SAP-Rollout USA
Um die wirtschaftliche Entwicklung einer US-Tochter effizient zu planen und zu steuern, benötigt die Muttergesellschaft aktuelle Informationen und Kennzahlen zu diesem Standort.
Die lassen sich am einfachsten einholen, wenn die US-Firma durch einen SAP-Rollout in die zentrale ERP-Installation eingebunden wird. Hier lauern jedoch diverse Fallstricke:
1. Die Umsatzsteuer…
…wird in den USA von den einzelnen Bundesstaaten erhoben. Entsprechend hoch fällt die Zahl der Steuersätze aus, die das SAP-System abbilden muss. Dies ist möglich über den „Jurisdiction Code“, der zusammen mit dem Steuerkennzeichen die Höhe der jeweiligen Umsatzsteuer anzeigt und die Aufteilung des Betrages auf die einzelnen Steuerbehörden (State, County, City) bestimmt.
2. Meldungen an das Finanzamt:
Zahlungen für Aufträge, die Unternehmen an Selbstständige vergeben – zum Beispiel das Rasenmähen vor dem Firmengebäude –, sind laut US-Gesetz den Finanzbehörden zu melden.
In manchen Fällen wird sogar die Einkommenssteuer des Auftragnehmers einbehalten und direkt an die zuständige Finanzbehörde überwiesen. Da bei einem Geschäftsvorfall oft mehrere solcher Steuern parallel abzuführen sind, müssen die einzelnen Steuertypen in SAP definiert und zugeordnet werden.
3. Scheck- und Kreditverwaltung:
Da ein US-Lieferant in der Regel noch per Scheck bezahlt wird, sind für die Erstellung, Erfassung und Bearbeitung in SAP die Funktionen zur Scheckverwaltung gemäß den Anforderungen und Regeln der Wirtschaftsprüfer und Banken einzurichten.
Die Kunden wiederum zahlen je nach Branche oft mit Kreditkarte, sodass ein effizientes Kreditmanagement erforderlich ist, das die Möglichkeit zur Prüfung des Kreditlimits und zur Analyse des Zahlungsverhaltens einschließt.
4. Materialbestand bewerten:
Der Materialbestand für die Bilanz im Rahmen der US-GAAP (United States Generally Accepted Accounting Principles) darf entweder über das FIFO- (First In – First Out) oder mit dem LIFO-Verfahren (Last In – First Out) bewertet werden.
In den USA gilt mit der „Historical Cost“ zudem ein gemeinsamer Bewertungsmaßstab für die Anschaffungs- und Herstellungskosten von Maschinen und Anlagen, während in Deutschland zwischen Herstellungs- und Anschaffungskosten unterschieden wird.
5. Maße und Gewichte…
…sind im elektronischen Datenaustausch korrekt umzurechnen. Sollen gemeinsame Materialien verwendet werden, für die es unterschiedliche Mengeneinheiten (Maße, Länge, Volumen) gibt, muss eine Strategie zur Harmonisierung oder zur alternativen Verwendung dieser Mengeneinheiten erarbeitet und umgesetzt werden.
6. Distanzen…
…innerhalb der USA, aber auch nach Deutschland machen es erforderlich, die Zeitzonen und Lieferzeiten genau zu betrachten. Gerade bei Lieferavisen und auf das Auslieferungs- und Anlieferungsdatum bei Transportbestellungen ist dies ein wichtiger Aspekt.
7. Faktor Mensch:
Der Erfolg eines SAP-Rollouts in den USA steht und fällt mit der Sensibilisierung für die kulturellen Unterschiede. Während beispielsweise deutsche Mitarbeiter gewohnt sind, einen detaillierten Einführungsplan zu erarbeiten, der dann auch eingehalten wird, legen US-Beschäftigte in der Regel großen Wert auf Flexibilität und passen ihre Planung im Verlauf des Projekts immer wieder an. Das Projektteam sollte daher möglichst auch mit deutschen Mitarbeitern besetzt sein.
8. Dokumentation erstellen:
Wegen der hohen Mitarbeiterfluktuation in den USA muss die Dokumentation des Rollouts in englischer Sprache vorliegen und laufend aktualisiert werden.
Andernfalls droht der Verlust von wichtigem SAP-Know-how, falls Key-User und IT-Mitarbeiter kurz nach dem Abschluss des Rollouts die US-Gesellschaft verlassen.
9. Gute Vorbereitung…
…ist das A und O für den späteren Erfolg und beginnt mit der Festlegung einer Rollout-Strategie. Eine Fit-Gap-Analyse ermittelt, welche regionalen Anforderungen zu erfüllen und welche der im SAP-Template definierten Prozesse anzupassen und zu erweitern sind – per Customizing, Eigenentwicklung oder durch ein Add-on.
Anschließend wird die Systemlandschaft im Hinblick auf Schnittstellen oder Support analysiert, es erfolgt ein Abgleich der Logistikprozesse, das Mapping der Kontenpläne, und die Stammdaten werden bereinigt und harmonisiert. Zu klären ist auch, ob die US-Tochter ausreichend IT-Personal mit SAP-Know-how hat.
10. Blueprint…
…erstellen, Integrationstests durchführen: Schließlich wird der Business-Blueprint erstellt; danach erfolgt die Anpassung und Implementierung der SAP-Prozesse, der Aufbau der Testfälle. Wichtig ist es, vor dem Produktivstart mindestens einen Integrationstest durchzuführen und zeitig die Key-User zu schulen, die ihr Wissen später an die Fachanwender weitergeben sollen.
Unmittelbar nach der Inbetriebnahme und bei der Erstellung des ersten Monatsabschlusses ist ein besonders intensiver Support erforderlich. Dann übernimmt der „reguläre“ Support die Betreuung des SAP-Systems – wahlweise die deutsche Zentrale oder ein lokaler Berater.