Sur-licence SAP


Von der Unterlizenzierung zur Überlizenzierung
Das SAP-Lizenzmanagement wird in der SAP-Community als äußerst komplexes und vielschichtiges Thema betrachtet, das tiefgehendes technisches und juristisches Know-how erfordert. Aufgrund der Masse an Softwareprodukten und der Komplexität ist die genaue Definition der Softwarelizenz-Compliance besonders schwierig. SAP-Bestandskunden, die das Thema vernachlässigen, riskieren erhebliche finanzielle Nachteile.
SAP ist berechtigt, die ordnungsgemäße Lizenzierung bei seinen SAP-Bestandskunden zu überprüfen: In der Vergangenheit gab es im klassischen R/3 einen beliebten Trick der SAP-Vertriebsbeauftragten. Meistens im Sommer, wenn Ferialpraktikanten anwesend waren, stieg die Zahl der R/3-Anwender. Technisch war es kein Problem, mehr Benutzer im System anzumelden als es der R/3-Lizenzvertrag vorsah. Eine stichprobenartige Lizenzvermessung durch SAP ergab dann oft eine Unterlizenzierung – es mussten Lizenzen nachgekauft werden. Nach dem Weggang der Ferialpraktikanten gab es dann eine Überlizenzierung und fortan kassierte SAP reichhaltige Pflegegebühr.
Die strategische Ausrichtung für SAP-Bestandskunden muss darauf abzielen, Compliance zusammen mit optimalen Lizenzkosten für On-prem und Cloud sicherzustellen. Ein wesentlicher Kostenfaktor ist die Überlizenzierung. Wer überlizenziert ist, zahlt zu viel, was häufig durch das stufenbasierte Preismodell von SAP begünstigt wird, bei dem Kunden zusätzliche Lizenzen kaufen, um Rabattstufen zu erreichen (sogenannte Shelfware, also ungenutzte Lizenzen).
Überlizenzierung und nachgelagerte Support- und Subskriptionskosten
Zur Bewältigung der Herausforderung „Überlizenzierung“ empfehlen Juristen und IT-Experten, entweder ein internes License-Management-Office einzurichten, das direkt an den CIO oder CFO berichtet, oder externe SAM-Dienstleister (Software Asset Management) beizuziehen. SAM-Lösungen helfen, die SAP-Compliance sicherzustellen, die S/4-Migration zu analysieren, Indirect Access mit Direct Access zu vergleichen, und SAP-SaaS-Optionen zu evaluieren. Ein intensives Lizenzreview kann sich oft finanziell auszahlen.
Die Lizenzoptimierung On-prem und Cloud erfordert einen detailreichen Einblick in die tatsächliche Nutzung der SAP-Installationen. Dabei ist es entscheidend, ungenutzte Lizenzen (Shelfware) zu identifizieren, um Ressourcen auf andere Benutzer oder Systeme umzuverteilen. Bei der Benutzerlizenzierung ist der größte Kostentreiber die Überlizenzierung durch falsche Lizenz-Typzuordnung, z. B. Professional-Lizenzen für Führungskräfte, die nur gelegentlich bis gar nicht das SAP-System nutzen oder durch inaktive und doppelte ERP-User.
Support-Ende, Lizenzkündigung und Stilllegung
Der Umstieg auf S/4 wird durch das angekündigte Ende der Mainstream-Wartung für Kernanwendungen der SAP Business Suite 7 (ERP/ECC 6.0) Ende 2027/2030 und vielleicht auch 2033 beschleunigt. Die Wartungsgebühren (Pflegegebühren) sind grundsätzlich ab Lieferung der Software zu entrichten.
Schon vor über zehn Jahren haben die Analysten von Gartner darauf verwiesen, dass die Hoheit über die eigenen Lizenzen ein unschätzbares Gut ist. Lange vor dem Cloud-Computing-Zeitalter mit dem Lizenzmodell „Subskription“ gab es einen Diskurs zur ERP-Autonomie mit Lizenzen im eigenen Besitz!
Bestandskunden mit eigenen Lizenzen haben das Recht, die Wartung bei SAP zu kündigen und zu einem Drittanbieter zu wechseln. Das erworbene Nutzungsrecht an der Software erlischt dabei in den wenigsten Fällen. SAP missbilligt diesen Schritt, was bei einem Wiedereinstieg in die SAP-Pflege oft zu juristischen Auseinandersetzungen führen kann.
Hinsichtlich der Lizenzstilllegung gibt es definierte Prozesse: SAP bietet die Möglichkeit, nicht genutzte On-prem-Lizenzen zusammen mit der dazugehörigen Wartungshöhe zu terminieren (Stilllegung), wenn eine entsprechende Subskription für neue Cloud-Services (Cloud Extension Program) oder On-prem-Lizenzen abgeschlossen wird. Dabei werden jedoch keine im Voraus bezahlten Wartungsgebühren zurückerstattet.
