Nachbericht von der Boomi World London: Integration-Platform-as-a-Service (iPaaS)
Die von den Analysten bei Gartner definierte Integration-Platform-as-a-Service (iPaaS) ist ein vom Anbieter wie SAP oder Boomi verwalteter Cloud-Dienst, der es SAP-Bestandskunden ermöglicht, eine Integration zwischen einer Vielzahl von Anwendungen, Services und Datensilos zu orchestrieren, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb ihres Unternehmens und des eigenen ERPs. Mithilfe von iPaaS können die Anwender interne und externe Prozesse, Dienste und Datenquellen für mindestens eine der drei Hauptanwendungen der Integrationstechnik steuern: Datenkonsistenz, mehrstufiger Prozess, kombinierte Services (Composable ERP).
Die Cloud-Angebote an iPaaS-Lösungen sind nahezu unbegrenzt, die wichtigsten Anbieter hat Gartner in den Magic Quadrant für Integration-Platform-as-a-Service aufgenommen. Im Bereich Marktführer finden sich SAP mit Business Technology Platform (BTP) und Boomi und dennoch könnten die beiden Lösungen unterschiedlicher nicht sein. Auf einer Boomi-Konferenz im Herbst dieses Jahres in London präsentierte Abdulla Talal Adusido, Corporate Business Application Director beim SAP-Bestandskunden Ismail Abudawood Trading (Saudi-Arabien), die Unterscheidungsmerkmale, denn beide Plattformen sind bei Abudawood im Einsatz.
Auf den ersten Blick handelt es sich bei dem saudi-arabischen SAP-Anwender um eine klassische ERP-Installation in der Version ECC 6.0. Die SAP Business Technology Platform wird jedoch nur für die Kernprozesse verwendet. Die Integration und Automatisierung über alle im Einsatz befindlichen On-prem- und Cloud-Systeme erfolgen mit der Boomi-Plattform. Die Orchestrierung mit Boomi soll zukünftig auch die KI-Anwendungen und das Datenmanagement umfassen.
ERP componible
Aufgrund der schwierigen SAP-Lizenzsituation bei einer möglichen Conversion auf S/4 Hana denkt dieser SAP-Bestandskunde in Richtung eines offenen Composable ERP. Dafür soll in Zukunft die komplette Boomi-Funktionalität zum Einsatz kommen. Im Gespräch mit dem E3-Magazin begründete Corporate Business Application Director Abdulla Talal Adusido diese Strategie mit der einfacheren Nutzung und Steuerung: „Für Boomi brauchten wir drei Tage Schulung, keine externen Berater und jetzt können wir unsere Herausforderungen mit Boomi selbst lösen. Für SAP beschäftigen wir immer noch vier externe Berater und davor waren es sieben.“
Aufgrund der SAP-Komplexität sowohl bei den Prozessen als auch der BTP und der schwierigen Lizenzsituation versucht das Unternehmen, die Anzahl an SAP-Prozessen weiter zu reduzieren. Theoretisch wäre man schon jetzt in der Lage, ECC 6.0 und BTP zu ersetzen. Aktuell blickt man nach vorne und konzentriert sich auf die Angebote von Boomi für die Automatisierung und die Kommunikation zu externen Datenquellen und Prozessen. Gartner beschreibt die Situation folgend: Integrationsprozesse, Datenpipelines, Workflows, Automatisierungen und Composite-Services werden in der Regel über intuitive Low-Code- oder No-Code-Entwicklungsumgebungen erstellt, obwohl einige Anbieter auch komplexere Entwickler-Tools anbieten.
Diese Prinzipien sind auf BTP und bei Boomi gegeben. Hinzu kommen Software-Development-Life-Cycle-Werkzeuge und -Management, einschließlich Versionierung, Testen und Bereitstellung; weiters IT-Werkzeuge für die operative Überwachung, Alarmierung, Berichterstattung und Prüfung von Integrationen, Prozessen, Pipelines und Diensten in Produktionsumgebungen; sowie eine Laufzeitebene, die dem Kunden als Cloud-Dienst zur Verfügung gestellt wird.
Produktivität mit KI
Boomi ist im Gartner Magic Quadrant ein Marktführer, schreiben die Analysten in einem Report von Anfang dieses Jahres. Das Unternehmen stellt die Boomi-Plattform zur Verfügung, inklusive API-Management, EDI-Management, Master Data Hub und Boomi Flow. Nach einigen Jahren mit verhältnismäßig wenigen Veränderungen hat Boomi im Jahr 2023 einige wichtige Updates geliefert, wie z. B. den neuen Event-
Streamingdienst und mehrere neue KI-basierte Dienste.
