Aufstieg in der Cloud
Chancen und Fallstricke von „RISE with SAP“
Die Cloud gilt als Herz und Hirn der digitalen Transformation. So die Meinung von SAP. Oder wie der Softwarekonzern es ausdrückt: Wir benötigen „Business-transformation-as-a-service“. Die Antwort der Walldorfer auf diese Herausforderung lautet: „Rise with SAP“.
Was ist „Rise with SAP“?
Mit Rise with SAP will der Softwarekonzern seinen Kunden den Umstieg in die Cloud schmackhaft machen. Dafür bündelt SAP unterschiedliche Leistungen und vertreibt sie im Paket. Neben der hauseigenen S/4-Hana-Cloud als Kern des Angebots umfasst Rise with SAP einen Migrations- und Implementierungsservice, Zugang zur SAP Business Technology Platform (SAP BTP), dem SAP Business Network (einschließlich Ariba) sowie der Business Process Intelligence (SAP BPI). Rise with SAP kann dabei auf der eigenen ERP-Cloud, aber auch auf einem Hyperscaler wie AWS, Microsoft Azure oder der Google Cloud gehostet werden. Das Angebot basiert dabei auf Subskription, also einem Abonnementmodell. Unternehmen jeglicher Art, Branche und Größe sollen davon profitieren.
Abheben ohne Weiteres?
Welche Vorteile bietet solch eine Bündelung der Leistungen? Drei Arten von Vorteilen lassen sich erkennen: vertragliche, operative und unternehmerische. Der offensichtlichste Nutzen ist die vertragliche Einfachheit. Die Unternehmen haben nur einen Vertragspartner, nämlich SAP. Das heißt, sie müssen keine einzelnen Verträge für Hosting, Support, technischen Betrieb oder weitere Service-Lizenzen abschließen. So werden die vertraglichen Strukturen verschlankt. Und im Idealfall lassen sich Kosten einsparen.
Ein Vertragspartner bedeutet einen Ansprechpartner. SAP wird zur zentralen Anlaufstelle für alle Fragen – vom Hosting über den Betrieb bis zum Support. Der Softwarekonzern verspricht dabei eine kontinuierliche, individuelle Begleitung. Das macht den Betrieb der Infrastruktur und Software-Lösungen sicherer. Bei Problemen weiß man – theoretisch –, an wen man sich wenden muss. Das ist wichtig, da die digitale Transformation nicht als einmaliges Projekt, sondern als fortlaufender Prozess zu verstehen ist. Rise with SAP will hierfür den Grundstock bilden.
Und hier kommen wir zum zentralen Vorteil von Rise with SAP laut der unternehmenseigenen Kommunikation: Mit dem Gesamtpaket beschleunigen Unternehmen ihre digitale Transformation.
„As-a-Service“?
Also: Alles ist oder wird gut mit Rise with SAP? Und das zu geringeren Kosten? So einfach ist es leider nicht.
Kunden müssen sich im Klaren sein, dass sie sich auf ein vordefiniertes Betriebsmodell einlassen, das mit individuellen Spezifikationen kollidieren kann. Vor dem Betrieb stellen sich Fragen, die sich Unternehmen stellen sollten: Können andere Projekte auf dem Betriebsmodell laufen? Funktionieren Anwendungen wie die PDF-Generierung mit einem Open-Source-Add-on? Reicht es, wenn wir SAP nur über sFTP erreichen?
Zwar preist SAP sein Produkt als „Business-transformation-as-a-service“ an, allerdings berichten uns Rise-Kunden vom fehlenden „Service“ bei der Implementierung von externen Anwendungen sowie Kundenspezifika. Hier kann die Marketing-Kommunikation der SAP schnell in die Irre führen: Denn große Unternehmen, die Full-Service-Provider gewohnt sind, erwarten mehr Service, als Rise with SAP tatsächlich bietet bislang. Der vermeintliche Gedanke, man spare sich mit „Rise“ die SAP-Basis, geht nur teilweise auf. So erwartet SAP bei den Implementierungen genaue Spezifikationen. Dies erfordert erhebliches Wissen. Ohne eigene oder externe SAP-Basis-Experten ist dies eine große Herausforderung. Für viele Unternehmen dürfte dies in Zeiten des Fachkräftemangels eine hohe Hürde darstellen. Schwer kalkulierbare Kosten oder Anwendungsprobleme können die Folge sein. Was bisher reibungslos lief, kann ins Stocken geraten.
Workload Automation in „Rise with SAP“?
Wie sieht es mit Automatisierungstools aus? Der eingeschränkte Zugriff im SAP-Betrieb erschwert den marktgängigen Tools die Arbeit. Insbesondere dann, wenn End-to-End-Prozesse abgewickelt werden sollen. So muss meist der Managed File Transfer neu aufgesetzt werden. Auch die Anbindung an den Mainframe ist oft nur über Proxys möglich. Und einige Legacy-Schnittstellen sind gar nicht mehr vorhanden. So kann es passieren, dass die Automatisierungstools nicht mehr über bekannte Wege von außen angesteuert werden können. Gerade der Legacy-Bereich erfordert zum Teil viel Kreativität, um eine Lösung zu finden. Dies sollte in den Projekten unbedingt berücksichtigt und eingeplant werden. HONICO BatchMan-Kunden kommen hier sehr komfortabel aus der Situation: Das Add-on war von Anfang an Rise-kompatibel, da es aus den SAP-Systemen heraus agiert.
Drum prüfe, wer sich bindet
SAP lockt derzeit mit attraktiven, skalierbaren Preisen für die Lizenz-Migration auf Rise with SAP. Doch – wie wir wissen – entpuppt sich nicht alles, was als „Willkommensangebot“ beworben wird, als Schnäppchen. Mit der Migration geht normalerweise eine „Contract Conversion“ einher. Unternehmen wechseln vom Eigentum der Assets zu einem Subskriptionsmodell – mit allen Nachteilen. Künftig sind Unternehmen gezwungen, die Updatezyklen mitzumachen. Und sie sind möglichen Preiserhöhungen unterworfen. Hinzu kommt, dass die Kunden auf ein neues, rollenbasiertes Modell der Uservermessung, und damit einhergehend auf eine Verrechnung in FUEs (Full Usage Equivalents), umsteigen.
Der Kunde erhält von SAP keine Unterstützung bei der Definition und Festlegung der neuen Rollen. Für Unternehmen ohne entsprechende Erfahrung ist dies ein nahezu unmögliches Unterfangen. HONICO, seit Jahren in der gesamten SAP-Landschaft tätig, beschäftigt sich derzeit mit ihren Kunden, eine reale Verbrauchsmessung der Berechtigungen zu entwickeln. Interessant wird dann die Frage, ob die SAP wirklich erwartet, für jeden User die Rollen wieder klein zu schneiden, denn dies widerspricht eigentlich dem Zweck einer Rolle als Sammelobjekt. Sollte hier kein Kompromiss entstehen, zahlen Kunden sehr wahrscheinlich Lehrgeld im neuen Lizenzmodell.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Rise mit SAP bietet enorme Möglichkeiten – insbesondere in Bezug auf Skalierbarkeit und sauberen Betrieb. Aber: Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass sie sich langfristig binden. Sie werden in ein Korsett gezwängt. Das minimiert oft Wettbewerbsvorteile und verursacht Kosten an anderer Stelle. Es ist hier vielleicht ein wenig wie bei Goethes Fischerfrau: Halb zog sie ihn, halb sank er hin.