Second-Hand-SAP-Software
Der Handel mit gebrauchten SAP-Lizenzen basiert darauf, dass ein gekauftes Software-Nutzungsrecht in den wenigsten Fällen ein Ablaufdatum hat. Gerichte haben die Rechtmäßigkeit der Weitergabe gekaufter Lizenzen unter bestimmten technischen und logischen Bedingungen bestätigt. Obwohl IT-Anbieter wie SAP, Microsoft, Adobe und Oracle diesen Markt ablehnend sehen und sich dagegen wehrten, ist die Weiterveräußerung an Dritte eine Möglichkeit zur Lizenzoptimierung. Allerdings kann der Verkauf von Altlizenzen im Hinblick auf zukünftige Verhandlungen und die Partnerschaft mit SAP zu erheblichen Diskussionen und Nachteilen führen.
SAP-Lizenzverträge bergen ungeahnte Kostenrisiken. Eine geschickte und gezielte Vorbereitung der Lizenzverhandlungen ist notwendig, um diese Risiken zu umgehen und Einsparpotenziale zu realisieren. Da SAP die Preis- und Konditionenliste (PKL) nicht öffentlich zugänglich macht und die eigentliche Preisliste eine nicht-öffentliche Excel-Tabelle ist, sind Auskünfte über Metriken und Preise nur schwer zu bekommen. Der Anwenderverein DSAG liefert seinen Mitgliedern jedoch regelmäßig die Preislisten und Delta-Informationen.
S/4-Lizenzkonvertierung für On-prem und Cloud
Im Rahmen der S/4-Migration ist die Lizenzkonvertierung zentral. Die Option der Product Conversion, bei der alte R/3-Vertragsbestandteile im Wesentlichen bestehen blieben, ist seit der PKL Q2/2023 entfallen. Für Bestandskunden bleibt somit primär die Contract Conversion (CC), die den gesamten bestehenden Lizenzwert als Kredit verrechnet. Bei CC verliert der Kunde alle alten Rechte und wechselt auf das aktuelle Lizenzmodell. Zudem verlangt SAP in der Regel, dass der Wert des neuen Vertrags mindestens zwei Prozent des Listenpreises der enthaltenen Lizenzen höher sein muss als der Altvertrag.
SAP drängt zudem schrittweise von der nutzungsbasierten zur berechtigungsbasierten Lizenzierung. Dies ist die neue Realität für alle Kunden mit bestehenden S/4-, Rise- oder Grow-Verträgen. Eine zu weitreichende Rollenzuweisung („Monsterrollen“) kann dabei schnell zu teuren Lizenzen führen. Die Strategie sollte hier sein, das Berechtigungskonzept vor der Lizenzvermessung zu überarbeiten, um das Risiko der potenziell teuren berechtigungsbasierten Vergabe zu reduzieren.
Vendor-Lock-in und Full Use Equivalent (SAP FUE)
Mit dem Rise-Angebot verfolgt SAP eine Cloud-Strategie. Rise ist ein Abonnement- und Subskriptionsmodell, bei dem der Kunde vom Eigentümer zum Mieter wird. Im Cloud-Vertrag erlischt das Nutzungsrecht nach Vertragsablauf, und SAP ist berechtigt, alle Daten einen Tag nach Vertragsende zu löschen. Dies führt zu einem Vendor-Lock-in.
Das zentrale Lizenzmodell im Cloud-Kontext ist das Full Use Equivalent (FUE). FUE ist ein komplexes Regelwerk, das existierende Lizenzen in Cloud-Subskriptionen umwandelt. Die Komplexität des FUE-Modells ist ein Haupttreiber für die zugenommene Unübersichtlichkeit im Lizenzmanagement. Eine offizielle Cloud-Exitstrategie der SAP existiert nicht, weshalb der Weg in die Cloud oft als Einbahnstraße beschrieben wird. Bestandskunden verlieren durch die FUE-Konvertierung jede Autonomie über ihr ERP.
Abschließend gilt für Unternehmen die Empfehlung, die Lizenzlandschaft kontinuierlich zu optimieren und die tatsächlichen Kosten, einschließlich jährlicher Erhöhungen, für Cloud-Services transparent abzufragen, um nicht in eine Überlizenzierung zu geraten. Die Stilllegung von Altsystemen nach der Auslagerung historischer Daten auf revisionssichere Plattformen kann zudem massive Kosteneinsparungen von 80 Prozent und mehr an Betriebskosten ermöglichen, da Legacy-Systeme komplett abgeschaltet werden können.
SAP besitzt keine Instrumente, um ein atmendes ERP-System mit schwankender Anwenderzahl, also flexiblen Softwarelizenzen, zu orchestrieren. Kaufen darf der SAP-Bestandskunde immer, aber ERP-Lizenzen retournieren, Lizenzen stilllegen oder die Wartung und Pflegegebühr aussetzen, das ist immer ein Problem – nahezu unmöglich! Wenn SAP „Freund“ der deutschen Wirtschaft bleiben will, müssen neue Lizenzregeln in der PKL (SAP-Preis- und Konditionenliste) Eingang finden.