S/4-Migration – Der Weg führt über stillgelegte Altsysteme
Spätestens 2025 ist es so weit. Dann läuft die Wartung für ältere SAP-Releases aus. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten SAP-Bestandskunden auf S/4 Hana umgestiegen sein.
Die entsprechende Ankündigung aus Walldorf kam 2015. Die Zahl derer, welche bereits migriert sind, dürfte auch 2018 noch im einstelligen Prozentbereich liegen. Und entsprechend niedrig dürfte die Zahl derjenigen SAP-Bestandskunden sein, die mit den angebotenen Standard-Konversionswerkzeugen auf SAP S/4 Hana migrieren können. Diese sind zwar hervorragend, können ihre Vorteile allerdings nur so lange ausspielen, wie die Kunden im SAP-Standard geblieben sind.
Angesichts von geschätzten 50.000 Kunden weltweit allein im ERP-Bereich – davon rund 20 Prozent in Deutschland, Österreich und der Schweiz – stellt dieser Befund ein Problem dar.
Denn es gehört zum Allgemeinwissen, dass die große Mehrheit der SAP-Anwender viel Zeit und Geld in die unternehmensspezifische Anpassung ihrer SAP-Systeme gesteckt haben, um auch die letzten Anforderungen in jedem einzelnen Unternehmensbereich zu erfüllen.
Darin spiegelt sich nicht zuletzt die massiv gestiegene Durchdringung der SAP-Lösungen in den Unternehmen wider, insbesondere wenn man die Situation mit der beim letzten großen Releasewechsel von SAP R/2 auf SAP R/3 vergleicht.
Es ist folglich keine Übertreibung, von einer Mammutaufgabe zu sprechen, die in den SAP-ERP-Bestandssystemen enthaltenen Daten in die neue Softwarewelt zu überführen.
Kostenfalle Migration: Fehlende Experten
Im Enterprise-Umfeld ist von einem Aufwand für die Datenmigration von rund 5000 Manntagen auszugehen. Selbst wenn man mit einem Durchschnittswert von 2000 Personentagen pro Projekt rechnet, entstünde bis 2025 ein Kapazitätsbedarf von 20 Millionen Manntagen im DACH-Markt, also rund 3,2 Millionen pro Jahr.
Selbst wenn alle geschätzten 2000 Experten für Datenmigration in den deutschsprachigen Ländern 365 Tage im Jahr arbeiten würden, stünden lediglich Kapazitäten von jährlich 730.000 Manntagen bereit.
Urlaubs- und sonstige Ausfallzeiten mit eingerechnet wären fünf Mal so viele Migrationsexperten nötig wie tatsächlich vorhanden, um die Projekte bis 2025 zu realisieren.
Da das nach Adam Riese unmöglich ist, bleiben nur andere Wege: Altsysteme werden trotz Wartungsende weiterbetrieben und existieren Seite an Seite mit der neuen Softwaregeneration, die ausschließlich mit neuen Daten befüllt wird.
Dies führt unweigerlich zu einem signifikanten Anstieg sowohl bei den Investitions- als auch den operativen Kosten für den Aufbau der neuen SAP-S/4-Hana-Landschaft und den Weiterbetrieb der Bestandssysteme. Nur wenige Unternehmen dürften in der Lage und willens sein, diesen Mehraufwand zu leisten.
Der Weiterbetrieb der aus der Wartung fallenden Systeme dürfte in diesem Szenario auch dann unvermeidbar sein, wenn Teile der Daten bis 2025 in die neue Softwarewelt übernommen würden.
Denn auch im Fall einer teilweisen Migration werden die Daten auf die neuen Strukturen gemappt. Wirtschafts- und Steuerprüfer werden deshalb nicht anerkennen, dass es sich bei den migrierten Daten um das Original handelt. Wer wollte dafür die Verantwortung übernehmen?
Beide Szenarien sind unbefriedigend – nicht nur für diejenigen SAP-Bestandskunden, die das Wartungsende 2025 im Blick haben, sondern auch für diejenigen, die S/4 Hana zur Basis ihrer Digitalisierungsstrategie machen wollen.
