SAP-Lizenzmodelle: Komplexität und Chancen


Mit der Einführung der Cloud-Lösungen verfolgte SAP einen anderen Ansatz: Hier kam das FUE-Modell (Full User Equivalents) zum Einsatz. Statt Einzelpersonen oder Rollen direkt zu lizenzieren, wurde ein konsolidiertes, rollenbasiertes Nutzungsmodell angewendet. Jede Benutzerrolle (z. B. Mitarbeiter, Power User, Self-Service-Nutzer) wurde mit einem bestimmten FUE-Faktor gewichtet. Die Summe dieser Faktoren ergab den Gesamt-FUE-Wert, auf dessen Basis die Subskriptionsgebühr berechnet wurde.
Dieser Ansatz war flexibel und skalierbar, erforderte jedoch ein genaues Verständnis der Benutzerrollen und -szenarien im Unternehmen. Gleichzeitig verschob sich der Fokus von Eigentum und Installation hin zur laufenden Nutzung und Innovation im Abo-Modell.
Mit der zunehmenden Verlagerung in die Cloud hat auch SAP ihre Lizenzpolitik in den vergangenen Jahren und Monaten mehrmals überarbeitet. Insbesondere eröffneten sich im Rahmen der neuen Modelle für Bestandskunden (Rise with SAP) sowie Neukunden (Grow with SAP) zahlreiche Möglichkeiten für Unternehmen, gleichzeitig aber auch neue Herausforderungen. Wer die Potenziale der Modelle voll ausschöpfen möchte, muss die unterschiedlichen Lizenzmodelle und Metriken verstehen – und die Risiken aktiv steuern.
Informatics unterstützt Unternehmen dabei, diese komplexen Lizenzmodelle transparent zu machen und optimal zu nutzen.
Zwei Welten: Rise vs. Grow
SAP verfolgt im Cloud-Geschäft aktuell zwei strategische Pfade: Grow with SAP und Rise with SAP. Beide adressieren unterschiedliche Kundengruppen und Ausgangssituationen – zielen jedoch auf dasselbe Ziel: die Transformation in ein standardisiertes, zukunftsfähiges Cloud-ERP.
Grow with SAP richtet sich an Unternehmen, die neu in die SAP-Welt einsteigen oder ihre Geschäftsprozesse möglichst nah am SAP-Standard ausrichten wollen. Grundlage ist die S/4 Hana Public Cloud, die auf vordefinierten Best Practices, schneller Implementierung und automatisierten Updates basiert. Das Modell ist klar strukturiert, rollenbasiert lizenziert und auf Skalierbarkeit und Effizienz ausgelegt.
Rise with SAP hingegen ist für Unternehmen konzipiert, die von bestehenden SAP-Installationen aus migrieren und dabei komplexe oder individuell angepasste Prozesse in die Cloud überführen müssen. Hier kommt die S/4 Hana Private Cloud Edition zum Einsatz, die mehr technische und vertragliche Flexibilität bietet und häufig in hybriden Modellen realisiert wird. SAP positioniert damit Rise klar als Transformationspfad, um auch komplexe Szenarien cloudfähig zu machen – während Grow die langfristig angestrebte Zielarchitektur darstellt. Schon heute zeichnet sich ab: Die Public Cloud ist das strategische Endziel, Rise with SAP der notwendige Zwischenschritt, wo die Standardlogik der Public Cloud (noch) nicht ausreicht.

