Was ist der Stand bei der S/4-Transformation?


E3: Herr Failer, die Transformation von Legacy-Daten auf SAP S/4 Hana gehört zu Ihrem Kerngeschäft. Wie beschreiben Sie den aktuellen Stand der entsprechenden Projekte im Markt?
Thomas Failer, DMI: Ich schätze, dass es im Markt rund 35.000 ECC-Systeme gibt, die für die Transformation infrage kommen. Für etwa 5000 dieser Systeme ist der Umstieg bereits abgeschlossen. Sicher 20 Prozent oder mehr der anderen 30.000 Systeme befinden sich in den verschiedenen Projektstadien. Insgesamt lassen sich diese Transformationsprojekte in drei große Gruppen einteilen.
E3: Welche wären das?
Failer: Zur ersten Gruppe gehören Kunden, die SAP S/4 Hana bereits erfolgreich eingeführt haben und damit arbeiten. Das betrifft die bereits genannten 5000 Systeme. Allerdings schätzen wir, dass bei dieser Gruppe rund 2000 ECC-6.0-Systeme wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Datenhaltung, aber auch aus geschäftlichen Gründen weiter in Betrieb sind. Damit verbunden sind natürlich Aufwand und Kosten, die sich durch die Abschaltung dieser Systeme einsparen ließen.
E3: Ihr klassisches Geschäft … Wie sieht die zweite Gruppe aus?
Failer: Ich gehe davon aus, dass es mittlerweile eine große Anzahl an SAP-Bestandskunden gibt, die sich von den Argumenten für die SAP-Cloud haben überzeugen lassen. Sie würden gerne von der Entlastung profitieren, wenn SAP die System- und Infrastrukturpflege übernimmt. Sie würden auch gerne auf den SAP-Standard setzen, also der Clean-Core-Strategie der SAP folgen. Allerdings würden sie es vorziehen, diesen Weg in die Cloud in zwei Schritten zu vollziehen. Der erste Schritt wäre der Transfer ihres ECC-6.0-Systems in die SAP-Cloud. Die Transformation auf SAP S/4 Hana würde erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Die SAP hat das verstanden und mit SAP ERP, Private Edition, Transition Option, jüngst ein entsprechendes Angebot unterbreitet, das komplexe Transformationen absichern kann. Auch wir begrüßen das, raten diesen SAP-Bestandskunden allerdings dazu, ihr bestehendes SAP-System von unnötigem Datenballast zu entlasten, bevor sie damit in die SAP-Cloud umziehen.
E3: Da haben Sie recht. Wie würden Sie die dritte Gruppe charakterisieren?
Failer: Das ist wahrscheinlich die größte von allen. Die Unternehmen dieser Gruppe befinden sich bereits in der Transformation auf S/4 Hana. Vielleicht die Hälfte davon arbeitet aktiv an der Migration oder Systemkonsolidierung, die andere durchläuft gerade die verschiedenen Phasen der Vorbereitung sowie Vorprojekte auf SAP ECC 6.0. Zu diesen Vorprojekten gehören unter anderem die Einführung des neuen General Ledger oder des Business-Objekts Partner, das bisherige Objekte wie Kunde oder Lieferant ersetzt, und die Umstellung auf die SAP-Hana-Datenbank.
E3: Sind Vorprojekte nicht ein sinnvoller Zwischenschritt?
Failer: Aus unserer Sicht nicht. Denn mit den Vorprojekten gehen die SAP-Bestandskunden Umwege, anstatt den direkten Weg zu wählen. Die zentralen Fragen in einem Transformationsprojekt bleiben dabei unbeantwortet.
E3: Welche sind das?
Failer: Wie viele Stamm- und Bewegungsdaten werden in SAP S/4 Hana gebraucht? Ist es wirklich nötig, die gesamte Historie mitzuschleppen? Dieser Ballast erschwert die Rückkehr zum Standard, zieht die Projekte in die Länge und verhindert die Einführung neuer und besserer Prozesse. SAP-Bestandskunden, die von Clean Core und den Möglichkeiten der Business Technology Platform profitieren wollen, sind davon besonders betroffen.
E3: Das müssen Sie erklären.
