Software-Orchestrierung
Bereits vor vielen Jahren sprach der damalige DSAG-Chef Alfons Wahlers von einer notwendigen Orchestrierung der SAP-eigenen und Drittsoftware (DSAG-Jahreskongress 2005 in Bremen).
Bis heute scheinen viele dieser Baustellen nicht gelöst. Im Infrastrukturbereich bemühen sich einige IT-Anbieter inklusive SAP um eine einheitliche Sichtweise und ein konsolidiertes Management.
Betriebswirtschaftlich und für die unternehmerische Aufbau- und Ablauforganisation gibt es aber kaum Experten, die die zahlreichen Solokonzerte unter Kontrolle bringen und harmonisieren.
Theobald Software ist einer der wenigen Anbieter und führend bei der Orchestrierung im SAP-Umfeld. Was ist die Herausforderung bei der Integration von SAP-Applikationen mit anderer Software?
„Die Herausforderungen lassen sich im Wesentlichen in zwei Bereiche aufteilen: Technik und Business“
erklärt Firmengründer Patrick Theobald zu Beginn des E-3 Gesprächs.
„Bei der Technik ist es so, dass SAP nach wie vor technisch kompliziert zu integrieren ist. Selbst die Nutzung offener Standards wie Webservices, seit etwa 2005, als auch OData mit Gateway – zehn Jahre später, um 2015 – hat daran nichts geändert, weil sie nur auf Bestehendes aufgepfropft wurden.
Die Nutzung offener Standards ist ein Feigenblatt, das es nicht schafft, historisch gewachsene Komplexität wegzukapseln. Eher im Gegenteil.“
Viele SAP-Bestandskunden haben eine lange, erfolgreiche SAP-Historie, die aber auch viele Altlasten mit sich bringt. SAP selbst bemüht sich immer wieder um Konsolidierung.
Die Komplexität der Integration auf der Business-Seite ergibt sich aus der Historie und bringt SAP von Haus aus mit sich. Ein klares, transparentes Konzept für die Orchestrierung scheint es aber noch nicht zu geben, und so meint auch Patrick Theobald:
„Möglicherweise ist strategisch eine echt einfache Integration auch gar nicht erwünscht.“
Kein Solokonzert
Auf der Homepage von Theobald Software ist zu lesen, dass SAP kein Solokonzert bleiben kann. Und damit stellt sich die Frage: Wer ist der Dirigent, was ist das führende System?
„Also der Dirigent ist im Idealfall natürlich der Architekt, der die Orchestrierung aufbaut. Ihn muss man dazu befähigen, dass er überhaupt etwas dirigieren kann“
beschreibt Stefan Reuss die Situation bei vielen IT-Anwendern.
Welches System dann am Ende die Führung übernimmt, bestimmt der Business Case. Reuss gibt im E-3 Gespräch ein Beispiel:
„Ein Prozess könnte zum Beispiel im SAP beginnen und dann an ein Subsystem abgegeben werden, z. B. ein Angebot, das noch mit Daten außerhalb des SAP angereichert wird, bevor es an den Kunden versendet wird.
Ebenso einfach ist die Gegenrichtung denkbar. Die Neuanlage von Stammdaten wird erstmal vorbereitet, z. B. müssen mehrere Abteilungen Attribute ergänzen.“
Für die Vollständigkeit und Daten-Governance ein sehr wichtiger Punkt: Erst wenn die Daten überhaupt anlagefähig sind, wird es in Gänze ans SAP übergeben und ab dem Zeitpunkt dann dort führend behandelt.
„Gerade Stammdatenanlage erfordert viel Agilität und Abstimmungsbedarf“
betont Stefan Reuss und ergänzt:
„Das klappt zum Beispiel mit einem SharePoint-Workflow besser und flexibler als direkt in SAP. Am Ende muss es aber natürlich im SAP landen.“
Das neue Best-of-Breed
Ein reibungsloser Datenaustausch und perfekte App-Kommunikation könnten den Wunsch nach Best-of-Breed aufkommen lassen. Ist das ein Ziel von Theobald Software? Patrick Theobald:
„Best-of-Breed klingt immer auch ein bisschen danach, dass man sich nicht für eine Technik entscheiden möchte. Aber im Prinzip ist es das, ja. Wir geben die Entscheidung über die Komponenten an die Entscheider zurück und lassen nicht mehr externe Zwänge die Oberhand gewinnen, wie technische Restriktionen.“
Orchestrierung ist somit eine neue Freiheit für die Community.
„Erfolgreiche digitale Unternehmen nutzen Erkenntnisse aus Daten für die Bereitstellung personalisierter Mehrwertdienste, um das Kundenerlebnis zu verbessern, neue Geschäftschancen zu erschließen und die allgemeinen Betriebskosten zu senken“
sagte Mitte vergangenen Jahres Laura DuBois, Group Vice President, Enterprise Storage, Servers and Infrastructure Software bei IDC.