Gartner sieht die Stärken von Boomi bei Investitionen in die KI-Erweiterung der Plattform, um die Produktivität, die SLA von 99,99 Prozent, die Wiederherstellungszeiten, die Sicherheitsoptionen und andere Dienste zu verbessern und die Nutzung zu vereinfachen. Boomi befindet sich nach Schätzungen von Gartner in Bezug auf Umsatz und Kundenzahlen weiterhin unter den besten fünf iPaaS-Anbietern. Boomi bietet einige grundlegende Funktionen für den verwalteten Datentransfer (Managed File Transfer) und die intelligente Dokumentenverarbeitung (Intelligent Document Processing). Gartner gibt aber auch zu bedenken, dass Boomi ein Partnermodell für diese Funktionen und robotergestützte Prozessautomatisierung (Robotic Process Automation) verwendet. Anwender, die auf einen einzigen Anbieter für diese Funktionen hoffen, sollten prüfen, ob Boomi genügend Unterstützung für ihre Anwendungsfälle anbietet.
Naturgemäß ist SAP in diesem Magic Quadrant ein Marktführer. Sie bietet die SAP Integration Suite; diese Suite des ERP-Weltmarktführers und Teil von SAP BTP bringt eine breite Palette an Funktionen für die Integration von Anwendungen, Daten, Prozessen, künstlicher Intelligenz und Geschäftsprozessen, die sich in erster Linie auf das SAP-Anwendungsökosystem konzentrieren und auch die Integration von Nicht-SAP-Anwendungen ermöglichen sollen. SAP Business Accelerator Hub, eine Komponente der Integration Suite, bietet Bestandskunden Zugriff auf vorgefertigte integrierte Lösungen, die auf existierende Geschäftsprozesse ausgerichtet sind.
Die Analysten von Gartner betonen: Obwohl die SAP Integration Suite positiv wahrgenommen wird, wird sie auf dem Markt immer noch als ein SAP-zentriertes Angebot und nicht als eine universelle Integrationsplattform angesehen. Was indirekt durch die Aussagen von Corporate Business Application Director Abdulla Talal Adusido bestätigt wird. SAP passt die Preisgestaltung nicht an Marktsegmente und Unternehmensgrößen an, eine Praxis, die in diesem Markt zunehmend üblich geworden ist, um die Attraktivität zu erhöhen.
Aus Sicht eines SAP-Bestandskunden sind die Angebote nur schwer zu vergleichen, weil SAP mit BTP und Konzepten wie Clean Core und Steampunk sehr stark auf die Bedürfnisse der Bestandskunden ausgerichtet ist, während Boomi einen offenen Markt mit einer Vielzahl an Prozessen und Datenquellen adressiert. Boomi selbst sieht sich somit auch als Provider eines Datennetzwerkes. Die Boomi-Plattform soll Verbindungen herstellen und Kommunikation ermöglichen, um Information zu teilen.
Orchestrierung der Datenströme
Die Herausforderung, der sich Boomi gegenübersieht, ist die Orchestrierung divergenter Datenströme und inkompatibler Datensilos. Alles mit allem verbinden, um einen Datenmehrwert zu generieren, scheint das Motto von Boomi zu sein. SAP ist davor schon mit dem Konzept Data Hub gescheitert, jetzt versucht es der ERP-Anbieter mit Datasphere. Boomi spricht die SAP-Datenquellen über APIs an, was weitgehend auch dem SAP-Clean-Core-Konzept entspricht. Ein paralleler Einsatz von BTP und Boomi sollte demnach kein Problem sein.
Eine Datensynchronisation und -orchestrierung erscheint aus mehreren Gründen unausweichlich: KI-Applikationen beruhen auf konsistenten Datenquellen und der Weg von ERP/ECC 6.0 nach S/4 Hana ist fast ausschließlich über eine Datenkonsolidierung möglich. Mit S/4 als einem Clean-Core-Paradigma gewinnt iPaaS an Bedeutung. SAP-Bestandskunden werden sich zukünftig eine Plattformstrategie zurechtlegen, um den Anforderungen aus den Bereichen KI, Datenmanagement, Automatisierung und Enterprise-Architektur gerecht zu werden.