Failer: Nicht mehr existierende Werke, Bauteile, Kunden oder Lieferanten bringen aus den Altsystemen Datenstrukturen mit, die nicht oder nur teilweise zu den neuen und bereinigten Prozessen und Einstellungen in SAP S/4 Hana passen. Nun ist es sicher sinnvoll, einige individuelle Anpassungen und Erweiterungen für unternehmensspezifische Prozesse zu implementieren. Unserer Erfahrung nach benötigt ein SAP-Bestandskunde jedoch im Durchschnitt nur fünf bis maximal zehn Prozent der vorhandenen Bewegungsdaten, rund 20 Prozent der Stammdaten und nur die Hälfte der bisherigen Customizing-Einstellungen wie Organisationseinheiten oder Belegarten etc. im neuen S/4 Hana. Die genannten Vorprojekte erlauben diese Reduktion nicht. Folglich ist der darin anfallende Aufwand an Zeit, Ressourcen und Kosten pure Verschwendung. Mal ganz abgesehen davon, dass zu diesen Vorprojekten wie bei der ersten Gruppe die Stilllegung der Legacy-Systeme gerade nicht gehört.

Thomas Failer, Gründer und Group-CEO, Data Migration International
E3: Wie können Sie diesen Kunden konkret helfen?
Failer: Mit unserem Empty-Shell- und Reduktionsansatz, der Transformation sowie Migration über den Application Layer und die Standardmigrationswerkzeuge wie das SAP Migration Cockpit können wir praktisch aus jedem Projekt ein Greenfield- oder Conversion-Projekt machen. Vorprojekte werden damit überflüssig und die rechtssichere Stilllegung der Legacy-Systeme möglich. Wir optimieren die Datenqualität, eine oder eher die zentrale Voraussetzung zur effektiven Nutzung von KI im Unternehmen. Schließlich richten schlechte Daten im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz eher Schaden an, als Nutzen zu stiften. Außerdem sorgen wir dafür, dass das SAP-S/4-Hana-System dauerhaft schlank bleibt und sich dadurch kostengünstig betreiben lässt. Denn Arbeitsspeicher ist weiterhin teuer. In Zahlen ausgedrückt heißt das: 80 weniger Kosten im Vergleich zum Weiterbetrieb der Legacy-Systeme, Halbierung des Transformationsaufwands und geschätzte 25 Prozent weniger Gesamtbetriebskosten bei der Nutzung von SAP S/4 Hana. Und das alles bei 100 Prozent Rechtssicherheit. Alle diese Vorteile können wir allen drei Gruppen bieten.
E3: Erklären Sie bitte doch noch einmal Ihren Ansatz etwas genauer.
Failer: Grundlage ist die Trennung der Daten- von der Anwendungsebene. Denn beide haben eigene Lebenszyklen. Daten leben länger als die Applikationen, in denen sie erzeugt wurden. Um die Trennung zu ermöglichen, haben wir eine Plattform geschaffen, auf der wir den Lebenszyklus von Legacy-Daten bis zu ihrer rechtssicheren Löschung – teilweise erst nach Jahrzehnten – verwalten können. Auf diese Plattform überspielen wir sämtliche Legacy-Daten. Dort können unsere Kunden ermitteln und entscheiden, welche Daten sie nach SAP S/4 Hana übernehmen wollen, und können diese auf das absolut notwendige Minimum reduzieren. Ein Beispiel für solche Daten sind etwa offene Aufträge. Die Erfahrung lehrt, ich wiederhole mich, dass nur fünf bis zehn Prozent der Bewegungsdaten aus den Legacy-Systemen nach SAP S/4 Hana überspielt werden müssen, während sämtliche Legacy-Daten auf unserer Plattform verbleiben.
E3: Und die Stammdaten?
Failer: Das gilt genauso für die Stammdaten. Im Schnitt müssen unsere Kunden vielleicht noch 20 Prozent auf die aktuelle Softwaregeneration transformieren. Neben der Reduktion ist aber das Thema Qualitätssicherung fast noch wichtiger. Über die Jahre, ja Jahrzehnte sammeln sich zahllose redundante, unvollständige und fehlerhafte Stammdaten an. Doch ihre Übernahme, auch wenn sie reduziert wurden, hat nur Sinn, wenn sie vollständig, bereinigt und korrekt, im Idealfall sogar aus anderen Quellen angereichert sind. Die Transformation auf S/4 Hana über unsere Plattform bietet SAP-Bestandskunden die einmalige Chance, mit qualitativ hochwertigen Daten durchzustarten und das Potenzial von Datenanalysen und KI auszuschöpfen.
E3: Aber das könnte man doch auch mit anderen Werkzeugen tun …
Failer: Aber nicht so schnell, einfach und risikolos. Außerdem brauchen Sie dafür einen Werkzeugkasten unterschiedlicher Hersteller. Das bedeutet mehr Komplexität und in der Folge mehr Aufwand und mögliche Fehlerquellen, gerade wenn die Transformation auf der Tabellenebene stattfindet. Wir haben eine Plattform, auf der SAP-Bestandskunden alle von uns gebotenen Möglichkeiten vom Highspeed-Abzug der Daten aus den Legacy-Systemen über Datenreduktion, Retention Management und Optimierung der Datenqualität bis zu Transformation und Migration über den Application Layer aus einer Hand, aus einem Guss sozusagen erhalten. Statt Tools bekommen sie voll integrierte Funktionalitäten auf einer Plattform.