„Hybrid- und Multi-Cloud-Lösungen werden zum neuen Standard für Unternehmen, die das Potenzial der Daten ausschöpfen wollen. Aber isolierte Ansätze schränken die Effektivität ein und verlangsamen die digitale Transformation.
Die Lösungen müssen Funktionen für strukturierte wie unstrukturierte Daten on-premise und in der Cloud bieten. Sie müssen Datenschutz und -sicherheit, Compliance, Integration, Orchestrierung und Datenstandortoptimierung abdecken.“
Bei Theobald Software geht der Orchestrierungsgedanke über die Infrastruktur-Herausforderungen eines Cloud und Mobile Computing hinaus. Aus Sicht der SAP kann man argumentieren, dass es für die Orchestrierung bereits NetWeaver PI gibt. Wozu noch die Services von Theobald Software?
„PI funktioniert nach dem klassischen Prinzip von SAP“
weiß Peter Wohlfarth aus seiner beruflichen Praxis und erklärt:
„Mit sehr hohem Beratungsaufwand eine Lösung zur Verfügung zu stellen, mit der man theoretisch alles machen kann. Die Theorie ist aber weit weg von praktischen Problemen. Unser USP war schon immer Pragmatismus und Agilität. PI ist das Gegenteil von beidem.“
Und natürlich versucht SAP auch den SolMan als Orchestrierungswerkzeug zu verkaufen. Nach Meinung von SAP ist der SolMan die einzige integrierte, durchgehende Orchestrierungsplattform der Branche, die den kompletten Lebenszyklus einer Anwendung abbildet und dabei für eine bessere Qualität der betrieblichen Abläufe sowie geringere Kosten sorgt.
Die leidgeprüfte SAP-Community kennt aber die Lösungsansätze aus Walldorf. Ein Klassiker für die gewünschte Orchestrierung wider alle Solokonzerte war Duet.
Damit Microsoft Office und SAP ERP/ECC 6.0 kein Solokonzert bleiben, hat es vor vielen Jahren die Microsoft/SAP-Initiative Duet gegeben – mittlerweile wieder abgekündigt. Warum?
„Duet ist mit mehreren Versuchen ein Paradebeispiel, wie es nicht geht. Technisch hat man versucht, alle Probleme dieser Welt gleichzeitig zu lösen; aber nur ein bisschen“
kritisiert Peter Wohlfarth im Sinne vieler leidgeprüfter Duet-Anwender. Er kennt die schmerzliche Historie:
„Und das auch noch in einem Umfeld, das von Beginn an geprägt war von politischen Spannungen zwischen den Akteuren, die sich gegenseitig nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen und sich auch nicht trauen.
Der Kundennutzen wurde zerrieben. Ein solches Produkt kann nur von einer Firma kommen, die agil und politisch unangreifbar ist. Microsoft und SAP sollten sich lieber auf ihre Kernthemen konzentrieren.“
Letztendlich waren sich viele Experten einig, dass Duet ein Ansinnen von Ex-SAP-Technikvorstand Shai Agassi war, um allen Microsoft-Office-Anwendern auch noch SAP-Lizenzen verkaufen zu können, denn Duet musste immer für alle Anwender einer SAP-Instanz lizenziert werden und nicht nur für die MS-Office-Nutzer.
Welche Bedeutung hat heute die Integration von Microsoft Office mit SAP ERP und S/4? Dazu antwortet Stefan Reuss im E-3 Gespräch:
„Die Bedeutung ist deshalb sehr hoch, weil ein durchschnittlicher Information Worker sehr viel Zeit vor Excel, Outlook und PowerPoint verbringt. Informationen, die er für seine Arbeit benötigt, liegen aber oft im SAP und müssen dann manuell von der einen in die andere Welt übertragen werden.
Dasselbe gilt für den umgekehrten Weg. Beide Welten gehen allerdings nativ ganz besonders schlecht zusammen. Technisch ist die Integration tricky und aufwändig, wenn man sie falsch angeht.“
Aber auch von SAP zu SAP geht es nicht immer problemlos, siehe Ariba, Concur, SuccessFactors etc. Sind diese SAP’schen Solokonzerte auch eine Herausforderung für Theobald Software?
„Witzigerweise sind Kunden, die sich im Wesentlichen nur im SAP-Universum bewegen, auch eine interessante Zielgruppe für uns“
bestätigt Peter Wohlfarth. Ein typischer Use Case ist wieder im Analysebereich zu finden. Beispielsweise bei Kunden, die Hana nicht nur als SAP-Unterbau, sondern auch als ganz normales Data Warehouse nutzen wollen.
„Das klappt mit unseren Produkten eleganter und schneller als mit SAP-Bordmitteln“
erklärt Wohlfarth stolz.