Business Suite – neu gedacht
Ursprünglich stand die SAP Business Suite für das klassische On-premises-ERP rund um SAP ERP 6.0 und ergänzende Module wie CRM oder SCM. Heute versteht SAP darunter ein modulares, cloudbasiertes Lösungsportfolio, das zentrale Geschäftsbereiche wie Finanzen, Supply Chain, HR, Beschaffung und Customer Experience integriert abbildet.
Im Zentrum steht immer die SAP S/4 Hana Cloud, ergänzt durch Lösungen wie SuccessFactors, Ariba, Concur sowie die SAP Business Technology Platform (BTP) als technologische Grundlage.
Anstelle eines monolithischen ERP-Systems verfolgt SAP mit der neu gedachten Business Suite somit ein offenes, erweiterbares und KI-gestütztes Cloud-Ökosystem, das auf Standardisierung, Skalierbarkeit und kontinuierliche Innovation ausgerichtet ist. Mit der aktuellen Einführung der neuen SAP Business Suite Packages wurde das Lizenzportfolio der SAP Public Cloud weiterentwickelt und stärker an den Bedürfnissen der Fachbereiche – wie Finance, Supply Chain oder HR – ausgerichtet. Die bestehende Lizenzmetrik Full User Equivalent wurde dabei durch ein einfacheres „Per user per month“-Modell ersetzt. Kunden erwerben nun klar definierte Einstiegspakete mit modular erweiterbaren Add-ons, zugeschnitten auf ihre typischen Nutzungsszenarien.
Das verschachtelte Lizenzmodell
Ein wesentliches Merkmal der neuen Lizenzstruktur ist das sogenannte „Nested“ Model. Höherwertige Lizenzen beinhalten automatisch die Funktionen der darunterliegenden Ebenen. So umfasst beispielsweise ein „Finance Premium“-Paket nicht nur Basisfunktionen wie Cash Management oder Multibank Connectivity, sondern auch erweiterte Tools wie Subscrip-tion Billing oder SAP Ariba Central Invoice Management. Im Bereich „Supply Chain“ wiederum werden Funktionen wie Ad-vanced ATP, PLM-Integration oder Nachhaltigkeitslösungen gestaffelt auf Basis der gewählten Paketstufe angeboten.
Anforderung: neue Lizenztypen
SAP definiert heute klar abgegrenzte Benutzergruppen: etwa sogenannte Operational User, die operative Aufgaben wie Bestell- und Serviceprozesse ausführen, oder Self-Service User mit eingeschränkten Rechten für Funktionen wie Zeiterfassung oder Bestellanforderungen. Developer User verfügen über umfassenden Zugang zu Entwicklungs- und Anpassungsfunktionen, während Combo User sowohl Finanz- als auch Supply-Chain-Funktionen kombinieren. Parallel dazu hat SAP neue Mindestnutzermengen eingeführt. Während im bisherigen FUE-Modell der Public Cloud noch 15 Full User Equivalents ausreichten, erfordert das neue Lizenzmodell bei Nutzung kombinierter Basispakete nun mindestens 25 Nutzer. Gerade für kleinere Organisationen kann dies zu Lizenzüberhängen und damit zu erhöhten Einstiegshürden führen.

Chance: Modulare Lizenzmodelle
Die modulare Lizenzstruktur von SAP bietet Unternehmen mehr Flexibilität: Lizenzen lassen sich bedarfsgerecht anpassen, Innovationen wie KI oder Nachhaltigkeits-tools integrieren und die Betriebskosten werden besser planbar. Diese Offenheit bringt jedoch auch Risiken mit sich. Nutzerrollen aus der On-premises-Welt lassen sich nicht immer direkt übertragen. Häufig kommt es zu Überlizenzierungen, wenn Module zwar aktiviert, aber kaum genutzt werden. Die Vielzahl möglicher Pakete erschwert den Überblick und Änderungen an SAP-Metriken können unerwartete Zusatzkosten verursachen.
Ein frühzeitiger Abgleich zwischen Anforderungen und Lizenzmodell ist essenziell. Transparenz über vorhandene Lizenzen, regelmäßige Optimierung der Nutzerrollen und vertragliche Erweiterungsoptionen helfen, Kosten zu steuern. Unterstützung durch erfahrene Partner kann zusätzlich dabei helfen, die passende Lizenzstrategie zu entwickeln.
Fazit
Das neue SAP-Lizenzmodell bietet eine strukturierte, aber auch herausfordernde Grundlage für die digitale Transformation in Unternehmen. Wer sich frühzeitig mit den Lizenzmodellen, Nutzerrollen und Paketen auseinandersetzt, kann nicht nur die technologischen, sondern auch die wirtschaftlichen Vorteile der SAP-Cloud-ERP-Welt realisieren. Durch Kombination von Modularität, Transparenz und Innovation wird die SAP Business Suite zu einem leistungsfähigen Werkzeug – sofern Unternehmen die Komplexität beherrschen.
