Information und Bildungsarbeit von und für die SAP-Community

Clean-Core-Strategie für Öl

Die wichtigsten Industrien setzen seit Jahrzehnten auf SAP und haben hier Know-how und Expertise aufgebaut sowie viel Eigenentwicklung betrieben. Schon aus wirtschaftlichen Überlegungen hat es für diese Adressen keinen Sinn, von SAP Abstand zu nehmen.
E3-Magazin
17. Juni 2024
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Mit Rolf Adam von Implico führte das E3-Magazin ein Interview über industrielle und technische Trends in der SAP-Community, Schwerpunkt des Gesprächs sind die Öl- und Gasindustrie sowie SAP Rise und BTP.

E3: Die SAP-Welt ist im fortlaufenden Umbruch, SAP-Chef Christian Klein reorganisiert sein Unternehmen, die S/4-Conversion stottert und laut Anwenderverein DSAG schrumpft die Relevanz von SAP. Was bedeutet diese Entwicklung für eine SAP-Industrielösung wie Oil und Gas?

Rolf Adam, Implico: Für die Öl- und Gasindustrie, in der wir seit fast vierzig Jahren zu Hause sind, kann ich eine Abkehr von SAP nicht beobachten. Im Gegenteil, aufgrund der Komplexität und Größe der Öl- und Gas­unternehmen gibt es für die heutigen SAP-Nutzer keine Alternative. Der SAP-Ansatz Clean Core mit S/4 Hana und die damit einhergehende Zukunftssicherheit kommen sehr gut bei einer Industrie an, die tagtäglich ihre Relevanz in der Zukunft rechtfertigen muss. Man sucht Lösungen, welche die Transformation der eigenen Industrie von konventionellen Energieträgern hin zu Erneuerbaren wie etwa SAF, Sustainable Aviation Fuel, unterstützen. Mit Blick auf die IT bedeutet dieser Wandel, dass zukunftsfähige Standardlösungen komplexe Eigenentwicklungen ablösen müssen. Genau hierin liegt die Stärke von SAP, unterstützt durch Implico in unseren Segmenten.

E3: Implico hat eine Softwarelösung, die auf die Industrielösung Oil und Gas aufsetzt und damit auf S/4 Hana. Sind Sie als SAP-Partner mit der Qualität des SAP-Angebots zufrieden?

Rolf Adam, Implico: Die Zukunft unserer Firma hängt an dem Erfolg von S/4 Hana und der Industrie­lösung IS Oil. Wir sind im Tagesgeschäft und insbesondere bei der langfristigen Produkt-Roadmap eng mit der SAP abgestimmt. Dank SAP sind wir mit unseren Industrielösungen SDM und RFNO marktführend und setzen den Industriestandard im Downstream-Geschäft. Von dieser engen technologischen und vertrieblichen Abstimmung profitieren unsere Kunden ebenso wie wir selbst.

E3: Wie sehen Sie die Partnerbetreuung durch SAP? Macht SAP genug für die Partner und letztendlich für die SAP-Bestandskunden?

Adam: Wir arbeiten sehr eng mit der SAP-Produkt- und -Partnerorganisation zusammen, um größtmöglichen Nutzen für unsere Kunden zu gewährleisten. Über alle Ebenen hinweg ist die Beziehung profund. Natürlich vollzieht sich auf beiden Seiten immer wieder ein organisatorischer Wechsel. Aber wir haben über die Jahre hinweg eine solide Beziehung aufgebaut, die auch Herausforderungen wie die jüngsten personellen Veränderungen gut überstehen lässt.

E3: Und wie entwickelt sich der SAP-Markt?

Adam: Wir haben gemeinsam mit der SAP gerade in den vergangenen zwölf Monaten die Präsenz im Markt massiv ausgebaut. Wir arbeiten an der Realisierung großer Projekte auf globaler Ebene zusammen, nicht nur im Oil- und Gas-Sektor, sondern auch im Bereich erneuerbarer Energieträger. Ein gemeinsames Projekt zum Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes für einen Kunden setzen wir gerade mit der SAP in Kalifornien um bzw. arbeiten daran. Für ein mittelständisches Unternehmen wie unseres ist eine solche Beziehung mit einem globalen Marktführer wie der SAP durch nichts zu überbieten.