S/4- & SCP-Orchestrierung
Wie sieht die Herausforderung Orchestrierung in einer zukünftigen S/4-Landschaft mit einer SAP Cloud Platform aus? Welche Herausforderungen kommen hier auf die SAP-Bestandskunden zu? Welche S/4- und SCP-Strategie gibt es bei Theobald Software?
„Unserer Erfahrung nach sind die Kunden sehr zögerlich, wenn es um SCP geht. Die Entwicklung in diese Richtung wird unserer Einschätzung nach sehr langsam sein und recht zäh vonstattengehen“
erklärt Patrick Theobald den Trend der SAP-Community.
„Wir positionieren uns traditionell auch in diesem Umfeld als Schnittstellenhersteller mit den bewährten Konzepten, um Agilität und Performance zurückzubringen, wo sie von der Strategie der großen Player – natürlich insbesondere SAP – zerrieben wird.
Große Umwälzungen in der Basis-Plattform haben sich in der Vergangenheit immer als große Chance für uns erwiesen. Gerade wenn die Großen noch nicht Feature-complete oder instabil sind, suchen die Kunden nach Abhilfe.
Darüber hinaus veranlassen solche tektonischen Verschiebungen die Kunden auch dazu, generell ihre eigene Strategie und Sichtweise zu hinterfragen. Der Zukauf von BusinessObjects beispielsweise war ein großes Geschenk für unser Geschäft, weil es am Anfang an allen Ecken gekracht hat und sich die Leute nach Alternativen umgeschaut haben.
Das Gleiche gilt für Duet. Die Marketingmaschinerie von Duet hat uns in die Hände gespielt, weil wir am Ende das liefern konnten, was Duet vollmundig versprochen hat. Wir gehen davon aus, dass es sich mit SCP genauso verhält.“
Viele Softwareanbieter im SAP-Umfeld haben bereits SAP-Schnittstellen entwickelt.
„Grundsätzlich muss man darauf hinweisen, dass selbst andere Softwarehersteller sehr häufig Theobald-Technologie unter der Haube verbaut haben, um ihre eigenen Schnittstellen zu realisieren“
beschreibt Stefan Reuss den aktuellen IT-Markt und er präzisiert:
„So sind diese Softwarehersteller unsere Kunden und Konkurrenz zugleich. Das gilt im Übrigen auch für so große Hersteller wie SAP und Microsoft selbst – beide setzen unsere Technik in ihren Produkten ein.
Unser USP ist aber ein hundertprozentiger Fokus auf das Schnittstellenthema. Es ist eben kein Beiwerk oder ein Enabler für ein anderes Produkt, sondern es ist unsere Existenzberechtigung.
Daraus ergibt sich ein ganz anderer Anspruch an Qualität, Stabilität, und vor allem auch im Servicebereich – sei es nun Consulting oder Support – haben wir so ganz andere Möglichkeiten. Die Materie ist nämlich zu anspruchsvoll, um sie nebenher zu erledigen.“
Digitale Transformation
Ein wesentlicher Treiber für Orchestrierung und die Vermeidung von Solokonzerten ist die allgegenwärtige digitale Transformation. Hierbei ist sowohl die Technik an vielen IT-Schnittstellen gefordert als auch das Business bei der Adaptierung der Geschäftsprozesse.
Die digitale Transformation fordert zwingend die Kommunikation zwischen allen Datensilos und Apps. Für welche Anwendungen kann Theobald Software hier IT-Brücken schlagen?
„Traditionell kommen wir aus der Microsoft-Welt. Das war auch über Jahre hinweg unsere Hauptzielgruppe: also SAP und alles von Microsoft. Mit dem Know-how ist es aber dann natürlich naheliegend, über die Microsoft-Welt hinauszugehen“
erklärt Patrick Theobald seinen Weg von Solokonzerten zur Orchestrierung und ergänzt, wie es weitergeht:
„Was Datenintegration angeht, unterstützen wir auch alle gängigen BI-Anbieter wie Tableau, Oracle als Data Warehouse, QlikView, Alteryx etc.“
Die Zukunft erscheint sehr arbeitsreich, denn Solokonzerte gibt es immer noch, so erklärt Theobald im E-3 Gespräch:
„Bei Prozessintegration ist gerade der größte Hype die Verbindung von SAP zu cloudbasierten Diensten wie der Nintex Cloud oder IFTTT – If this then that.
Ist die Brücke in die Cloud erst einmal geschlagen, lassen sich auch Dinge wie ein Bot integrieren, der zum Beispiel den Stand eine Lieferung direkt an den Kunden beauskunftet.
Dreht man diese Spirale nochmal eine Umdrehung weiter, landet man schnell bei Sprachdiensten für Siri und Alexa, die direkt ins SAP durchgreifen.“
Offensichtlich ist die digitale Transformation von Solokonzerten zur Orchestrierung voll im Gang.