Geld macht blind – SAP-Hauptversammlung 2019
Reduziert man SAP auf die eigenen Bilanzzahlen und betrachtet man das Unternehmen losgelöst vom Marktumfeld, glänzt SAP wie frisch aufpoliert. Für das Geschäftsjahr 2018 erhalten die Aktionäre eine Dividende in Höhe von 1,50 Euro je Aktie (Vorjahr: 1,40). Die Gesamtausschüttung beträgt 1,79 Milliarden Euro. Die Aktionäre haben Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2018 entlastet.
Wer nur die Dividende und den Aktienkurs im Fokus hat, mag zufrieden mit SAP sein. Wer über den Tellerrand schaut, ist mit vielen Baustellen, Problemen und Ungereimtheiten konfrontiert. SAP-Chef McDermott ist mit seiner Arbeit zufrieden. Nach eigenen Aussagen hat er den besten Vorstand, seit er Chef ist.
Warum Bernd Leukert und Rob Enslin den SAP-Vorstand dieses Jahr verlassen haben und was sie sich zuschulden kommen ließen, wollte oder konnte McDermott nicht erklären. Leider hat auch kein Aktionärsvertreter nachgefragt, warum ohne Leukert und Enslin erst der bestmögliche SAP-Vorstand erreicht wurde.
Auch hat leider keiner der Aktionsvertreter gefragt, warum hektisch und aus dem Nichts für dieses Jahr ein zweiter SAP Capital Markets Day in New York eingeplant wurde. Traditionell veranstaltet SAP für die Finanzcommunity im Februar eine Informationsveranstaltung in New York City. Tatsache ist, dass SAP bezüglich des Deckungsbeitrags und der Profitabilität unter Druck steht.
Die wahre Sensation der Hauptversammlung ging aber im allgemeinen Geldregen und dem momentan sehr erfreulichen Aktienkurs unter: Bill McDermott erklärte, dass Qualtrics ein eigenständiges Unternehmen mit eigenem Management bleibt – offensichtlich ist das SAP-Universum zu komplex für die Anteilseigner, um diese Hiobsbotschaft zu verstehen.
Rückblende: Sapphire vergangenes Jahr in Orlando, McDermott hebt das neue Produkt C/4 aus der Taufe. Es soll eine Antwort auf die sehr erfolgreiche Salesforce werden und eben kein weiteres CRM-Programm, sondern eine CRM-Suite, die alle Kundenbeziehungsfunktionen in einem End-to-End-Szenario vereint.
Die Basis von C/4 wäre das eigene CRM erweitert um das E-Commerce-System Hybris und die Preisfindungs- und Vertriebssoftware Callidus Cloud – so weit die Vorstellung von McDermott auf der Sapphire 2018. Ende vergangenen Jahres wurde Qualtrics übernommen und sollte der letzte fehlende Baustein für eine einzigartige CRM-Suite sein. Für die Integration verantwortlich ist Vorstand Christian Klein.
Nachdem Professor Plattner dieses Jahr auf der Sapphire erklärte, man könne auch „Brücken“ zu Qualtrics bauen, und eine Woche später Bill McDermott auf der Hauptversammlung in Mannheim bestätigte, dass Qualtrics inklusive Management eigenständig bleibt, erscheint die Gefahr für Salesforce, plötzlich mit einer umfassenden CRM-Suite aus dem Haus SAP konfrontiert zu werden, als sehr gering!
Dass jedoch Qualtrics als eigenständiges Unternehmen für SAP jemals den Kaufpreis von sieben Milliarden wieder einspielt, ist aus aktueller Sicht zu bezweifeln – vielleicht bringt der zweite SAP Capital Markets Day dieses Jahr in New York City eine Antwort?
1 Kommentar
Hugo Maier
Wer nur auf die Zahlen schaut, kann aber auch schwer ernüchtert werden – wenn er sich mal die Passiva genauer anschaut — vor allem den Schuldenberg von mittlerweile über 13 Mrd. Euro. Und: im letzten Quartal war die Liquidität negativ. Das nenne ich alarmierend…