E3: Daten sind das eine, Geschäftsobjekte etwas anderes, wenn ich Sie richtig verstehe, nicht wahr?
Failer: Ja, aber beide hängen eng miteinander zusammen. Denn ein Geschäftsobjekt ist definiert durch die Daten, die ihm zugeordnet sind. Diese enge Verflechtung hat dramatische Konsequenzen. Illustres Beispiel ist das Geschäftsobjekt Partner in SAP S/4, das die ECC-6.0-Objekte Kunde, Lieferant und Partner ablöst. Die dazu notwendigen Stamm- und Bewegungsdaten in den Legacy-Beständen zu identifizieren und zuverlässig zu migrieren gelingt am einfachsten und ohne Fehler, wenn sie außerhalb der Altsysteme, also auf unserer Plattform, ermittelt, transformiert und migriert werden. Das ist auch die Voraussetzung für die Migration über den Application Layer, ähnlich einer Conversion. Mindestens ebenso wichtig aber ist, dass unser Ansatz die Implementierung von SAP S/4 Hana erleichtert und beschleunigt.
E3: Und wie kommen dann die Daten in das neue System?
Failer: Wir sorgen auf unserer Plattform dafür, alle Daten, die von den Business-Objekten im neuen S/4-System benötigt werden, zur Verfügung zu stellen, zu identifizieren, zu bereinigen, anzureichern und so zu transformieren, dass sie exakt zu den Geschäftsobjekten passen. Diese Daten migrieren wir dann über den Application Layer und das SAP Migration Cockpit nach SAP S/4 Hana. Das ist der schnellste und risikoloseste Weg, den es gibt.
E3: Wie können Sie damit den von Ihnen genannten Gruppen von SAP-Bestandskunden helfen?
Failer: Zunächst einmal: Wir können allen diesen Gruppen mit unserem Ansatz helfen. Wir verschaffen ihnen Unabhängigkeit. Der ersten helfen wir mit der rechtssicheren Stilllegung, sodass sie in der Regel 80 Prozent oder mehr Kosten im Vergleich zum Weiterbetrieb der Altsysteme sparen kann. Das senkt zugleich das Sicherheitsrisiko massiv, weil Altsysteme irgendwann aus der Wartung fallen und für sie keine Sicherheits-Patches mehr zur Verfügung stehen.
E3: Wie soll das der zweiten Gruppe nutzen, die ja gerade ihr ECC-System weiter behalten will?
Failer: Systemstilllegung ist nur eine Funktionalität unserer Plattform für unternehmensweites Informationsmanagement, JiVS IMP. Für die zweite Gruppe halten wir andere Vorzüge bereit. Bevor diese SAP-Bestandskunden ihr ECC-6.0-System in die SAP-Cloud transferieren, können wir den gesamten Datenbestand auf unsere Plattform überspielen, um sie zu bereinigen, vor allem aber um die Menge der Daten auf das nötige Minimum zu reduzieren. Müssen Kunden auf Altdaten zugreifen, können sie das direkt aus ihrem SAP GUI oder über Fiori tun. Alternativ können sie für den Zugriff auf die Altdaten auch die Oberfläche unserer Plattform nutzen. Darüber hinaus sind die Unternehmen auf der Ebene der Daten perfekt auf den späteren und schnelleren sowie einfacheren S/4-Umstieg vorbereitet. Auch das gibt ihnen mehr Entscheidungsfreiheit und damit Unabhängigkeit.
E3: Wie sieht es bei der dritten Gruppe aus?
Failer: Diejenigen, die bereits SAP S/4 Hana eingeführt haben, können mit unserer Plattform ihre Altsysteme stilllegen. Außerdem bleibt ihr neues System schlank. Zudem können wir die Altdaten nachträglich optimieren, damit die SAP-Bestandskunden auch von KI profitieren. Und allen anderen, die noch in der Vorbereitung sind, können wir die Vorprojekte ersparen und ihnen die Transformation und Migration in nur einem Schritt bei viel geringerem Aufwand, auch finanziell, ermöglichen. Gleichzeitig erhalten sie 100 Prozent Rechtssicherheit, Retention Management und IT-Sicherheit dazu. Das bedeutet weniger Kosten, weniger Risiken, mehr Geschwindigkeit und vor allem mehr Unabhängigkeit von Altlasten.
E3: Herr Failer, wir danken für das Gespräch.