E3: Viele europäische SAP-Bestandskunden meiden den Weg in die Cloud nicht nur aus technischen Gründen, sondern auch aufgrund von lizenzrechtlichen Überlegungen. Betrifft das Thema Cloud-Lizenzen, also Full Usage Equivalent, auch Ihr Geschäft?

Adam: Als Solution Extension Partner wird die Public Cloud für uns und unsere Kunden erst dann ein Thema, wenn SAP entscheidet, die für uns relevante Industrielösung IS Oil und Gas in die Cloud zu transferieren. Derzeit ist in unserer Branche noch die Private Cloud der präferierte Weg. Hier haben wir eine Subscription für den vollen Funktionsumfang und rechnen mit unseren Kunden nach Blocks ab. Darüber hinaus bieten wir unsere Add-on-Produkte als Cloud-Modelle an, z. B. auf der BTP.

E3: Ihre Lösung erscheint komplex, weil der Unterbau mit Hana, S/4, S4SCSD und IS-Oil-Downstream umfangreich erscheint. Geht es nicht einfacher?

Adam: Im Grunde ist es recht einfach und sehr schlüssig. Sie müssen sich das wie bei einem Hausbau vorstellen. Das Fundament bildet SAP S/4 Hana mit seiner tief technischen und hoch professionellen Basis, um die Prozesse des Kunden abzubilden und diese nutzbar zu machen. Die Fassade bildet die entsprechende Branchenlösung, hier IS Oil, als Framework. Auf diesem Framework setzen dann unsere spezifischen Branchen- und Automatisierungslösungen, wie SAP SDM und RFNO, auf. Sie sind der Kern bzw. das Innenleben des Gebäudes und stellen den Wert für das Geschäft unserer Kunden dar. Unser Ziel ist es dabei, die Standardprozesse durch unsere Module funktional zu erweitern und den Automatisierungsgrad für den Benutzer erheblich zu vereinfachen. Nehmen Sie hier das Beispiel transaktionaler Buchungen, welche klassisch immer noch per Hand erfolgen und die mittels unserer Module SDM und RFNO voll automatisiert ablaufen.

E3: SAP hat die Industrielösung Healthcare abgekündigt. Wird mit Oil und Gas Ähnliches passieren?

Adam: Wir haben keine Signale seitens der SAP dazu erhalten. Außerdem sind die beiden Lösungen schon aufgrund der stark unterschiedlich strukturierten Märkte nicht vergleichbar. Es ist zwar richtig, dass die Nutzergruppe der IS Oil und Gas immer kleiner geworden ist. Aber IS Oil und Gas adressiert sehr große, weltweit operierende Unternehmen. Deren Bedarf an SAP-Lösungen, die sie bei der Automatisierung und Digitalisierung der Prozesse unterstützen, ist sehr hoch. Außerdem sehen SAP und wir die Optimierung von Prozessen in der Öl- und Gasindustrie, vor allem die Transformation hin zu alternativen Brennstoffen, als zukunftsweisend. Dies wird unterstrichen durch die Erweiterung dieses Industrie-Frameworks durch die SAP auf Renewables, Utilities und Chemicals unter der erweiterten Bezeichnung IS Oil, Gas and Energy.

E3: Sind SAP Rise und Grow eine Unterstützung für Ihre Softwarelösung oder sind die SAP’schen Industrielösungen von diesen Programmen ausgenommen?

