Börsengang in SAP S/4 Hana
Schott Pharma ging am 28. September 2023 an die deutsche Börse. Es war der größte und erfolgreichste Börsengang des Jahres in Deutschland. In der Vorbereitung mussten jedoch zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden. Ein wesentlicher Bestandteil der Vorbereitungen stellte die Teilkonzernbildung über einen Carve-Out (die Ausgliederung von Unternehmensteilen zu einer rechtlich selbstständigen Einheit) dar, bei dem die Geschäftsprozesse und Daten der Pharmasparte innerhalb des SAP-S/4-Hana-Systems des Mutterkonzerns reorganisiert werden mussten.
Für den neuen Teilkonzern musste alles so funktionieren wie zuvor: etwa die vollständige Integration des S/4-Systems des Mutterkonzerns, die Anbindung aller Schnittstellen sowie die Übernahme einer länderspezifischen Datenhistorie. Zudem galt es, die umfangreichen Voraussetzungen für das Reporting mit getrenntem Ausweis und die legale Trennung der Gesellschaften der Schott-Pharma-Sparte innerhalb des Gesamtkonzerns zu realisieren.
Dreifache Komplexität
Das Projekt der SAP-Restrukturierung wurde Ende Januar 2022 initiiert. Herausfordernd war dabei nicht nur der enge Zeitrahmen mit geplantem Go-live im August des gleichen Jahres, Schott befand sich zu dieser Zeit noch in der Hypercare-Phase der S/4-Transformation, deren Go-live im Herbst 2021 stattfand. Der Carve-Out schloss sich somit fast nahtlos an und wurde noch während der Endphase des S/4-Hana-Projekts geplant.
Herausfordernd war zudem die Tatsache, dass in dem SAP-System viele Buchungskreise und Prozesse sowohl für die Pharmasparte als auch für andere Geschäftseinheiten genutzt wurden, was einen sauberen Transfer von Daten und Dokumenten erschwerte. Trotz der vielfältigen Komplexität kam ein Aufschub nicht infrage. Schott-CIO Andreas Beeres betont: „Für die strategische Entscheidung, Schott Pharma als eigenständige Gesellschaft an die Börse zu bringen, war das richtige Timing entscheidend.“
Das Projektteam, bestehend aus Experten von Schott und dem Beratungshaus cbs – Corporate Business Solutions, konzipierte zunächst ein umfassendes Zielbild. „Da die verschiedenen Geschäftsbereiche bei Schott eng verwoben sind, mussten wir zunächst herausfinden, wie viele Einheiten überhaupt betroffen sind und welche Möglichkeiten es gibt, damit umzugehen“, erklärt Sebastian Hellman, Consulting Director bei cbs, und fährt fort: „Carve-Outs, Reverse Carve-Outs, neue Gesellschaften gründen oder alte Gesellschaften auslaufen lassen – es waren viele verschiedene Reorganisationsformen im Scope. Es ging um einen Impact von 900 Millionen Euro Business-Umsatz von 2,9 Milliarden Euro Umsatz von Schott insgesamt.“
Beeres ergänzt: „Bei dem Carve-Out handelte es sich im Grunde um eine S/4-Migration im Kleinformat. Daten mussten aus dem System extrahiert, umstrukturiert und wieder integriert werden. Dies beinhaltete auch selektive rückwirkende Migrationen aus früheren Geschäftsjahren.“ Im Vorfeld mussten zudem verschiedene Betriebsmodelle diskutiert und definiert werden und organisatorische Anpassungen vorgenommen werden.
Carve-Out-Ansatz
Für die Einreichung der Börsenunterlagen benötigte Schott die historischen Daten, sowohl des angefangenen Börsenjahrs als auch des Jahrs zuvor, die nun nach der neuen Teilkonzernstruktur berichtet werden mussten. Für die größte deutsche Gesellschaft wurde ein retrospektiver Ansatz gewählt und alle bis dahin gebuchten Belege rückwirkend geändert und auf die neue Teilkonzernstruktur angepasst. Diese rückwirkende Änderung erforderte eine präzise und sorgfältige Planung, um sicherzustellen, dass keine historischen Daten verloren gingen oder verfälscht werden. Für die anderen Gesellschaften konnte eine Ausgliederungsbilanz rückwirkend für den aktuellen Monat erstellt werden.
