man technisch und organisatorisch diesen Zustand?
„Demand-driven ist ein neues Paradigma im Supply Chain Management. Ergo ist es wichtig, zunächst die ,Thoughtware‘, also die theoretischen Konzepte und die Philosophie im Unternehmen und der Organisation zu verankern“
weiß Patrick Wolf aufgrund seiner beruflichen Erfahrung.
„Es geht hier also vor allem auch um eine Business-Transformation, für die ein effektives Change Management benötigt wird. In unseren Projekten unterstützen wir das Change Management zusätzlich mit Trainings, die von unseren zertifizierten Demand-drivern-Trainern durchgeführt werden.“
Bei Camelot weiß man aber auch, dass eine „Thoughtware“ nutzlos ist, wenn sie sich nicht mit entsprechenden IT-Lösungen umsetzen lässt. Und Wolf betont:
„Benötigt werden integrierte Erweiterungslösungen, die die Demand-driven-SCM-Prinzipien abbilden – was es lange Zeit nicht gab. Als Pionier für SAP-basierte Demand-driven-SCM-Lösungen hat Camelot maßgeblich dazu beigetragen, dass heute diese Erweiterungen für alle SAP-Plattformen verfügbar sind.“
End-to-End
E2E ist der neue Hype bei ERP und CRM. Camelot bringt nun den E2E-Gedanken zusammen mit SCM.
„Supply Chains sowie deren Management sind per Definition immer E2E zu verstehen“
beschreibt Christian Kroschl den Camelot-Ansatz.
„Unsere Erfahrung hat allerdings gezeigt, dass Supply Chains aufgrund der Komplexität, Variabilität und historischen Organisationsentwicklung in der Praxis häufig in einzelnen Silos gesteuert werden.“
Camelot hat schon früh erkannt, dass Ansätze und Lösungen benötigt werden, die Unternehmen dabei helfen, ein ganzheitliches Supply Chain Management zu realisieren. Camelot-Partner Kroschl erklärt:
„Diese haben wir in konkreten Supply-Chain-Integrationsprojekten in die Tat umgesetzt. Die Ansätze und Projekterfahrungen sind – bereits vor einigen Jahren – in die Entwicklung des Demand-driven-Lean-Supply-Chain-Konzepts gemündet.“
Zentrale Elemente zur Reduktion von Komplexität und Variabilität sind demgemäß die taktische Konfiguration, die aktive Nutzung von Beständen in der Planung sowie die E2E-Synchronisierung der Supply Chain, weiß man bei Camelot und Kroschl ergänzt:
„Für uns war klar, dass Forecasts, also Vorhersagen des Kundenbedarfs, die Grundlage für die Supply-Chain-Konfiguration sein sollten, allerdings nicht die Ausführung steuern dürfen. Aufgrund der Übereinstimmung der Konzepte arbeiten wir heute sehr eng mit dem Demand Driven Institute, der globalen Autorität für Demand-driven MRP, zusammen.“
Demand-driven & SAP
„Die aktuell verfügbaren Lösungen können als Add-in in jedes SAP-System einfach integriert werden“
beschreibt Frank Arnold, Vice President bei Camelot, den operativen Ansatz.
„Ob es sich um ERP/ECC 6.0, SAP SCM oder S/4 Hana handelt, ist dabei unerheblich. Auch für die moderne SAP-Integrated-Business-Plattform gibt es eine Demand-driven-MRP-Lösung, die Camelot als Co-Innovation mit SAP entwickelt hat.“
Aber was sagen SAP-Bestandskunden zu Demand-driven SCM?
„Demand-driven SCM ist ein zentrales Thema, das viele unserer Kunden bewegt“
weiß Frank Arnold aufgrund seiner Gespräche mit SAP-Bestandskunden. Die Unternehmen haben erkannt, dass sich die Komplexität und Variabilität der heutigen globalen Supply Chains mit der alten MRP-Systemwelt nicht in den Griff bekommen lassen.
Arnold weiß, dass Kunden versucht haben, mit selbst entwickelten Tools für Abhilfe zu sorgen, damit aber nicht weit gekommen sind.
„Entsprechend wird nach einem neuen Konzept mit entsprechenden IT-Lösungen gesucht, die sich flexibel auf die jeweilige Kundensituation anpassen lassen“
definiert Vice President Arnold den aktuellen Zustand.
Welche SAP-Architektur und Komponenten sind im Einzelnen notwendig, um Demand-driven SCM bei einem SAP-Bestandskunden zu realisieren? Frank Arnold erklärt dazu, dass Camelots Verständnis einer ganzheitlichen SCM-Lösung Folgendes beinhaltet:
Neben den Hauptkomponenten Demand-driven MRP und Demand-driven Rhythm Wheel Planning, ein Ansatz für eine geglättete Produktionsplanung (Production Leveling), auch Erweiterungen wie z. B. für das Demand-driven Sales und Operations Planning, die strategische, AI-basierte Segmentierung und Konfiguration, sowie Machine-Learning-Algorithmen im Production Leveling. Arnold:
„Bezogen auf die SAP-Lösungen ist Demand-driven MRP heute auf den Plattformen S/4 Hana, SAP SCM und SAP Integrated Business Planning durch Standardlösungen bzw. Enhancements der SAP und Camelot verfügbar.
Das Production Leveling ist als Enhancement für SAP APO PP/DS und S/4 Hana Advanced Planning exklusiv von Camelot verfügbar.“ Die genannten Erweiterungen entwickelt Camelot auf Basis der SAP-Cloud-Plattform (SCP) und SAP Leonardo.
