Bezahlen SAP-Kunden jetzt die Zeche?
Wende durch Vertriebsdruck- und -tricks?
SAP ist der erfolgreichste europäische Softwarehersteller. Doch der Konzern steht vor großen Herausforderungen – und stellt seine Kunden vor Probleme. Zu spät, zu langsam und fast nur durch Zukäufe kommen SAP-Kunden in die Cloud: Wende durch Vertriebsdruck und -tricks?
Anfang des Jahres wurde bekannt, dass der SAP-Vertrieb den absoluten Fokus auf das Thema Cloud legt und die Provisionierung für Verkäufe der bewährten SAP-On-premises-Produkte sinkt. Dabei arbeitet die Mehrzahl der Kunden sieben Jahre nach Erscheinen von S/4 noch immer mit den alten und bewährten ERP-Systemen, die Lizenzumstellung auf die neue Softwaregeneration steht meist noch an. Die Fokussierung des Vertriebs auf Cloud führt nach unserer Erfahrung immer häufiger dazu, dass Kunden eigentlich nicht benötigte – und oft später nie genutzte – Cloud-Verträge abschließen, nur um halbwegs akzeptable Konditionen für ihre On-prem-Lizenzen zu erhalten. Somit kommt SAP formal und finanziell ihren Cloud-Zielen näher – wenngleich zum Teil doch nur Potemkinsche Dörfer entstehen.
Ende Juli wurde überdies bekannt, dass SAP für Cloud eine automatische jährliche Preiserhöhung von 3,3 Prozent einführen will – das addiert sich bei den üblichen Fünfjahresverträgen zu rund 18 Prozent. Der wirtschaftliche Abschwung durch die Folgen des Ukraine-Kriegs und der Coronapandemie verstärkt die Probleme der SAP weiter.
Dennoch feiert SAP den 50. Geburtstag groß: über zwanzig Mal und ganz prominent auch Ende Juli in der SAP-Arena in Mannheim mit geladenen Gästen und Politikern, unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die zur Zusammenarbeit zwischen Politik und Digitalwirtschaft aufriefen. Christian Klein, ehemals Hoffnungsträger vieler Kunden und Mitarbeiter, betonte den Umstieg in die Cloud, „mit dem SAP einen Strategiewechsel vollzieht“.
Winfried Kretschmann jedoch wusste, was die Mehrheit der SAP-Kunden bei diesem Thema ohnehin leitet: „Es ist nicht immer einfach, Kunden zu überzeugen, weil sie so zufrieden mit ihren SAP-Systemen sind. Das Beste ist der Feind des Guten, also muss SAP sich sozusagen selber schlagen.“ Was bis dato aber sichtlich nicht der Fall ist.
Somit zahlen SAP-Kunden die Jubiläumsfeiern und die teuren Problemlösungen der SAP. Eine davon sind Auditerlöse. In der Pandemie hatte SAP auf Vermessungen, besonders der kleineren Kunden, oft verzichtet. Nun wird öfter – und nicht selten mit harten Bandagen – vermessen und auditiert. Schwerpunkte: „Fehlnutzung“ der Hana-Datenbank, Developer-Lizenzen sowie indirekte Nutzung. Eine andere betrifft den oft teureren Lizenzumstieg auf S/4. Statt der günstigeren Option einer Produktumstellung auf S/4 drängt der SAP-Vertrieb die Kunden häufiger zu einer Vertragsumstellung, die in der Regel mindestens 11 Prozent teurer ausfällt. Die neuen S/4-Produkte sind oft mit neuen, ungünstigeren Metriken versehen und deutlich teurer.
Dazu kommen Zusatzkosten für die obligatorische Hana-Datenbank. Bislang konnten SAP-Kunden Datenbanken diverser Hersteller einsetzen und häufig kostengünstiger lizenzieren. Mit dem Zwang zur Hana-Datenbank wächst nun nicht nur der Kostenblock um meist 15 Prozent, sondern auch die Abhängigkeit der Kunden. Mit dem Komplettpaket Rise with SAP bietet SAP eine neue Form der Cloud-Transformation an. Dabei werden jedoch getätigte Investitionen in On-prem-Software nicht angerechnet. Das Abo- und Subskriptionsmodell drängt SAP-Kunden in Dauerabhängigkeit und schafft für SAP dauerhafte Umsätze.
Manche Kunden fühlen sich derzeit fast an die schlechten Zeiten unter Léo Apotheker erinnert, als SAP ihren Kunden massiv und dreist ans Geld wollte. Der Protest der Kunden und Mitarbeiter verursachte seine Demission – das verlorene Vertrauen der Kunden musste über viele Jahre mühsam zurückgewonnen werden, der alte Status wurde nie wieder erreicht. Wir werden sehen, wie es mit Christian Klein und mit SAP weitergeht.