Die retrospektive Umsetzung der Finanz- und Controlling-Belege für den Geschäftsjahresbeginn beziehungsweise das IPO-Datum sorgt dafür, dass alle relevanten Daten zum Zeitpunkt des Go-live korrekt und vollständig waren und den Anforderungen des Börsengangs entsprachen. Schott Pharma ging in der Carve-Out-Phase des Gesamtprojekts termingerecht im August 2022 in der neuen Teilkonzernstruktur im Big-Bang-Ansatz live.
Nach dem Carve-Out stellte Schott die strukturelle Segment-Darstellung vor dem Börsengang um und etablierte gemeinsam mit cbs Datenstrukturen und -prozesse für eine legale Segmentberichterstattung gemäß IFRS 8 in SAP S/4 Hana und SAP BI beziehungsweise in der Konsolidierung im SEM-BCS. Zudem wurde eine Reorganisation der Bewegungsdaten und des operativen Reportings in den SAP-Applikationen basierend auf der Zielberichtsstruktur bzw. -hierarchie des IPOs durchgeführt. Weiterer wichtiger Aspekt des Projekts war die Konvertierung der Belegdaten in der Profit-Center-Rechnung des New GLs (Universal Journal inklusive aktiven Belegsplits) sowie der abhängigen Datenobjekte in den Modulen CO/MM/SD/PS & IM.
Als wichtiger Meilenstein begann Schott ab 1. Juni 2023 damit, alle neuen Belege in der neuen Teilkonzernstruktur zu erzeugen. Eine Teilmigration wurde zudem bewusst nach dem Go-live des Systems und dem Börsengang auf den 14. Januar 2024 gelegt. Denn bestimmte Geschäftseinheiten der Gruppe hatten nach legaler Anforderung erst im Januar ihren Jahresabschluss. Die Abschlüsse des laufenden Jahres wurden dann über sogenannte Fortschreibungsregeln berichtet, die Schott in das Konsolidierungssystem und Management Reporting System implementierte.
Der Cut-Over für die Segmentberichterstattung fand mit einer Downtime von 2,5 Stunden statt, in der Datenmigration und Validierung vorgenommen wurden. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Der Cut-Over war hochperformant und professionell“, berichtet Oliver Böhm, Head of Financial Services & Systems bei Schott AG.
Ergebnis
Schott Pharma konnte am 28. September 2023 den Kapitalmarkt erfolgreich betreten und neue Wachstumspotenziale erschließen, auch dank der erfolgreichen Vorbereitungen, durch die alle Anforderungen an ein modernes Reporting und Controlling erfüllt werden.
Wichtiger Erfolgsfaktor war dabei die partnerschaftliche Zusammenarbeit des Projektteams, bestehend aus Mitarbeitenden von Schott und cbs. Beide Unternehmen und deren Teams blicken auf eine jahrelange Zusammenarbeit zurück. So entschied sich Schott in der S/4-Transformation für den ganzheitlich selektiven Ansatz von cbs. „Uns war angesichts der Komplexität und des Zeitrahmens des Projekts wichtig, einen erfahrenen Partner zu wählen, der die nötige Expertise gesichert mitbringt. Man würde auch nicht den Mount Everest ohne erfahrene Sherpas besteigen“, erklärt Schott-CIO Andreas Beeres.
Diese Vorgeschichte erleichterte die Kommunikation und das gegenseitige Verständnis und ermöglichte es, die komplexen Anforderungen der Teilkonzernbildung innerhalb kurzer Zeit umzusetzen. Sebastian Hellmann, Consulting Director bei cbs, fügt hinzu: „Ich freue mich, dass wir schon so lange zusammenarbeiten und so viele anspruchsvolle Projekte gemeinsam realisieren konnten, die so auf der Welt einmalig sind. Dieser Pioniergeist treibt sowohl Schott als auch cbs an.“
Schott AG
Schott ist einer der weltweit führenden Hersteller im Bereich Spezialglas, Glaskeramik und anderer Hightech-Werkstoffe. Der Technologiekonzern beschäftigt rund 17.300 Mitarbeitende weltweit an mehr als 30 Standorten. Schott ist ein weltweit angesehener Partner für Hightech-Branchen wie etwa Gesundheit, Consumer Electronics, Halbleiter und Datenkommunikation, Optik, Energie, Automotive, Hausgeräte und Wohnen sowie Luft- und Raumfahrt. Schott beschäftigt 600 Ingenieure und Entwickler, die ein weltweites Forschungsnetzwerk bilden. Im Geschäftsjahr 2023 erzielte der erfolgreiche Global Player einen Umsatz von 2,9 Milliarden Euro.
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