Betriebswirtschaftlicher Mehrwert
„Mit DDSCM gelingt es, die Variabilität, die für zu hohe Bestände und lange Lieferzeiten sorgt, in den Griff zu bekommen“
erklärt Patrick Wolf im E-3 Gespräch.
Die Beherrschung der Variabilität führt wiederum zu immensen betriebswirtschaftlichen und finanziellen Vorteilen. Bei Unternehmen, die Demand- driven SCM umgesetzt haben, konnte Camelot Performance-Verbesserungen – branchenübergreifend – von durchschnittlich 31 Prozent weniger Beständen, 22 Prozent Lieferzeitverkürzung, deutliche Service-Level-Verbesserungen sowie Effizienzsteigerungen im zweistelligen Prozentbereich feststellen.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Demand-driven MRP und Demand-driven SCM?
„Demand-driven MRP ist ein Ansatz spezifisch für die Materialbedarfsplanung und das Herzstück von Demand-driven SCM. Aus Camelot-Sicht gehört zu einem Demand-driven Supply Chain Management aber auch ein entsprechendes Konzept für die Produktionsplanung, Demand-driven Rhythm Wheel Planning, sowie zusätzliche Erweiterungen wie vor allem für das Sales und Operations Planning“
ergänzt Patrick Wolf die bisherigen Aussagen.
Auf der Sapphire dieses Jahr präsentierte SAP-Chef Bill McDermott das neue CRM- Produkt C/4 Hana. In dieser CRM-Initiative spricht SAP von E2E und sieht CRM als Ausgangspunkt und ERP als Endpunkt.
Wo steht hier Demand-driven SCM und MRP?
Christian Kroschl:
„In dieser Definition wird CRM synonym für die Demand-Generation und ERP für das Fulfillment bzw. die Execution genutzt. Demand-driven SCM ist somit als Bindeglied zu verstehen, welches den „Demand“ aufnimmt und eine realistische, Demand-basierte Planung an das ERP zur Execution übergibt.
Natürlich ist ein nahtloser Realtime-Abgleich zwischen den Systemen die Grundlage für eine optimale Planung und Ausführung. SAP ist mit dem hochintegrierten Lösungsportfolio hier natürlich optimal positioniert.“
Und in welchem Umfang arbeitet Camelot beim Thema Demand-driven SCM mit SAP zusammen?
„Als Pionier für SAP-basierte Demand-driven-SCM-Lösungen arbeitet Camelot hier sehr eng mit SAP zusammen. Ein Beispiel für die Zusammenarbeit ist die Co-Innovation von Demand-driven MRP für SAP Integrated Business Planning, der ersten Erweiterungslösung für SAP Integrated Business Planning überhaupt“
bestätigt Frank Arnold.
Alles Demand-driven
Wird man zukünftig vor jeden SAP’schen Drei-Buchstaben-Begriff ein „DD“ für Demand-driven setzen? „In der Theorie ja“, meint Frank Arnold im Gespräch mit E-3 Chefredakteur Färbinger und präzisiert:
„Allerdings wurde der Begriff des Demand-driven explizit geschaffen, um die Abkehr von einer Forecast-basierten Planung der Wertschöpfung hin zu einer absoluten Orientierung am konkreten Kunden- und Marktbedarf zum Ausdruck zu bringen.
Das impliziert einen Paradigmenwechsel im SCM, den wir in den Themenbereichen CRM oder Marketing so nicht sehen. Hier stehen der Kunde und die Demand-Generation per Definition im Vordergrund.“
Da sich ERP-Systeme aus den klassischen, MRP-basierten PPS-Systemen entwickelt haben und auch heute noch der MRP-Planungsansatz die Grundlage jedes ERP-Systems bildet, könnte man hier natürlich auch den Begriff Demand-driven ERP oder DDERP prägen, meint Arnold.
„Ein Beispiel dafür wäre das um Demand-driven-MRP-Funktionalität erweiterte S/4 Hana. Aber wir glauben, dass die Anzahl der neuen Abkürzungen durchaus auch so schon ausreichend Verwirrung stiften wird“
bekennt er sich zu einer auch sprachlichen Herausforderung in der neuen SCM-Welt.
Stabilität & Effizienz
Wo ergab sich in der operativen Umsetzung der höchste ROI?
„Es ist immer von der Kundensituation abhängig, in welchem Umfang und Zeitraum ein ROI erreicht wird“
erklärt Christian Kroschl.
„Unsere Erfahrung ist, dass in allen Organisationen der ROI in weniger als zwei Jahren realisiert wird!“
Was sind die Erkenntnisse der Anwender?
„Die Nervosität im gesamten System verschwindet nahezu vollständig. Sämtliche Schwankungen in der Lieferkette werden effizient gemanagt. Am deutlichsten verändert sich der Arbeitsalltag der Planer“
weiß Patrick Wolf aufgrund vieler zufriedener Kundenaussagen.
Anstatt „Feuerwehr-Einsätzen“ und des permanenten Umplanens von Aufträgen können sich SAP-Bestandskunden nun auf ihre eigentliche Aufgabe, das Planen von Ausnahmen und schwierigen Produkten, konzentrieren.
„Neben den bereits geschilderten ,harten Fakten‘ in Form von betriebswirtschaftlichen und finanziellen Vorteilen spüren Kunden auch die folgenden positiven Veränderungen: vereinfachte Geschäftsabläufe, weniger Zielkonflikte und Reibungsverluste innerhalb des Unternehmens und natürlich: zufriedenere Kunden“
erklärt Wolf und ergänzt:
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass alle an Demand-driven-SCM-Projekten beteiligten Unternehmensbereiche inklusive des CFO von diesem intuitiven und verständlichen Konzept begeistert sind.“