Die Grenzen des SAP-S/4-Standards als Chance


Ein modernes ERP-System wie SAP S/4 Hana ist das Fundament für effiziente Geschäftsprozesse und digitale Transformation. Es bietet einen leistungsfähigen Standard, der Unternehmen weltweit bei der Steuerung zentraler Abläufe unterstützt. Doch gerade in komplexen Organisationen zeigt sich schnell: Der Standard reicht nicht immer aus, um die gesamte Realität eines Unternehmens abzubilden. Individuelle Marktanforderungen, branchenspezifische Besonderheiten oder unternehmenseigene Innovationsstrategien erfordern Erweiterungen, die über den Kern hinausgehen.
Diese Situation führt häufig zu einem scheinbaren Paradoxon: Trotz hoher Investitionen in das Standard-S/4-System müssen Unternehmen zusätzlich eigene Entwicklungen aufbauen. Während dies auf den ersten Blick ineffizient wirkt, erweist es sich in der Praxis als entscheidender Hebel, um sich im Wettbewerb zu differenzieren und schneller auf neue Anforderungen reagieren zu können.
Grenzen des Standards
S/4 deckt viele Prozesse umfassend ab – vom Finanzwesen über Beschaffung bis hin zur Produktion. Doch sobald Unternehmen komplexe Szenarien wie standortübergreifende Logistikketten, kundenspezifische Produktkonfigurationen oder automatisierte Serviceprozesse abbilden möchten, stößt der Standard an seine Grenzen. Ein Rückgriff auf „Workarounds“ oder Systembrüche führt dann nicht selten zu ineffizienten Abläufen, die die ursprüngliche Investition in das ERP-System konterkarieren.
Genau an diesem Punkt zeigt sich die strategische Notwendigkeit, über eigene Entwicklungen nachzudenken. Sie sind kein Zeichen dafür, dass das System unzureichend wäre, sondern vielmehr Ausdruck des Anspruchs, Prozesse individuell zu optimieren und so Wettbewerbsvorteile zu sichern. Entscheidend ist, dass Unternehmen die Grenzen des Standards nicht als Schwäche interpretieren, sondern als Anlass, die eigene Prozessarchitektur kritisch zu reflektieren. In vielen Fällen lassen sich durch gezielte Ergänzungen nicht nur Engpässe überwinden, sondern auch neue Geschäftsmodelle erschließen. So entsteht aus der vermeintlichen Limitierung eine Chance zur Weiterentwicklung. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Standardisierung bewusst auf das Gemeinsame und Wiederkehrende abzielt.
Sie kann kaum alle branchenspezifischen Besonderheiten oder unternehmenskulturellen Eigenheiten berücksichtigen. Was im Maschinenbau erforderlich ist, unterscheidet sich von den Anforderungen eines Handelskonzerns oder eines Versorgungsunternehmens. Hier gilt es, den eigenen Bedarf präzise zu analysieren und Erweiterungen so auszurichten, dass sie den spezifischen Differenzierungsfaktor des Unternehmens unterstützen. Nicht jedes Bedürfnis rechtfertigt eine Eigenentwicklung, aber dort, wo strategische Relevanz vorliegt, ist ein Verlassen des Standards unvermeidlich.
Clean Core als Leitprinzip
Die zentrale Herausforderung besteht darin, diese Erweiterungen so umzusetzen, dass die Update-Fähigkeit des Systems erhalten bleibt. Denn jede Modifikation am Kernsystem gefährdet künftige Release-Wechsel und erhöht langfristig die Betriebskosten. Hier setzt das Clean-Core-Konzept an: Individualisierungen werden konsequent außerhalb des ERP-Kerns umgesetzt. Die SAP Business Technology Platform (BTP) liefert dabei den notwendigen Rahmen. Sie fungiert als Entwicklungs- und Integrationsumgebung, die es erlaubt, maßgeschneiderte Anwendungen, Schnittstellen und Analysen zu realisieren – ohne die Stabilität des Kernsystems zu gefährden.
Clean Core ist damit nicht nur ein technisches Paradigma, sondern ein strategisches Leitprinzip für nachhaltiges ERP-Management. Es zwingt Unternehmen dazu, ihre Erweiterungen kritisch zu prüfen und klare Abgrenzungen vorzunehmen: Welche Funktionen gehören in den Standard, welche sollen bewusst ausgelagert werden, und welche lassen sich durch Plattformservices eleganter realisieren? Ein weiterer Vorteil des Clean-Core-Ansatzes liegt in der Governance. Durch die klare Trennung von Kern und Erweiterungen wird Transparenz geschaffen, welche Anpassungen vorgenommen wurden und wie sie sich auf die Gesamtarchitektur auswirken. Unternehmen können so eine konsistente Dokumentation aufbauen und verhindern, dass sich unkontrollierte Eigenentwicklungen in die Landschaft einschleichen. Auf diese Weise wird die langfristige Beherrschbarkeit des Systems gestärkt – ein Aspekt, der in Zeiten verkürzter Innovationszyklen immer wichtiger wird.