Gerade Letztere können und wollen es sich nicht leisten, den eigenen Zeitplan zum Umstieg auf die neue Softwaregeneration aufgrund mangelnder Marktressourcen gefährdet zu sehen.
Um der Kosten- und Compliance-Falle zu entgehen, bleibt nur eine Lösung: Die Daten aus den SAP-Bestandssystemen sind komplett herauszulösen, ohne etwas an ihrer Struktur zu verändern, und revisionssicher auf einer neutralen Plattform abzulegen.
Freilich müssen die Daten, aber auch die unstrukturierten Informationen wie zum Beispiel geschäftliche Dokumente zusammen mit ihrem Geschäftskontext abgespeichert werden, sodass es sinnvoller ist, von Historisierung der Altinformationen zu sprechen statt von ihrer Archivierung.
Daten: Weniger ist mehr
Dieser Ansatz erlaubt zum einen, die Altsysteme danach komplett abzuschalten und dadurch massive Einsparungen bei den Betriebskosten zu erzielen. Das diesbezügliche Einsparpotenzial liegt typischerweise bei 60 bis 80 Prozent gegenüber dem Weiterbetrieb der Altsysteme.
Darüber hinaus aber ermöglicht diese Vorgehensweise Kosten- und Zeitersparnisse bei der Datenmigration. Denn eine solche Plattform erlaubt die gezielte Auswahl derjenigen Daten, die in die neue SAP-Welt übernommen und an deren Strukturen angepasst werden sollen.
Die Erfahrung lehrt, dass sich dadurch bis zu 75 Prozent des Migrationsaufwands und der damit verbundenen Kosten vermeiden lassen. Denn auch bei der teilweisen Datenmigration erweist sich die 80/20-Regel als gültig: Nur ein Fünftel der Datenbestände muss im Durchschnitt in das neue System übernommen werden, die restlichen vier Fünftel bleiben auf der neutralen Plattform.
Wer an einer so großen Reduktion Zweifel hat, muss sich nur einmal vor Augen führen, wie viele Dubletten über die Jahre in den Altsystemen anfallen. Schließlich ist die Zahl der eingesetzten SAP-Systeme und der zugehörigen Datenbanken kontinuierlich gewachsen.
Genau aus diesem Grund gab es in den zurückliegenden Jahren vermehrt Projekte zur Systemkonsolidierung und -zentralisierung. Diese Unternehmen haben die Chance ergriffen, nicht nur ihren Datenbestand durch Löschen der Dubletten zu verkleinern, sondern auch ihre Stammdaten zu bereinigen.
Im Grunde ist der Releasewechsel auf SAP S/4 Hana die ideale Gelegenheit, nur noch möglichst perfekte Stammdaten zu übernehmen. Dabei fällt die Bereinigung umso leichter, je weniger auf die neue Softwaregeneration migriert werden muss.
Effizienz durch stillgelegte Altsysteme
Mit einer Plattform für die Historisierung und Migration von Altdaten und -dokumenten ist genau das möglich. Hinzu kommt: Der Zugriff auf sämtliche historisierten Informationen bleibt uneingeschränkt erhalten.
Das hat zwei entscheidende Vorteile: Daten und Dokumente können in laufende Geschäftsprozesse eingebunden werden, selbst wenn sich deren Migration nicht lohnt. Zum Beispiel können Servicemitarbeiter im Anlagenbau auf historisierte Baupläne oder Wartungsberichte per Tablet zurückgreifen und für ihre aktuelle Arbeit verwenden.
Zum anderen aber haben die Unternehmen volle Rechtssicherheit. Da ja auch die migrierten Informationen auf der Plattform im Ursprungsformat und in der ursprünglichen Struktur revisionssicher vorgehalten werden, können interne und externe Prüfer ihre Echtheit testieren.
Gleichzeitig haben die Anwender die Möglichkeit, mit den migrierten Daten in der Struktur der neuen Softwaregeneration weiterzuarbeiten.
All diese Szenarien stellen an die hier beschriebene Plattform für die Historisierung und Migration von Altdaten und -dokumenten besondere Anforderungen.
So muss die Lösung in der Lage sein, zuverlässig und nachweislich wirklich sämtliche Daten und Dokumente aus den Altsystemen zu extrahieren und in ihrer Struktur unverändert abzulegen.