Adam: Im Rahmen der Business Transformation unserer Kunden in die Cloud konzentrieren wir uns auf die Prozessberatung und die Implementierung unserer dafür speziell entwickelten Module. Unsere aktuellen Offerings im Bereich SAP Quality Assurance zahlen genau auf diese Herangehensweise ein, indem wir den verschiedenen Akteuren bei dem Transformationsprozess individuell auf sie abgestimmte Unterstützung anbieten. Als SAP-Solution-Partner unterstützen wir dabei die von SAP zur Verfügung gestellten Methodiken wie Activate und Programme wie Rise oder auch Elemente daraus, soweit diese im Projekt vom und für den Kunden anwendbar sind. Somit stellt das o. g. Quality-Assurance-Programm eine Rise-­konforme Ausgestaltung und Qualitätssicherung bei Implementierungsprojekten dar. Richtig ist aber auch, dass die bisher von SAP in der Cloud zur Verfügung gestellten vorgefertigten Prozesse für die Öl- und Gas­industrie bislang kaum nutzbar sind und daher Rise noch große Lücken bei der Nutzung in unserer Branche aufweist.

E3: Zukünftig soll es zwei SAP-Systeme geben: Hana und S/4 mit einem „Frozen Core“ und die SAP Business Technology Platform als „Spielwiese“ für Modifikation und Add-ons. Ist die BTP ein Thema für Implico?

Adam: BTP ist ein wichtiges Thema für uns. Schließlich sind aufgrund der Clean-Core-­Strategie von SAP sowohl eine zukunftsfähige Produktentwicklung als auch kunden­individuelle Anpassungen nur auf der BTP möglich. Wir sind deswegen mit Kunden-Add-ons bereits auf der BTP präsent, beispielsweise mit Extensions für den Einsatz unseres SDM-Moduls in den USA. Bei unserem Kunden Holy Frontieres Sinclair erfolgt die Massendatenverarbeitung in der BTP. Millionen von Datensätzen von den Tankstellen, aus denen dann die Kreditkarten- und Pächterabrechnungen resultieren, verarbeiten wir in der BTP, weil es wesentlich skalierbarer ist und ansonsten zulasten der Performance gehen würde. Die fertigen ­RFNO-Belege spielen wir dann wieder zurück ins Core-System.

E3: Wie würden Sie einem Kunden die BTP erklären?

Adam: Die BTP würde ich als cloudbasiertes SAP-nahes Framework bezeichnen, das technisch auf den Cloud-Locations der Hyperscaler wie AWS, Microsoft Azure oder Google Cloud oder auf der SAP-eigenen Cloud läuft. Sie macht Cloud-Technologien im Kontext SAP einfach nutzbar. Als externes Add-on ist sie tief in SAP integriert. Statt kundenspezifische Lösungen in der Core-Umgebung zu programmieren, bietet sie Entwicklern die Möglichkeit, diese in der Cloud-Umgebung zu entwickeln und damit die Potenziale der Cloud für SAP-Produkte zu nutzen. Kurz gesagt: Die BTP macht SAP-Funktionalitäten mit Cloud-Funktionalitäten kombinierbar. Sie stellt vor allem Kunden technologische Möglichkeiten zur Verfügung, die sie aus Kosten- und Know-how-Gründen sicherlich nicht in ihrer On-prem-Umgebung betreiben oder aufsetzen könnten. Wenn ich zukunftsfähig und kompatibel mit der SAP-Clean-Core-­Strategie sein möchte, muss ich meine bestehenden Lösungen, die heute im Core customized sind, außerhalb des Cores positionieren. Und bei SAP ist die BTP der Weg dazu. Darüber hinaus stellt die BTP KI-Technologien bereit, die von den Partnern bei der Entwicklung von Add-ons genutzt werden können und somit unmittelbaren Nutzen für die Kunden erzielen.

E3: Haben Sie Pläne auf und für die BTP?