Darüber hinaus eröffnet eine Clean-Core-Strategie die Möglichkeit, Innovationen schneller zu adaptieren. Da der Kern unangetastet bleibt, können neue Releases ohne umfangreiche Migrationsprojekte eingespielt werden. Gleichzeitig stehen die entwickelten Erweiterungen weiterhin zur Verfügung, was eine kontinuierliche Evolution der IT-Landschaft erlaubt. So entsteht ein Gleichgewicht zwischen Verlässlichkeit und Flexibilität, das in einer dynamischen Marktumgebung entscheidend ist.

SAP BTP als Erweiterung des Clean Core.
Die Bausteine der BTP
Die Business Technology Platform bietet verschiedene Komponenten, die Unternehmen gezielt einsetzen können, um ihre spezifischen Herausforderungen zu lösen:
Unter SAP Build bündelt SAP ihre Low-Code-/No-Code-Tools für App-Entwicklung, Automatisierung und visuelle Prozessmodellierung. Hier entstehen individuelle Anwendungen oder Workflows, die spezifische Anforderungen abbilden – sei es eine App für Produktionsmitarbeiter, ein Kundenportal oder ein Add-on für die Supply Chain. Der Vorteil: Diese Lösungen lassen sich schnell entwickeln und flexibel erweitern, ohne in den S/4-Kern einzugreifen.
Viele Unternehmen arbeiten nicht ausschließlich mit SAP-Systemen. Mit der SAP Integration Suite können externe Anwendungen, Cloud-Services oder IoT-Geräte nahtlos eingebunden werden. Dies ermöglicht durchgängige Prozesse und sorgt dafür, dass Daten in Echtzeit fließen. Entscheidungen basieren immer stärker auf Daten. Die SAP Business Data Cloud stellt leistungsfähige Werkzeuge bereit, um sie aus unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen, semantisch aufzubereiten und in Form von Dashboards oder Datenprodukten verfügbar zu machen. Unternehmen gewinnen dadurch tiefere Einblicke und können ihre Prozesse datengetrieben steuern.
SAP Business AI umfasst eine breite Palette an KI-Lösungen und lässt Muster erkennen, Vorhersagen treffen oder Prozesse automatisiert steuern. Ob in der Absatzplanung, beim Kundenservice oder in der Qualitätskontrolle – Unternehmen können innovative Szenarien umsetzen, die weit über den Standard hinausgehen.
In der Praxis zeigt sich, wie wertvoll dieser modulare Ansatz ist. Ein Beispiel: Ein international tätiger Fertiger möchte spezifische Fertigungsprozesse digital abbilden, die im Standard nicht vorgesehen sind. Über Application Development entstehen maßgeschneiderte Apps, die direkt auf Tablets oder Maschinenmonitoren genutzt werden können – und dabei eng mit dem ERP-System verbunden sind. Oder: Ein Handelsunternehmen möchte externe Lieferantensysteme integrieren, um Bestände in Echtzeit abzugleichen. Mit der Integration Suite gelingt dies ohne aufwendige Schnittstellenprojekte, was nicht nur Zeit spart, sondern auch die Prozessqualität deutlich erhöht.
In beiden Fällen profitieren die Unternehmen davon, dass ihre individuellen Lösungen unabhängig vom Kernsystem laufen. Updates auf neue S/4-Releases werden dadurch nicht blockiert, und die Investitionen in Eigenentwicklungen bleiben langfristig geschützt. Der wahre Wert der BTP liegt in der Kombination: Unternehmen können einerseits auf den stabilen S/4-Standard setzen, andererseits aber flexibel eigene Erweiterungen entwickeln und betreiben. Das Ergebnis ist ein Gleichgewicht zwischen Agilität und Stabilität. Gerade in Zeiten schneller Marktveränderungen und wachsender Kundenanforderungen wird diese Flexibilität zum entscheidenden Erfolgsfaktor.
Unternehmen, die ihre ERP-Landschaft so aufstellen, sind in der Lage, Innovationen zeitnah umzusetzen, ohne dabei auf die Verlässlichkeit ihres Kernsystems zu verzichten. Gleichzeitig schützt der Clean-Core-Ansatz die Investitionen langfristig und sorgt dafür, dass die Gesamtkosten nicht aus dem Ruder laufen.
Fazit
Die Investition in ein Standard-ERP-System wie S/4 ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur digitalen Transformation. Doch erst die intelligente Kombination aus Standard und individuellen Erweiterungen eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Prozesse wirklich zukunftsorientiert zu gestalten. Die SAP Business Technology Platform liefert dafür das entscheidende Fundament: Sie ermöglicht maßgeschneiderte Entwicklungen, nahtlose Integration, datengetriebene Steuerung und innovative KI-Szenarien – alles außerhalb des ERP-Kerns und im Einklang mit dem Clean-Core-Prinzip. Unternehmen, die diesen Weg gehen, stellen sicher, dass sie nicht nur heute effizient arbeiten, sondern auch morgen in der Lage sind, schnell auf neue Herausforderungen zu reagieren. Die Verbindung von Stabilität und Flexibilität wird so zum Motor nachhaltigen Erfolgs.
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