Gleichzeitig aber sind sie in ein modernes Datenformat zu überführen, was die eventuell erforderliche oder gewünschte Migration in SAP S/4 Hana oder sogar Drittsysteme ermöglicht.
Die Anzeige der historisierten Informationen sollte geräteunabhängig sein, damit Fachanwender, aber auch Mitarbeiter der internen Revision oder externe Prüfer einfach darauf zugreifen können.
Hierfür bietet sich natürlich eine rein Browser-basierende Lösung an, sodass auf keinem Endpunkt neue Software installiert, gewartet und deren Bedienung erlernt werden muss.
Aus Kundensicht ist es natürlich von entscheidender Bedeutung, dass eine solche Lösung sie bei der Entscheidung unterstützt, welche Daten auf die neue Softwaregeneration wie SAP S/4 Hana migriert werden sollen und welche nicht.
Hierfür bieten sich konfigurierbare Tools als Teil der Plattform an, die den historisierten Datenbestand automatisiert zum Beispiel nach Buchungskreisen durchsuchen, die keine Entsprechung mehr in der Realität haben.
Das können unter anderem stillgelegte oder verkaufte Werke und Tochterunternehmen sein. Es ergibt schlicht keinen Sinn, diese Altinformationen zu migrieren.
Hinzu kommt, dass die neuen Softwaregenerationen auf eine neue Generation von Compliance-Anforderungen treffen. Exemplarisch ist hier natürlich die europäische Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) zu nennen. Damit betreten wir in der Tat ein neues Zeitalter.
Galt früher der Grundsatz, lieber alles zu speichern und nur ja nichts zu löschen, und sei es auch nur aus Versehen, müssen heute die Unternehmen über die Fähigkeit verfügen, nicht nur gezielt zu speichern, sondern auch gezielt zu löschen, und zwar auf der Ebene des einzelnen Datensatzes.
Dies gilt freilich nicht nur für die Produktiv-, sondern eben auch für die Altsysteme. Darunter befinden sich allerdings einige, die gar nicht für das Löschen nachgerüstet werden können.
Auch hier kann eine Plattform für die Historisierung und Migration von Altdaten Abhilfe schaffen. Freilich braucht sie dafür umfassende Retention-Management-Funktionalitäten zu Aufbewahrungsfristen, automatischem und manuellem Löschen, aber auch zum Aussetzen des Löschvorgangs etwa für Gerichtsverfahren.
Im angelsächsischen Raum heißt diese Funktionalität Legal Hold. In einem solchen Fall muss man natürlich wissen, welche Daten, zum Beispiel zu einer Person, gesperrt werden müssen.
Mithilfe der Plattform müssen sich also auf Knopfdruck auch alle mit einem bestimmten Datensatz zusammenhängenden Informationen ermitteln lassen, um ganz sicherzugehen, dass wirklich alle infrage kommenden Daten erfasst werden. Dies gilt selbstverständlich ebenso für den umgekehrten Fall der Bitte eines Kunden, alle zu ihm erfassten Daten nach EU-Recht zu löschen.
Zur Rose migriert auf S/4
Bleibt noch die Frage: Gibt es überhaupt eine solche Plattform und Kunden, die damit den Weg zu S/4 beschritten und abgekürzt haben? Europas größte Versandapotheke Zur Rose – in Deutschland ist wahrscheinlich vor allem die Tochter DocMorris bekannt – macht es vor.
Das Unternehmen hat eine zentrale S/4-Lösung implementiert, in die nur die aktuellen Daten übernommen werden sollen. Das Unternehmen rechnet damit, den Datenbestand insgesamt durch Dublettenbereinigung um 30 Prozent zu senken und die Qualität der Stammdaten entsprechend zu steigern.
Zudem erwartet Zur Rose durch die sukzessive Stilllegung sämtlicher Altsysteme jährliche Einsparungen bei den operativen Kosten in sechsstelliger Höhe. Für die Historisierung und Migration der Altinformationen kommt dabei die in zahlreichen nationalen und internationalen Kundenprojekten bewährte Plattform JiVS zum Einsatz.