Adam: Wir sind, wie das genannte Beispiel der Massendatenverarbeitung für einen Kunden zeigt, mit kundenspezifischen Lösungen für unsere beiden Module SDM und RFNO gestartet. Künftig werden wir die BTP-Plattform auch für unsere Produktentwicklung einsetzen, indem wir Zusatzfunktionalitäten, die unter einem eigenen Business-Modell liegen, als BTP-Add-ons bereitstellen. Aktuell arbeiten wir am Add TCO, das eine Automatisierung und Optimierung der Logistiksteuerung im Rahmen des SDM-Moduls bietet. Für uns und für unsere Kunden liegt der große Vorteil einer BTP-Lösung dabei darin, dass wir im Vergleich zu einer S4-Kern-Lösung, wo wir immer von SAP-Releases abhängig sind, eine Continuous Delivery anbieten und damit Innovationen viel häufiger zur Verfügung stellen können. Gleiches gilt übrigens auch für SAP, die S4-Updates flexibler und schneller ausspielen kann.

E3: SAP ist in der IT-Welt nicht der einzige Plattformanbieter. Auch bei den Hyperscalern gibt es interessante Konzepte. Einige SAP-Partner weichen auf die Microsoft-Azure-Plattform aus. Wie sehen Sie das Thema SAP und Microsoft?

Adam: Wir beobachten, dass die Entscheidung für SAP oder Microsoft, D365 und Power Platform, getrieben wird über die Größe der Kunden und die Komplexität des Geschäfts. Während SAP für große Enterprise-Kunden, wie eingangs erwähnt, alternativlos ist, nutzen viele Mittelständler die anstehende Cloud-Migration für eine Neubewertung der Plattformentscheidung. Dabei fällt im Mittelstand gerade im Bereich der Supply Chain die Wahl oftmals auf Microsoft. So ist auch unser Geschäft aufgebaut. Unsere Lösungen SDM und RFNO für Logistik und Tankstellenbetrieb richten sich primär an Enterprise-Kunden, die SAP im Einsatz haben. Dahingegen sehen wir im Terminal-Management-Geschäft einen Trend in Richtung der Microsoft-Lösungen für die Supply Chain. Hyperscaler, sei es AWS oder Azure, sehen wir dabei eher als Diskussionspunkt im Kontext Infrastruktur, nicht aber im Bereich Business-Apps.

E3: Danke für das Gespräch.

“BTP ist ein wichtiges Thema. Aufgrund der Clean-Core­Strategie sind kundenindividuelle Anpassungen nur auf der BTP möglich.”

Rolf Adam,
CEO,
Implico Group

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Die Arbeit an der SAP-Basis ist entscheidend für die erfolgreiche S/4-Conversion. 

Damit bekommt das sogenannte Competence Center bei den SAP-Bestandskunden strategische Bedeutung. Unhabhängig vom Betriebsmodell eines S/4 Hana sind Themen wie Automatisierung, Monitoring, Security, Application Lifecycle Management und Datenmanagement die Basis für den operativen S/4-Betrieb.

Zum zweiten Mal bereits veranstaltet das E3-Magazin in Salzburg einen Summit für die SAP-Community, um sich über alle Aspekte der S/4-Hana-Basisarbeit umfassend zu informieren. Alle Informationen zum Event finden Sie hier:

SAP Competence Center Summit 2024

Veranstaltungsort

Eventraum, FourSide Hotel Salzburg,
Am Messezentrum 2,
A-5020 Salzburg

Veranstaltungsdatum

5. und 6. Juni 2024

Reguläres Ticket:

€ 590 exkl. USt.

Veranstaltungsort

Eventraum, Hotel Hilton Heidelberg,
Kurfürstenanlage 1,
69115 Heidelberg

Veranstaltungsdatum

28. und 29. Februar 2024

Tickets

Regular Ticket
EUR 590 exkl. USt
Veranstalter ist das E3-Magazin des Verlags B4Bmedia.net AG. Die Vorträge werden von einer Ausstellung ausgewählter SAP-Partner begleitet. Der Ticketpreis beinhaltet den Besuch aller Vorträge des Steampunk und BTP Summit 2024, den Besuch des Ausstellungsbereichs, die Teilnahme an der Abendveranstaltung sowie die Verpflegung während des offiziellen Programms. Das Vortragsprogramm und die Liste der Aussteller und Sponsoren (SAP-Partner) wird zeitnah auf dieser Website veröffentlicht.